Letztens hatten wir einen Servicetechniker im Haus. Und diese Begegnung erinnerte mich einmal mehr an das Akzeptanzproblem von technologischem Fortschritt. Ein „neuartiges“ technisches Gerät, dass zur Zeit seiner Erfindung sehr kritisch angesehen wurde, haben wir wahrscheinlich alle im Keller oder Hauswirtschaftsraum stehen: Die Waschmaschine.

Die Erfindung der Waschmaschine in der Mitte des 19. Jahrhunderts revolutionierte die Art und Weise, wie Menschen ihre Kleidung reinigten. Obwohl die Waschmaschine heute als unverzichtbares Haushaltsgerät gilt, stieß sie zu Beginn auf wenig Akzeptanz und sogar Widerstand.

Akzeptanzprobleme am Beispiel der Waschmaschine

Eine der Hauptursachen für die geringe Akzeptanz der Waschmaschine waren ihre hohen Anschaffungskosten. Die ersten Modelle waren teuer und für die meisten Haushalte unerschwinglich. Dies führte dazu, dass die Waschmaschine anfangs nur von wohlhabenderen Familien genutzt werden konnte.

Desweiteren herrschte in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ein tiefes Misstrauen gegenüber neuen Technologien. Die Waschmaschine wurde als komplexe Maschine wahrgenommen, die von Fachleuten bedient werden musste. Viele Menschen hatten Angst vor Fehlfunktionen und Unfällen.

In vielen Haushalten war zu der Zeit das Waschen von Kleidung traditionell Aufgabe der Frauen. Die Einführung der Waschmaschine wurde von einigen als Bedrohung für die traditionelle Geschlechterrolle gesehen. Die Idee, dass Frauen weniger Zeit mit Hausarbeit verbringen könnten, führte zu Widerstand und Skepsis.

Die professionellen Wäschereien waren eine der größten Gegner der Waschmaschine. Die Einführung dieses Haushaltsgeräts wurde als potenzielle Konkurrenz für professionelle Wäschereien wahrgenommen. Die Branche setzte sich somit aktiv gegen die Verbreitung der Waschmaschine ein.

Der Mangel an Bildung und Aufklärung über die Vorteile der Waschmaschine trug ebenfalls zur geringen Akzeptanz bei. Viele Menschen verstanden nicht, wie sie das Gerät effektiv nutzen konnten. Dies führte zu Frustration und Ablehnung.

Lösung der Akzeptanzprobleme am Beispiel der Waschmaschine

Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten erkannten im Laufe der Zeit immer mehr Menschen die Vorteile der Waschmaschine. Mit technologischen Fortschritten wurden die Geräte erschwinglicher, sicherer und benutzerfreundlicher.

Was ich persönlich als besonders interessanten Aspekt sehe, ist das Fenster in der Waschmaschine. Das Fenster spielte eine entscheidende Rolle bei der Erhöhung der Akzeptanz dieses Haushaltsgeräts. Obwohl es nicht der einzige Faktor war, trug das Fenster dazu bei, die Bedenken und Vorbehalte der Verbraucherinnen und Verbraucher zu minimieren.

Das Fenster in der Waschmaschine ermöglichte, den gesamten Waschvorgang zu beobachten. Das schaffte den Nutzerinnen und Nutzern ein Gefühl der Transparenz und Kontrolle über den Prozess, da sie sehen konnten, wie ihre Kleidung gewaschen wurde. Das war insbesondere in den Anfangsjahren der Waschmaschine wichtig, um das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewinnen.

Die Sichtbarkeit des Waschvorgangs durch das Fenster half den Benutzerinnen und Benutzern ebenso, Vertrauen in diese neue „Wundermaschine“ zu entwickeln. Da viele Menschen zu dieser Zeit besorgt waren, dass ihre Kleidung in der Maschine beschädigt werden könnte, beruhigte das Fenster diese Sorgen. Es erlaubte den Benutzerinnen und Benutzern, sicherzustellen, dass ihre Kleidung ordnungsgemäß gewaschen wurde, ohne Schaden zu nehmen.

Das Fenster ermöglichte auch eine visuelle Bildung der Nutzenden. Sie konnten den Waschvorgang verstehen, was ihnen half, die richtigen Einstellungen und Waschmittel auszuwählen. Dies förderte die effiziente Nutzung der Waschmaschine und minimierte das Risiko von Fehlern.

Übetragung auf die Bau- und Immobilienwirtschaft

Auch auf die Gefahr hin dass Sie mich schelten; die Situation mit der Waschmaschine im 19. Jahrhundert haben wir im Grunde genommmen auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Dieser Wirtschaftszweig ist eher traditionell. Er passt sich langsam an Veränderungen und technologische Innovationen an. „Das war schon immer so!“ Das ist nur einer der Sätze, die ich schon viel zu oft gehört habe.

Widerstände hinsichtlich neuer technologischer Errungenschaften sind zum Beispiel:

  • hohe Anschaffungskosten der neuen Technologie (Die Waschmaschine war auch zu Anfang nahezu unerschwinglich.)
  • Misstrauen gegenüber neuen Technologien (Wenn ich nicht weiß was in dem Ding passiert, dann lasse ich lieber die Finger von.)
  • Bedrohung für traditionelle Rollen (Das wurde doch schon immer von den anderen erledigt. Das geht doch nicht, dass jemand anderes jetzt die Rolle übernimmt.)
  • Konkurrenz für bestehende Dienstleister (Wenn jetzt jeder meine Arbeit machen kann, wie verdiene ich dann mein Geld?)
  • wenig Verständnis hinsichtlich der Nutzung (Das ist alles irgendwie zu kompliziert.)

Trotz Vorbehalte und Widerstände zeigt sich: Digitale Methoden und Werkzeuge bieten erhebliches Potenzial, um die Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit von Bauprojekten zu verbessern. Dieses Thema habe ich bereits im Beitrag „Building Information Modeling: Herausforderungen und Chancen“ angeschnitten. Im folgenden stelle ich Ihnen „7 Wege zur Akzeptanz von digitalen Lösungen“ vor.

1. Akzeptanz durch Kosteneffizienz

Die Berechnung des Return on Investment (ROI) für digitale Lösungen ist eine hilfreiche Kennzahl, um die Akzeptanz in der Bau- und Immobilienbranche zu fördern.

Gerade in der aktuellen Zeit, in welcher der Bauwirtschaft keine allzu gute Prognose vorhergesagt wird, werden mit Recht weitere Investitionen sehr stark hinterfragt.

Entscheider in Organisationen müssen deshalb verstehen, wie digitale Werkzeuge langfristig Kosten senken und rentabel sind.

Die Erfassung und transparente Kommunikation von solchen Informationen kann die Entscheidungsträger überzeugen.

2. Akzeptzanz durch Bewusstseinsbildung und Schulungen

Einer der wichtigsten Schritte zur Erhöhung der Akzeptanz von digitalen Methoden ist die Bewusstseinsbildung und Schulung relevanter Akteure in der Bau- und Immobilienbranche.

Viele Unternehmen und Fachkräfte sind möglicherweise noch nicht ausreichend informiert über die Vorteile und Möglichkeiten digitaler Technologien.

Schulungen und Weiterbildungen sind entscheidend, um das Verständnis und die Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Werkzeugen zu fördern.

3. Akzeptanz durch Lernen vom Erfolg anderer

Erfolgsbeispiele und Fallstudien, in denen digitale Methoden und Werkzeuge erfolgreich eingesetzt wurden, kann die Branche überzeugen.

Die Veröffentlichung von Best-Practice-Beispielen und deren Auswirkungen auf Kosteneffizienz, Zeitersparnis und Qualität kann dazu beitragen, Vorbehalte abzubauen und die Bereitschaft zur Implementierung digitaler Lösungen zu steigern.

4. Akzeptanz durch verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren in der Bau- und Immobilienbranche war schon immer entscheidend für den Projekterfolg. Daran ändern auch digitale Methoden nichts.

Wo sich jedoch etwas ändert ist, dass die Integration digitaler Werkzeuge eine noch stärkere interdisziplinäre Herangehensweise und den Austausch von Informationen über verschiedene Phasen des Projekts hinweg verbessert.

5. Akzeptanz durch benutzerfreundliche Lösungen

Die Akzeptanz digitaler Werkzeuge wird erhöht, wenn diese benutzerfreundlich und einfach zu erlernen und zu bedienen sind.

Die Entwicklung von intuitiven Schnittstellen und Anwendungen, welche die Bedürfnisse der Nutzenden in der Bau- und Immobilienwirtschaft berücksichtigen, ist entscheidend, um die Hemmschwelle für die Nutzung digitaler Lösungen zu senken.

6. Akzeptanz durch regulatorische Unterstützung und Standards

Die Unterstützung durch Regulierungsbehörden und die Entwicklung von Branchenstandards für den Einsatz digitaler Werkzeuge können dazu beitragen, das Vertrauen in die Sicherheit und Qualität dieser Technologien zu stärken. Ein aktuelles Beispiel ist der digitale Bauantrag, wie z.B. bei der Stadt Essen.

Regulatorische Maßnahmen, welche die Verwendung digitaler Lösungen fördern, können die Akzeptanz in der Bau- und Immobilienbranche beschleunigen.

Und nun?

Die Erfindung der Waschmaschine hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf den Haushalt und die Lebensqualität von Millionen von Menschen weltweit. Und genau das werden viele der aufkommenden technologischen Innovation auch haben.

Auf der weltweit größten Fachmesse für Unterhaltungselektronik, der Consumer Electronics Show (CES), hat man Anfang Januar in Las Vegas bereits einen Einblick bekommen. Beispielsweise Kraftfahrzeuge mit KI-Integration als sprechende/ Beifahrer/in, motorunterstützte high-tech Schuhe, KI-gestützte Roboter für die Versorgung von Haustieren und KI-gestützte Herde und Waschmaschinen. Es passiert einiges und ich bin sehr gespannt. Doch bei einigen Innovationen kommt mir das etwas vor wie beim Thema Nachhaltigkeit.

„Chef, die Kunden finden Nachhaltigkeit toll und die Politik hat das auch auf die Fahne geschrieben.“

„Und was sollen wir jetzt machen? Unsere Produkte und Dienstleistungen komplett umstellen? Das kostet Geld und Entwicklungszeit.“

„Ne Chef, ich hab da ’ne bessere Idee. Wir lassen das alles wie es ist und schreiben auf die Etiketten, in die Anleitungen und auf unsere Webseite, dass bei uns alles Nachhaltig ist.“

Und tadda (Trommelwirbel) …. Mitarbeiter des Monats! Ach was, der Mitarbeiter des Jahres ist geboren!

Zugegeben, dieser Dialog ist etwas übespitzt. Was ich damit aber sagen will ist die Tatsache, dass man genau hinschauen sollte, was jetzt wirklich neu ist und was nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist.

Bei dem oben genannten Beispiel spricht man von „Green-Washing“. Beim Thema BIM (Building Information Modeling) war das zu Beginn ähnlich. Das gilt teilweise für Softwarefirmen, Planungsbüros, Bauunternehmen und Forschungseinrichtungen. Viele haben auf einmal BIM gemacht (oder schon immer gemacht, auch wenn es in Wirklichkeit was ganz anders war) und wenn man genauer hingeschaut hat, war da noch nichts wirklich Neues. Wir hatten am Anfang also auch sowas wie „BIM-Washing“. Aber Klappern gehört ja bekanntlich zum Handwerk.

Schaue ich mir jetzt neuartige KI-gestützte Rasenmäher oder auch Herde oder Waschmaschinen an, so ist der Innovationssprung durch KI teilweise nicht wirklich bedeutend. Da komme ich beim Thema KI dann auch schon zur Vermutung, das „KI-Washing“ betrieben wird.

Nun, sofern es der Einführung und Akzeptanz dienlich ist, will ich nichts weiter dazu sagen. Aber in der Regel geht es eher um Marktanteile und Absätze.

Die Erhöhung der Akzeptanz von digitalen Methoden und Werkzeugen erfordert eine umfassende Strategie, die Bewusstseinsbildung, Schulung, interdisziplinäre Zusammenarbeit, erfolgreiche Beispiele und eine klare Kommunikation der Vorteile einschließt.

Ich bin überzeugt, mit einer zielgerichteten Herangehensweise können digitale Technologien die Branche nachhaltig verändern und verbessern. Dafür müssen wir uns aber auch darauf einlassen wollen. Auch wenn das bedeutet, dass wir aus unserer Komfortzone kommen müssen.

Und was ist jetzt aus unserer Waschmaschine geworden? Nun, die konnte zum Glück repariert werden und wurde nicht das Opfer einer gewollten Obsoleszenz (geplanten Veraltbarkeit).

Schlagwörter:

Digitale Methoden, Digitale Werkzeuge, Bauwirtschaft, Akzeptanz, 7-Wege, KI-Washing, Schulung, Waschmaschine.

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). 7 Wege zur Akzeptanz von digitalen Lösungen [Blog-Beitrag]. 23.01.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar

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