15 Auswirkungen der EU KI-Verordnung auf die Bau- und Immobilienwirtschaft

Wir haben uns gefühlt erst vor Kurzem von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erholt und jetzt kommt wieder was neues aus Brüssel auf uns zu: Die EU KI-Verordnung.

Die EU KI-Verordnung, auch Artificial Intelligence Act (AIA, hier zu finden) genannt, ist ein Regelwerk zur Regulierung künstlicher Intelligenz (KI). Ziel der Verordnung ist, den Einsatz von KI-Systemen innerhalb der Europäischen Union zu standardisieren, wobei ein besonderes Augenmerk auf ethische Grundsätze, Transparenz und Sicherheit gelegt wird. Das hat auch Auswirkungen auf zahlreiche Bereiche in der Bau- und Immobilienwirtschaft.

Hintergrund zur EU KI-Verordnung

Die EU KI-Verordnung ist eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (KI) und stellt die Basis zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Europäischen Union. Ziel der Vorordnung ist es, einen ausgewogenen Rahmen zu schaffen, der sowohl die rasante technologische Entwicklung und den sozioökonomischen Nutzen der KI fördert, als auch neue Risiken oder Nachteile für Individuen oder die Gesellschaft adressiert.

Struktur der Verordnung anzeigen
  • Teil I (Art. 1-4): Gegenstand und Anwendungsbereich der Verordnung sowie Begriffsbestimmungen
  • Titel II (Art. 5): Liste verbotener KI-Praktiken
  • Titel III (Art. 6-51): Spezifische Vorschriften für KI-Systeme, die ein hohes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit oder für die Grundrechte natürlicher Personen darstellen
  • Titel IV (Art. 52): Spezifische Manipulationsrisiken bestimmter KI-Systeme
  • Titel V (Art. 53-55): Maßnahmen zur Innovationsförderung
  • Titel VI (Art. 56-59): Vorgaben für die Leitungsstrukturen auf Unionsebene und nationaler Ebene
  • Titel VII (Art. 60): Einrichtung einer unionsweiten Datenbank für eigenständige Hochrisiko-KI-Systeme
  • Titel VIII (Art. 61-68): Beobachtungs- und Meldepflichten für die Anbieter von KI-Systemen ohne ein hohes Risiko
  • Titel IX (Art. 69): Grundlagen zur Schaffung von Verhaltenskodizes für Anbietern von KI-Systemen
  • Titel X (Art. 70-72): Vertraulichkeit und Sanktionen
  • Titel XI (Art. 73-74): Befugnisübertragung und Ausschussverfahren
  • Titel XII (Art. 75-85): Schlussbestimmungen

Risikoklassen von KI-Systemen

Die Verordnung betont die Bedeutung eines risikobasierten Ansatzes (siehe Artikel 6 der Verordnung: Klassifizierungsregeln für KI-Systeme mit hohem Risiko). Grundsätzlich können KI-Anwendungen wie folgt unterschieden werden:

  1. KI mit unannehmbarem Risiko: Das sind Systeme, die menschliches Verhalten manipulieren oder die Vertrauenswürdigkeit von Personen auf Grundlage ihres Sozialverhaltens bewerten (sogenanntes Social Scoring). Diese gelten nach Artikel 5 der Verordnung als nicht akzeptabel und werden verboten.
  2. Hochrisiko-KI-Systeme: Solche Systeme unterliegen strengeren Vorschriften in Bezug auf Daten, Daten-Governance, Dokumentation und das Führen von Aufzeichnungen, Transparenz und Bereitstellung von menschlicher Aufsicht, Robustheit, Genauigkeit, Sicherheit und Informationen für die Anwenderinnen und Anwender. Neben diesen spezifischen Anforderungen müssen Hochrisiko-KI-Systeme einer Konformitätsbewertung unterzogen werden (Hochrisiko-KI kommt in der Verordnung fast 300 Mal vor!). Ich empfehle hierzu auch den Anhang III der Verordnung zu lesen.
  3. KI mit begrenztem Risiko: Zu den Anwendungen, die ein begrenztes Risiko aufweisen, gehören z.B. KI-Systeme, die mit Menschen interagieren. Auch wenn solche KI-Systeme weniger strengen Anforderungen unterliegen, sollen Anbieter trotzdem einen Verhaltenskodex erstellen und die Regelungen für Hochrisiko-KI-Systeme freiwillig anwenden.
  4. KI mit niedrigem Risiko: Für solche Systeme gibt es noch keine konkreten rechtlichen Regelungen. Beispiele solcher Systeme sind KI-unterstützte Spamfilter oder Systeme im Bereich Predictive Maintenance. Es gilt jedoch zu beachten, dass eine mit niedrigem Risiko eingestufte KI-Anwendung trotzdem eine technische Dokumentation sowie eine Risikobewertung haben muss. Zudem müssen die Nutzenden darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass sie mit einem KI-System interagieren bzw. es muss für sie durch den Kontext ersichtlich sein.

Besonders hervorgehoben werden in der Verordnung verbotene KI-Praktiken wie manipulative oder ausbeuterische Techniken, die Schwächen von Personen ausnutzen (siehe Teil II der Verordnung). Die Verordnung umfasst zudem Maßnahmen zur Stärkung der Governance und der effektiven Durchsetzung der neuen Regelungen​​.

VORSICHT: Vier Typen künstlicher Intelligenz

Die oben genannten Risikoklassen dürfen nicht verwechselt werden mit den vier Typen von Künstlicher Intelligenz.

Die vier Typen Künstlicher Intelligenz
TypBeschreibungBeispiele
Typ 1: Reaktive Maschinen (Reaktive Machines)Können eine spezifische Aufgabe erfüllen, für die sie programmiert wurden, ohne Lernfähigkeit oder Anpassung an neue Situationen.IBM Schachcomputer DeepBlue,
gewann 1997 gegen Großmeister Garry Kasparov (Details)
Typ 2: Begrenzte Speicherkapazität (Limited Memory)Können Daten aus vergangenen Situationen sammeln und in aktuellen Entscheidungen berücksichtigen, fähig zu einfachem Lernen.Selbstfahrende Autos (die wiederum in fünf Level unterschieden werden),
Smartphone-Assistenten,
GPTs
Typ 3: Theorie des Geistes (Theory of Mind)Bisher theoretisch; würden menschliche Emotionen und Gedanken verstehen und darauf reagieren können.Sophia, ein fortgeschrittener humanoider Roboter mit Ansätzen zur Emotionserkennung, ähnlich wie in Fritz Langs Film Metropolis,
Sophia denkt und versteht,
ACHTUNG: Rein hypothetisch! Hab´ ich mir gerade ausgedacht 🙂 Gibt es noch nicht!
Typ 4: Selbstwahrnehmung (Self Awareness)Kommen menschlichem Bewusstsein nahe; würden vollständige Selbstwahrnehmung und Verständnis menschlicher Emotionen besitzen.Wer kennt ihn nicht: Commander Data (gespielt von Brent Spiner), der Android aus Star Trek, als fiktives Beispiel für eine selbstbewusste KI,
Data weiß dass er denkt und versteht.

Auswirkungen der KI-Verordnung auf die Bau- und Immobilienwirtschaft

Dem Thema KI habe ich ja bereits mehrere Beiträge gewidmet. In vielen ging es darum, die Nutzung von KI in der Bau- und Immobilienwirtschaft vorzustellen (z.B. in den 24 Tipps für 2024 oder KI und Robotik) oder Ihnen einen Überblick über Konsequenzen in Detailbereichen näher zu bringen (z.B. KI-Prompting oder das Problem des KI-Washings) [Update: 27.06.2024: Nutzen Sie das KI-Washing Assessment, um sich vor KI-Washing zu schützen].

In diesem Beitrag wollen wir gemeinsam einen Blick in die Glaskugel werfen und versuchen herauszufinden, welche Auswirkungen die EU KI-Verodnung konkret für die Bau- und Immobilienwirtschaft haben kann. Dabei geht es nicht darum eine Liste mit zig Elementen vorzustellen (das wäre etwas für eine umfassende Forschungsarbeit), sondern darum Kernbereiche mit spezifischen Beispielen zu besprechen, die in unserem unmittelbaren Umfeld sind. Dabei sind Systeme, die als Hochrisiko-KI klassifiziert werden könnten (entsprechend Teil 3 Kap. 1 der Verordnung) besonders relevant.

1. KI-Verordnung und kritische Infrastrukturen

KI-Systeme können zukünftig eine zentrale Rolle im Management kritischer Infrastrukturen spielen (z.B. im Brückenmonitoring). Die EU KI-Verordnung klassifiziert solche Systeme als hochriskant, wenn ihre Fehlfunktion oder Störung das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährden könnte. Dies erfordert von intelligenten Bauwerkssystemen die Einhaltung strenger Sicherheits- und Zuverlässigkeitsstandards.

Beispiel: In intelligenten Bauwerken werden KI-Systeme zur Optimierung von Heizung, Lüftung, Klimatisierung (HLK) und Energieverwaltung eingesetzt. Die Verordnung kann verlangen, dass diese Systeme strengen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsstandards entsprechen (da als Hochrisiko-KI-Systeme klassifiziert). Das könnte zu einer erhöhten Notwendigkeit für Zertifizierungen und Audits führen, um Compliance sicherzustellen.

2. KI-Verordnung und Immobilienbewirtschaftung

Obgleich die Verordnung keine direkten Beispiele für KI-Anwendungen in der Immobilienwirtschaft nennt, fallen KI-Systeme, welche für kritische Entscheidungsprozesse innerhalb der Immobilienbewirtschaftung verwendet werden, möglicherweise unter die Kategorie der Hochrisiko-KI-Systeme, wenn sie signifikante Auswirkungen auf die Sicherheit oder die Grundrechte haben könnten (z.B. die automatisierte Mieterauswahl oder die Instandhaltungsplanung). Solche Systeme müssen zusätzliche Dokumentation, Konformitätsnachweise und menschliche Aufsicht vorsehen, um Risiken zu minimieren.

Beispiel: Ein KI-gesteuertes System zur Vorhersage von Gebäudewartungsbedürfnissen könnte unter die Verordnung fallen, wenn seine Fehlfunktion oder sein Ausfall die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner gefährden könnte. Die Entwicklung und Implementierung solcher Systeme erfordert daher möglicherweise zusätzliche Dokumentation, Konformitätsnachweise und menschliche Aufsicht, um die Einhaltung der Verordnung zu gewährleisten.

3. KI-Verordnung und Planen und Bauen

Das ist der Bereich, an den wahrscheinlich die meisten von Ihnen denken werden. KI-Systeme, welche in der Planungsphase von Bauprojekten eingesetzt werden, um beispielsweise die Auslastung von Ressourcen zu optimieren oder Risiken zu bewerten, könnten unter die Kategorie der Hochrisiko-KI-Systeme fallen, wenn ihre Entscheidungen direkte Auswirkungen auf die Sicherheit von Bauwerken haben. Diese Systeme müssen den in der Verordnung festgelegten strengen Anforderungen genügen, um Risiken zu minimieren und die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Bauplanung und -durchführung zu gewährleisten.

Beispiel: Ein KI-basiertes Tool zur Risikobewertung, das während der Bauphase zur Vorhersage potenzieller Strukturfehler eingesetzt wird, muss möglicherweise strengen Konformitätsbewertungen unterzogen werden, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit seiner Vorhersagen zu gewährleisten, um Gefährdungen auf Grund von Fehlannahmen oder Fehlinterpretationen zu vermeiden. Das könnte die Einführung zusätzlicher Sicherheitsüberprüfungen und die Entwicklung robusterer Modelle zur Risikominderung erfordern.

4. KI-Verordnung und Energieeffizienz

KI-gestützte Systeme zur Optimierung des Energieverbrauchs in Gebäuden oder zur Steuerung von erneuerbaren Energiesystemen könnten ebenfalls als Hochrisiko eingestuft werden, wenn ihre Fehlfunktion oder ihr Ausfall erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesundheit und Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner haben könnte. Basierend auf der Verordnung würde verlangt werden, dass diese Systeme transparent, sicher und unter menschlicher Aufsicht betrieben werden, um ihre Zuverlässigkeit zu gewährleisten.

Beispiel: Ein intelligentes System zur Steuerung der Energieversorgung eines Gebäudes, das erneuerbare Energiequellen integriert (z.B. eine Photovoltaikanlage) und den Energieverbrauch optimiert, muss sicherstellen, dass es die in der Verordnung festgelegten Anforderungen erfüllt. Die Implementierung solcher Systeme könnte eine umfassende Prüfung der Datengrundlage und Algorithmen erfordern, um sicherzustellen, dass sie effizient arbeiten und keine unbeabsichtigten Auswirkungen auf die Umwelt oder die Sicherheit der Gebäude haben.

5. KI-Verordnung und Automatisierte Überwachung

KI-gestützte Überwachungssysteme, welche in Gebäuden oder auf Baustellen eingesetzt werden, um Sicherheit zu gewährleisten oder unbefugten Zugang zu erkennen, könnten strenge regulatorische Anforderungen erfüllen müssen, wenn sie als Hochrisiko-KI-Systeme eingestuft werden. Dies ist besonders relevant für Systeme, die biometrische Daten verarbeiten oder Entscheidungen treffen, die erhebliche Konsequenzen für die Rechte und Freiheiten der Menschen haben könnten. Anbieter solcher Systeme müssen sicherstellen, dass ihre Produkte transparent arbeiten, menschliche Aufsicht ermöglichen und keine unzulässige Diskriminierung verursachen.

Beispiel: Ein KI-basiertes Zugangskontrollsystem, das Gesichtserkennungstechnologie nutzt, um Personen den Zugang zu einem Gebäude oder eine Baustelle zu ermöglichen, muss möglicherweise spezifische Maßnahmen implementieren, um den Schutz personenbezogener Daten zu gewährleisten und die Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu machen. Das könnte bedeuten, dass solche Systeme erweiterte Datenschutzfunktionen benötigen und regelmäßig überprüft werden, um Verzerrungen oder Fehler in der Erkennung zu vermeiden.

6. KI-Verordnung und Gebäudeautomatisierung

KI-gestützte Technologien zur Automatisierung von Gebäudefunktionen (Smart Home), wie Beleuchtung, Temperaturregelung und Energiemanagement, könnten unter die Kategorie der Hochrisiko-KI-Systeme fallen, wenn ihre Fehlfunktion die Gesundheit oder Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner gefährden könnte. Die Verordnung würde von den Anbietern solcher Systeme verlangen, dass sie die Zuverlässigkeit, Sicherheit und menschliche Überwachbarkeit ihrer Lösungen sicherstellen.

Beispiel: Ein intelligentes Heizungssystem, das KI nutzt, um den Energieverbrauch eines Gebäudes zu minimieren und gleichzeitig den Komfort für die Bewohnerinnen und Bewohner zu maximieren, muss so gestaltet sein, dass es den Anforderungen an Transparenz und Sicherheit entspricht. Bei einer Fehlfunktion, die zu einer Gefährdung der Bewohnerinnen und Bewohner führen könnte, müssten Mechanismen für schnelle Eingriffe und Korrekturen vorhanden sein, um sicherzustellen, dass das System keine Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit darstellt. Eine menschliche menschliche Überwachungsinstanz wäre vorzusehen.

7. KI-Verordnung und Vermögensverwaltung

KI-gestützte Systeme, die in der Vermögensverwaltung und bei Investitionsanalysen eingesetzt werden, könnten bestimmten Vorschriften unterliegen, insbesondere wenn sie Entscheidungen treffen, die erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen oder Einzelpersonen haben können. Solche Systeme müssten transparente, nachvollziehbare und faire Entscheidungsprozesse gewährleisten und dürften nicht zu diskriminierenden Ergebnissen führen. Die Verordnung könnte verlangen, dass Anbieter solcher Systeme die zugrunde liegenden Algorithmen und Datenquellen offenlegen müssten, um Bias zu minimieren und die Zuverlässigkeit ihrer Analysen zu erhöhen. Das wäre in der Tat eine Gradwanderung zwischen Geschäftsgeheimnis ( = Wettbewerbsvorteil) und Regulierungsanspruch.

Beispiel: Ein KI-System, das Immobilieninvestoren dabei hilft, die Rentabilität potenzieller Investitionen zu analysieren, indem es Markttrends, Immobilienwerte und Mietpreisentwicklungen prognostiziert, muss sicherstellen, dass seine Vorhersagemodelle unvoreingenommen und transparent sind. Die Entwickler solcher Systeme könnten gezwungen sein, ihre Modelle regelmäßig zu aktualisieren und zu überprüfen (oder gar überprüfen zu lassen), um Compliance mit den regulatorischen Anforderungen zu gewährleisten.

8. KI-Verordnung und Nachhaltigkeitsbewertung

In der Bau- und Immobilienbranche eingesetzte KI-Systeme zur Bewertung der Nachhaltigkeit und zur Unterstützung der Zertifizierung von Gebäuden könnten ebenfalls den Anforderungen der Verordnung unterliegen. Diese Systeme spielen eine entscheidende Rolle dabei, Bauherren und Entwicklern dabei zu helfen, umweltfreundliche und energieeffiziente Gebäude zu entwerfen und zu realisieren. Die Verordnung könnte verlangen, dass solche Systeme genau, transparent und verlässlich sind, um sicherzustellen, dass die Bewertungen und Zertifizierungen die tatsächliche Nachhaltigkeitsleistung der Gebäude widerspiegeln.

Beispiel: Ein KI-basiertes Tool, das bei der Optimierung des Energieverbrauchs und der Minimierung der CO2-Emissionen von Neubauten unterstützt, muss möglicherweise seine Analysemethoden und Berechnungsgrundlagen offenlegen. Dadurch sollen die Genauigkeit der Nachhaltigkeitsbewertungen sichergestellt und das Vertrauen in die erzielten Zertifizierungen gestärkt werden. Die Anbieter solcher Systeme könnten zudem dazu verpflichtet werden, regelmäßige Updates durchzuführen, um die neuesten Standards in Bezug auf Umweltschutz und Energieeffizienz zu berücksichtigen.

9. KI-Verordnung und Barrierefreiheit von Gebäuden

Wahrscheinlich wären einige nicht auf die Idee gekommen, dass Zugänglichkeit und Barrierefereiheit von Gebäuden ein Thema sein könnte. Allgemein sind in EU Vorgaben sehr oft Bezüge zur barrierefreien Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen zu finden (ob es nun die Verodnung als Dokument selbst ist oder auch bezüglich der in einer Verordnung behandelten Realität). KI-gestützte Systeme, die zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Barrierefreiheit in Gebäuden beitragen, könnten besonderen Anforderungen unterliegen, um sicherzustellen, dass sie inklusiv gestaltet sind und niemanden diskriminieren. Solche Systeme müssen transparent arbeiten und ihre Entscheidungen nachvollziehbar sein, damit sie allen Nutzerinnen und Nutzern, einschließlich Menschen mit Behinderungen, gerecht werden. Die EU KI-Verordnung könnte verlangen, dass diese Technologien so gestaltet sind, dass sie die Vielfalt der Bedürfnisse von Nutzenden berücksichtigen und aktiv zur Förderung der Inklusion beitragen.

Beispiel: Ein KI-basiertes Navigationssystem für Blinde und Sehbehinderte in öffentlichen Gebäuden, welches akustische Signale und Sprachsteuerung nutzt, um Informationen über die Umgebung zu vermitteln, muss gewährleisten, dass seine Interaktionsmodelle für alle Nutzenden zugänglich sind. Die Entwickler solcher Technologien könnten dazu angehalten werden, umfassende Tests mit Nutzenden aus verschiedenen Zielgruppen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Systeme ihre Anforderungen erfüllen und keine unbeabsichtigten Barrieren schaffen. Somit muss sichergestellt werden, dass ein solches KI-System inklusiv ist.

10. KI-Verordnung und Risikomanagement in der Immobilienentwicklung

In der Immobilienentwicklung eingesetzte KI-Systeme für Prognosen und Risikomanagement, welche zukünftige Markttrends analysieren oder das Risiko von Naturkatastrophen einschätzen, könnten den strengen Auflagen der EU KI-Verordnung unterliegen, insbesondere wenn ihre Entscheidungen erhebliche finanzielle oder sicherheitsrelevante Auswirkungen haben. Diese Systeme müssen auf verlässlichen Daten basieren und ihre Algorithmen sollten transparent und frei von Verzerrungen sein, um faire und gerechte Entscheidungen zu ermöglichen.

Beispiel: Ein KI-System, welches Entwickler bei der Einschätzung des Überschwemmungsrisikos für potenzielle Baugrundstücke unterstützt, muss in der Lage sein, seine Prognosen auf der Grundlage aktueller und historischer Daten genau zu erklären. Entwickler solcher Systeme könnten verpflichtet werden, regelmäßig Datenaktualisierungen vorzunehmen, diese nachzuweisen und die Methodik ihrer Risikobewertungen offen zu legen, um Transparenz zu gewährleisten und das Vertrauen in die Zuverlässigkeit ihrer Analysen zu stärken.

11. KI-Verordnung und Robotik in der Baubranche

Robotik-Systeme, die in der Baubranche für Aufgaben wie das automatisierte Verlegen von Ziegeln, Schweißen oder sogar für die Inspektion von Strukturen mittels Drohnen eingesetzt werden, könnten unter die Kategorie der Hochrisiko-KI-Systeme fallen, wenn ihre Fehlfunktion die Sicherheit am Bau gefährden könnte. Solche Systeme müssen hohe Standards in Bezug auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und menschliche Aufsicht erfüllen. Die EU KI-Verordnung könnte von den Entwicklern verlangen, dass sie nicht nur die Sicherheit der eingesetzten Robotersysteme gewährleisten, sondern auch deren Entscheidungen transparent und nachvollziehbar gestalten.

Beispiel: Ein autonom arbeitender Roboter, welcher für den Hochbau eingesetzt wird, um Materialien zu transportieren und zu verbauen, muss sorgfältig programmiert und regelmäßig gewartet werden, um Unfälle zu vermeiden. Für solche Technologien könnte es erforderlich sein, umfangreiche Sicherheitsanalysen durchzuführen und Dokumentationen bereitzustellen, welche die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen belegen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung der menschlichen Überwachung und Eingriffsmöglichkeiten.

12. KI-Verordnung und automatisierte Immobilienbewertung

KI-gestützte Systeme zur automatisierten Bewertung von Immobilien, die umfangreiche Datenmengen analysieren, um den Wert von Objekten zu schätzen, könnten ebenfalls strengen Vorschriften unterliegen. Diese Systeme tragen erheblich zur Entscheidungsfindung bei Käufen, Verkäufen und der Kreditvergabe bei (wir erinnern uns an ähnliche Systeme wie z.B. den SCHUFA Score). Die EU KI-Verordnung könnte verlangen, dass diese Technologien transparente und faire Bewertungsprozesse gewährleisten, um Diskriminierung zu vermeiden und die Genauigkeit der Bewertungen sicherzustellen.

Beispiel: Ein KI-System, welches Big Data und maschinelles Lernen nutzt, um Immobilienpreise zu prognostizieren und individuelle Immobilienbewertungen zu erstellen, muss möglicherweise seine Methodik offenlegen und sicherstellen, dass seine Prognosen frei von Verzerrungen sind. Anbieter solcher Systeme könnten dazu verpflichtet werden, die Datengrundlagen, auf denen ihre Modelle basieren, regelmäßig zu aktualisieren, dieses zu dokumentieren und auch den Datenbestand regelmäßig zu überprüfen, um die Einhaltung der Verordnung zu gewährleisten.

13. KI-Verordnung und Exoskelette am Bau

Eine interessante weitere Entwicklung im Bauwesen sind Exoskelette. Ein Exoskelett bietet bei Bauarbeiten körperliche Unterstützung, um die Belastung durch schwere Hebearbeiten zu reduzieren oder die Effizienz bei repetitiven Aufgaben zu steigern, könnten unter bestimmte Bestimmungen der EU KI-Verordnung fallen. Insbesondere wenn sie mit KI-Systemen ausgestattet sind, welche Bewegungen anpassen oder optimieren. Die Verordnung könnte verlangen, dass diese Technologien sicher und zuverlässig sind und dass ihre Algorithmen transparent und frei von Verzerrungen sind, um Unfälle zu vermeiden und die Gesundheit der Nutzenden zu schützen.

Beispiel: Ein KI-gesteuertes Exoskelett, das Daten über die Körperhaltung des Trägers in Echtzeit analysiert, um die Unterstützung dynamisch anzupassen, muss möglicherweise detaillierte Informationen über die Funktionsweise seiner Algorithmen bereitstellen. Entwickler solcher KI-gestützten Exoskelette könnten verpflichtet werden, Sicherheits- und Leistungstests durchzuführen, um zu demonstrieren, dass die Technologie die Gesundheit und Sicherheit der Benutzerinnen und Benutzer nicht gefährdet.

14. KI-Verordnung und autonome Baumaschinen

Der Einsatz autonomer Baumaschinen, wie selbstfahrende Bagger oder Drohnen für Vermessungsaufgaben, stellt einen weiteren Bereich dar, in dem die EU KI-Verordnung Auswirkungen haben könnte. Solche Maschinen müssen hohe Sicherheitsstandards erfüllen und transparente Entscheidungsfindungsprozesse aufweisen, um das Risiko von Unfällen zu minimieren und die Effizienz auf Baustellen zu maximieren. Die Verordnung könnte strenge Anforderungen an die Entwicklung, den Test und den Betrieb dieser autonomen Systeme stellen, um sicherzustellen, dass sie zuverlässig funktionieren und keine Gefahr für Menschen oder die Umgebung darstellen.

Beispiel: Ein autonomer Bagger, welcher KI nutzt, um den Aushub von Baugruben zu optimieren, muss möglicherweise umfangreiche Trainingsdatensätze nutzen, die reale Baubedingungen widerspiegeln, um sicherzustellen, dass seine Algorithmen effektiv und sicher arbeiten. Betreiber solcher Maschinen könnten dazu angehalten werden, regelmäßige Software-Updates durchzuführen und Systemüberprüfungen vorzunehmen, um Compliance mit den aktuellen Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Eventuell könnte vorgeschrieben werden, dass eine menschliche Kontroll- und Eingriffsinstanz vorzusehen ist,

15. KI-Verordnung und KI-gestützte Bewertung von Baumaterialien

Viele der bisherigen Punkte bezogen sich natürlicherwiese auf digitale Lösungen. In Bezug auf Nachhaltigkeit und speziell auf nachhaltiges Planen, Bauen und Betrieben ergibt sich ein weiteres Feld, welches durch die EU KI-Verordnung beeinflusst wird. Die KI-gestützte Bewertung von Baumaterialien. Die Verordnung könnte strenge Anforderungen an KI-Systeme stellen, die verwendet werden, um die Qualität, Nachhaltigkeit und Eignung von Baumaterialien zu bewerten. Diese Systeme könnten dazu beitragen, die Umweltverträglichkeit und Langlebigkeit von Bauprojekten zu verbessern, indem sie eine präzise Analyse der Materialien ermöglichen. Hierfür müssen sie jedoch transparente, nachvollziehbare und verlässliche Bewertungen liefern, um das Risiko von Fehlentscheidungen zu minimieren und um sicherzustellen, dass die verwendeten Materialien den gesetzlichen und ökologischen Standards entsprechen und zudem eine Gefährdung von Mensch und Umwelt ausgeschlossen wird. KI-Systeme, welche in diesem Bereich eingesetzt werden, müssen daher nicht nur die technischen Eigenschaften der Materialien berücksichtigen, sondern auch deren Lebenszyklus, Wiederverwertbarkeit und Umweltauswirkungen.

Beispiel: Ein KI-basiertes Analysetool, das Planenden dabei hilft, die optimalen Materialien für ein spezifisches Bauvorhaben auszuwählen, könnte ein konkretes Beispiel sein. Dieses Tool könnte Daten über die Zugfestigkeit, Wärmeleitfähigkeit, Wasserdichtigkeit und CO2-Bilanz verschiedener Baumaterialien analysieren und Empfehlungen geben, die nicht nur auf technischen Leistungsdaten basieren, sondern auch ökologische und nachhaltige Aspekte berücksichtigen. Um den Anforderungen der EU KI-Verordnung zu genügen, müsste ein solches System seine Entscheidungsgrundlagen offenlegen und sicherstellen, dass seine Empfehlungen auf aktuellen und umfassend geprüften Daten basieren. Entwickler eines solchen Tools müssten regelmäßig die Datengrundlage aktualisieren und transparent machen, wie die KI zu ihren Schlussfolgerungen kommt, um Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Objektivität der Bewertungen zu schaffen.

Und nun?

Die EU KI-Verordnung markiert einen wichtigen Punkt, auch für die Bau- und Immobilienwirtschaft. Besonders hervorzuheben sind die spezifischen Anforderungen und Verpflichtungen für Hochrisiko-KI-Systeme, welche von der Steuerung kritischer Infrastrukturen über Immobilienmanagement und Bauplanung bis hin zur Energieeffizienz und Nachhaltigkeitsbewertung reichen. Diese Regelungen sollen die Sicherheit und Zuverlässigkeit von KI-gestützten Systemen gewährleisten, welche in kritischen und entscheidenden Bereichen der Branche zum Einsatz kommen.

Die Zukunft der Bau- und Immobilienbranche ist eng mit der Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen verbunden, wodurch die EU KI-Verordung ihre Relevanz erhält. KI-Technologien bieten das Potenzial, Prozesse zu optimieren, die Effizienz zu steigern und die Nachhaltigkeit und Sicherheit von Projekten zu verbessern. Gleichzeitig betont die Verordnung die Notwendigkeit, Risiken sorgfältig zu managen und die Sicherheit und Grundrechte der Menschen zu schützen.

In den kommenden Jahren können wir davon ausgehen, dass die Branche zunehmend auf transparente, sichere und ethisch vertretbare KI-Lösungen setzen wird, welche den strengen Anforderungen der EU KI-Verordnung entsprechen müssen.

Transparenz und Aktualität der Datengrundlage, Dokumentation und der Mensch als Überwachungs- und Eingriffsinstanz sind wesentliche Komponenten, damit KI-Systeme der EU KI-Verodnung entsprechen. Bereits jetzt fallen mir dahingehend einige neue Geschäftsideen ein, um Entwicklern und Nutzenden Unterstützung zukommen zu lassen.

Tipps für Akteure aus der Bau- und Immobilienwirtschaft

  1. Frühzeitige Anpassung: Beginnen Sie so früh wie möglich damit, Ihre KI-Systeme an die Anforderungen der EU KI-Verordnung anzupassen. Das umfasst die Überprüfung und ggf. Anpassung bestehender Systeme sowie die Berücksichtigung der Verordnung bei der Entwicklung neuer KI-Lösungen.
  2. Investition in Transparenz und Sicherheit: Investieren Sie in Technologien und Prozesse, welche die Transparenz, Sicherheit und menschliche Aufsicht Ihrer KI-Systeme gewährleisten. Das beinhaltet auch die Schulung Ihres Personals im Umgang mit diesen Systemen und die Sensibilisierung für die damit verbundenen Risiken.
  3. Aktive Beteiligung am Diskurs: Engagieren Sie sich in Branchendiskussionen und -initiativen rund um die Implementierung der EU KI-Verordnung. Durch den Austausch mit anderen Akteuren können Sie Best Practices kennenlernen, Einblicke in die regulatorischen Entwicklungen gewinnen und Ihre Interessen effektiv vertreten.
  4. Datenmanagement und -qualität sicherstellen: Priorisieren Sie ein hochwertiges Datenmanagement, um die Grundlage für ein effektives KI-System zu schaffen. Die Qualität, Genauigkeit und Relevanz der Daten, auf denen KI-Modelle trainiert und ausgeführt werden, sind sehr relevant für deren Leistungsfähigkeit und Konformität mit regulatorischen Anforderungen. Implementieren Sie robuste Verfahren für die Datenerhebung, -verarbeitung und -speicherung, die Datenschutz und -sicherheit gewährleisten und Bias minimieren. Das beinhaltet auch die kontinuierliche Überwachung und Aktualisierung der Daten und Modelle, um deren Aktualität und Relevanz sicherzustellen.
  5. Partnerschaften und Kollaborationen ausbauen: Nutzen Sie die Vorteile von Partnerschaften mit Technologieanbietern, Forschungseinrichtungen und Branchenverbänden, um Zugang zu neuesten KI-Innovationen und Fachwissen zu erhalten. Der Austausch mit Partnern wird Ihnen helfen, Herausforderungen bei der Implementierung von KI-gestützten Lösungen effektiver zu bewältigen und gemeinsam Standards und Best Practices zu entwickeln, welche den Anforderungen der EU KI-Verordnung entsprechen. Kollaborationen können auch bei der Entwicklung von branchenspezifischen Lösungen unterstützen, welche speziell auf die einzigartigen Bedürfnisse und Herausforderungen der Bau- und Immobilienwirtschaft zugeschnitten sind.

Zu guter Letzt

Die EU KI-Verordnung stellt kein Dokument dar, dessen Ziel es ist Innovation zu bremsen oder Akteure zu gängeln. Sie bietet eine Chance zur Verbesserung der Sicherheit und Effizienz und fördert damit Innovationen, welche die Bau- und Immobilienwirtschaft nachhaltig transformieren können. Durch die proaktive Anpassung von Dienstleistungen und Produkten an diese Verordnung können Unternehmen nicht nur regulatorische Herausforderungen meistern, sondern auch Vorreiter in der Nutzung ethischer und sicherer KI-Technologien werden.

Es geht eben darum besser zu werden und sich nicht schlechter machen zu lassen. In diesem Sinne wünsche ich allen Beteiligten an der KI-Entwicklung und -Nutzung ein weiterhin gutes Händchen und ein noch bessers Ohr für den Bedarf sinnvoller KI-Lösungen.

Quellenverzeichnis:

Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union (online)

Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (online)

Schlagwörter: Künstliche Intelligenz, EU KI-Verordnung, Artificial Intelligence Act, AIA, Hochrisiko-KI, Datenschutz, Transparenz, Bauwirtschaft, Immobilienwirtschaft.

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). 15 Auswirkungen der EU KI-Verordnung auf die Bau- und Immobilienwirtschaft [Blog-Beitrag]. 03.04.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar