Aktualisiert am 5. November 2025
Im Beitrag “Auswirkungen der Digitalisierung auf das Baumanagement” habe ich bereits den 3D-Druck von Gebäuden erwähnt. Der 3D-Betondruck von Gebäuden (auch als “additive Fertigung im Bauwesen” bekannt) hat in den letzten Jahren erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Das Thema 3D-Betondruck ist kein Nischenthema mehr oder etwas, worum sich nur kleine Start-Up-Unternehmen kümmern. 3D-gedruckte Gebäude bieten eine Vielzahl von Potenzialen. Gleichzeitig stehen der Technologie auch einige Herausforderungen gegenüber. Im Rahmen meiner Forschungen habe ich mich sowohl mit den Technologien als auch mit den Auswirkungen der Automatisierung auf der Baustelle und der Qualifikation von Mitarbeitenden beschäftigt (siehe z.B. das Projekt RobotVETcon). Und mit etwas Stolz erzähle ich auch immer wieder gerne, dass das erste 3D-gedruckte Wohnhaus Deutschlands in Nordrhein-Westfalen, genauer in Beckum, steht. Es wurde in lediglich 4 Tagen erstellt (mehr dazu hier).
[Update 20.12.2024: Im nordrhein-westfälischen Lünen ist das erste öffentlich geförderte Mehrfamilienhaus aus einem 3D-Drucker bezugsfertig. Es hat sechs Wohnungen und eine Druckzeit von 118 Stunden.]
Im Folgenden werde ich Ihnen zentrale Aspekte der 3D-Drucktechnologie in der Bauwirtschaft in aller Kürze vorstellen und ihre zukünftige Rolle beschreiben.
Hintergrund von 3D-Betondruck bei Gebäuden
Beim 3D-Betondruck von Gebäude wird nicht mehr Stein auf Stein gebaut. Das Gebäude wird mit der 3D-Drucktechnologie Schicht für Schicht aufgebaut.
Die ersten Schritte für den 3D-Betondruck von Gebäuden wurden bereits in den 1980er Jahren unternommen. Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der Architekt Charles W. Hull, der 1984 das Konzept des Stereolithografie-Verfahrens (SLA) erfand, das als Vorläufer des 3D-Drucks gilt. Hull gründete auch die Firma 3D Systems, welche die erste kommerzielle 3D-Druckmaschine entwickelte (Hull, 1986).
Obwohl die Grundlagen für den 3D-Betondruck von Gebäuden bereits in den 1980er Jahren gelegt wurden, begann die tatsächliche Anwendung dieser Technologie erst in den letzten zwei Jahrzehnten.
Ein entscheidender Meilenstein war die Fertigstellung des ersten 3D-gedruckten Gebäudes in den Niederlanden im Jahr 2014. Das Gebäude namens “Cabin of Curiosities” (ein Tiny House aus dem 3D-Drucker) wurde von DUS Architects mit einem 3D-Drucker erstellt und markierte einen bedeutenden Fortschritt in der Verwendung von 3D-Drucktechnologien im Bauwesen.
Bislang entwickelten sich verschiedene 3D-Drucktechnologien, jede mit ihren eigenen technischen Herausforderungen. Die Auswahl der richtigen Technologie für bestimmte Projekte ist dabei entscheidend. Unter den Technologien sind z.B.
- die Extrusion von Beton: Betonbauteile werden durch das Ablegen von Frischbetonsträngen schalungsfrei aufgebaut,
- das Binder Jetting: pulverförmiges Ausgangsmaterial wird an ausgewählten Stellen mit einem flüssigen Bindemittel verbunden und
- das selektive Lasersintern: durch Sintern mit einem Laser wird aus einem pulverförmigen Ausgangsstoff eine räumliche Struktur geschaffen.
Jede dieser Technologien hat ihre eigenen Vor- und Nachteile.
Digitale Transformation und Tauchen – 8 Lehren für die Bauwirtschaft
Sommerzeit ist Urlaubszeit. Und so wie die Wellen …
WeiterlesenBuilding Information Modeling: Herausforderungen und Chancen
In meinem Beitrag "Auswirkungen der …
Weiterlesen7 Wege zur Akzeptanz von digitalen Lösungen
Letztens hatten wir einen Servicetechniker im …
WeiterlesenPotenziale von 3D-Betondruck bei Gebäuden
Kosteneinsparungen
Einer der größten Vorteile von 3D-gedruckten Gebäuden liegt in den potenziellen Kosteneinsparungen. Die Automatisierung des Bauvorgangs reduziert den Bedarf an Arbeitskräften und verkürzt die Bauzeiten erheblich. Dies führt zu erheblicher Minimierung der Baukosten gegenüber der klassischen Bauweise.
Designfreiheit und Anpassungsfähigkeit
3D-Druck ermöglicht eine bisher unerreichte Designfreiheit. Gebäude können in nahezu jeder gewünschten Form und mit komplexen Strukturen gedruckt werden. Das bedeutet, die Umstellung auf den 3D-Betondruck erfordert auch eine Neugestaltung von architektonischen Entwürfen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für innovative Architektur und energieeffiziente Designs und für innovative Gebäudekonzepte. Desweiteren ermöglicht der 3D-Betondruck Gebäude nach Bedarf anzupassen und zu modifizieren. Weil sich die Anforderungen an Gebäude oft ändern hat die Anpassungsfähigkeit einen besonders hohen Stellenwert.
Nachhaltigkeit
Der Einsatz von 3D-Drucktechnologie in der Bauwirtschaft kann dazu beitragen, den Materialverbrauch zu reduzieren. Von daher bietet der 3D-Druck von Gebäuden das Potenzial, Ressourcen zu schonen und Abfälle zu reduzieren, was für die Nachhaltigkeit im Bauwesen von großer Bedeutung ist. Damit unterstützt der 3D-Betondruck die Prinzipien des LEAN Construction (näheres zu LEAN Construction siehe hier). Vor allem die Reduktion des Materialverbrauchs ist insofern wichtig, da der Aspekt der Nachhaltigkeit in der heutigen Zeit eine zentrale Rolle spielt.
Schnelligkeit und Effizienz
Die Bauzeit für Gebäude, die mit 3D-Drucktechnologien erstellt werden, kann stark variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Größe des Gebäudes, die Komplexität des Designs, die Leistungsfähigkeit des 3D-Druckers und die eingesetzten Baumaterialien.
Es gibt jedoch Beispiele von 3D-gedruckten Gebäuden, die vergleichsweise schnell errichtet wurden. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der “Vulcan Pavilion” in Peking, China, der im Jahr 2018 von WinSun, einem Unternehmen für 3D-Betondruck im Bauwesen, in nur 100 Stunden gedruckt wurde. Das Gebäude hat eine Fläche von etwa 1.100 Quadratmetern und besteht aus mehreren Modulen, die vor Ort zusammengefügt wurden (archdaily, 2015). Eine weiteres Beispiel ist das “TECLA”-Haus in Italien, das im Jahr 2020 von Mario Cucinella Architects und WASP, einem Unternehmen für 3D-Druck, erstellt wurde. Dieses Gebäude wurde in nur 200 Stunden gedruckt und besteht aus nachhaltigen Materialien wie Lehm und Reisspelzen (Mario Cucinella Architects, 2024).
Die Schnelligkeit und Zeitersparnis durch 3D-Druck sind besonders relevant bei der Bewältigung von dringenden Wohnungs- und Katastrophenhilfeprojekten.
Im Dialog: Luise Göbel über das Forschungsprojekt StimuCrete und Innovationen für zukünftige Baustoffe
Im heutigen Interview geht es um eine innovative …
WeiterlesenSmart Materials in der Bauwirtschaft – Ein Überblick
Smart Materials, auch als intelligente …
WeiterlesenIm Dialog: Dr. Thomas Wilk über digitale Transformation in der Bauwirtschaft
In der Serie „Im Dialog" spreche ich mit …
WeiterlesenHerausforderungen von 3D-Betondruck bei Gebäuden
Jede Innovation hat nicht nur positive Seiten. Sie birgt auch immer Herausforderungen, die bewusst angegangen werden müssen.
Materialien und Festigkeit
Einer der Schlüsselaspekte der Entwicklung des 3D-Drucks von Gebäuden ist noch immer die Auswahl geeigneter Baumaterialien für den 3D-Druck und die Gewährleistung ausreichender Festigkeit. Forscher arbeiten intensiv an der Entwicklung und Verbesserung von Materialien, die für den 3D-Druck optimiert sind.
Von Beton über Lehm bis hin zu Kunststoffen wurden verschiedene Materialien getestet und angepasst, um den Anforderungen des 3D-Drucks gerecht zu werden. Bei dem 3D gedruckten Gebäude in Beckum mussten Kennwerte für die Berechnung der Standsicherheit durch zahlreiche Materialprüfungen bestimmt werden, um eine aussagekräftige Statik berechnen zu können.
Regulierung und Normen
Die Bauwirtschaft ist stark reguliert und 3D-gedruckte Gebäude sind dabei keine Ausnahme. Auch sie müssen den geltenden Baunormen und Vorschriften entsprechen. Es ist demnach dringend geboten die Entwicklung von Normen und Vorschriften voranzutreiben, um die Sicherheit und Qualität der erstellten Gebäude zu gewährleisten.
Die Anpassung dieser Vorschriften an die neue Technologie ist eine komplexe Aufgabe. Diese Situation erscheint auf den ersten Blick sehr herausfordernd, ist jedoch in der Baubranche nichts unübliches. Ich habe selbst erlebt, wie beim Bau einer Konverterplattform für einen Offshore-Windpark in der Nordsee noch während der Bauausführung Bauvorschriften entwickelt bzw. vorhandene angepasst wurden. Das dieses nicht auf Wohlgefallen bei den Beteiligten gestoßen ist, können Sie sich vorstellen.
Ausführung und Qualitätskontrolle
Beim 3D-Druck von Gebäuden erfolgt die Konstruktion schichtweise. Eine ungleichmäßige Schichtbildung oder Porosität in den Schichten kann die Festigkeit und Integrität des Gebäudes beeinträchtigen.
Zudem sind die Präzision und Genauigkeit des 3D-Druckers entscheidend, um sicherzustellen, dass das Gebäude den vorgesehenen Bauplan und die technischen Anforderungen erfüllt. Ungenauigkeiten können zu strukturellen Problemen führen, was die Sicherheit gefährdet.
Desweiteren kann die Temperatur während des Druckprozesses die Eigenschaften der Baumaterialien beeinflussen. Jeder, der selbst einen 3D-Drucker zu Hause hat kennt das Temperaturproblem. Eine unzureichende Temperaturkontrolle kann zu Rissen oder Verformungen führen.
Die Gewährleistung der Qualität und Sicherheit von 3D-gedruckten Gebäuden erfordert fortschrittliche Überwachung und Prüfverfahren. Technologien zur Qualitätssicherung müssen entsprechend weiterentwickelt werden, um Fehler und Abweichungen frühzeitig zu erkennen.
Akzeptanz von 3D-Betondruck in der Bauwirtschaft
Die Einführung neuer Technologien in der Bauwirtschaft erfordert Zeit und Überzeugungsarbeit. Pilotprojekte, wie das in Beckum, zeigen, was technisch und rechtlich möglich ist.
Der 3D-Druck von Gebäuden bietet zudem eine Lösung für den Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft. Trotzdem ist die Akzeptanz von 3D-gedruckten Gebäuden eine besondere Herausforderung. Ein Grund dafür ist die Skalierbarkeit der 3D-Druckverfahren. Diese ist für den Massenbau von Gebäuden noch nicht vollständig entwickelt ist. Zum Thema Akzeptanz von digitalen Lösungen habe ich bereits in diesem Beitrag geschrieben.
Update August 2025 – Was gibt’s Neues beim 3D-Druck von Gebäuden?
- „Lib Earth House Model B” in Japan. 3D‑Druck mit Erde, ganz ohne Beton: Das Architekturbüro Lib Work hat ein 1.000 ft² großes Gebäude komplett aus lokalem Boden gedruckt das fünfmal stabiler ist als der Vorgänger. Integriert: Generative KI im Design, Solarenergie, Teslas Powerwall und Smartphone-Steuerung (mehr hier).
- Starbucks’ erstes 3D‑gedrucktes Café in Texas: In Brownsville entsteht ein 1.400 ft² großer Drive‑Thru‑Standort, gedruckt von PERI 3D Construction – ein Meilenstein im kommerziellen Einsatz der Technologie (mehr hier).
- Erstes mehrstöckiges 3D‑gedrucktes Haus in Australien: In Melbourne hat LUYTEN ein 350 m² Gebäude inklusive Aufzugskern in nur fünf Wochen errichtet. Und das deutlich schneller als bei konventioneller Bauweise (mehr hier).
- Irlands erste 3D‑gedruckte Wohnhäuser in Betrieb: In County Louth zogen Familien in automatisiert gedruckten Häusern ein – in nur 12 Drucktagen und zu geschätzten Kosten von 253.000 € pro Einheit (mehr hier).
Lesen Sie auch die Prognose bis 2030 im Beitrag 3D-Druck im Bauwesen: Deutschland macht Tempo beim Bauen.
Und nun?
Die Fortschritte im 3D-Betondruck von Gebäuden sind vielversprechend und wird in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle im Bauwesen spielen. Potenzielle Anwendungen reichen von maßgeschneiderten Gebäuden bis hin zu schnellen Notfallkonstruktionen.
Ganze Viertel oder Siedlungen könnten in Zukunft mit 3D-gedruckten Gebäuden errichtet werden. Dies würde nicht nur die Baukosten senken. Auch die Möglichkeiten für nachhaltiges Bauen und innovative Architektur würden durch 3D-Druck erweitert. Definitv werden wir noch einiges erleben auf diesem Gebiet.
Lesen Sie den umfassenden Überblick zum Thema 3D-Druck im Bauwesen.
Quellenverzeichnis:
archdaily (2015). LCD’s VULCAN Awarded Guinness World Record for Largest 3D Printed Structure, [Vulcan Pavilon], 28. Oktober 2015
Hull, C. W. (1986). Apparatus for production of three-dimensional objects by stereolithography. US Patent No. US4575330A, online verfügbar.
Mario Cucinella Architects (2024). The first eco-sustainable housing prototype 3D printed from raw earth
Schlagwörter: 3D-Druck, Bauindustrie, Anpassungsfähigkeit, Schnelligkeit, Effizienz, Nachhaltigkeit, Designfreiheit.
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). 3D-Druck von Gebäuden: Potenziale und Herausforderungen [Blog-Beitrag]. 30.01.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Beim 3D-Druck im Bauwesen – auch als additive Fertigung bezeichnet – werden Gebäude schichtweise aus Baumaterialien wie Beton oder Lehm errichtet. Der Prozess erfolgt automatisiert mit Hilfe von großen 3D-Druckern, ohne klassische Schalungen oder aufwändige Handarbeit.
3D-gedruckte Gebäude bieten zahlreiche Vorteile: geringere Baukosten, kürzere Bauzeiten, hohe Designfreiheit, individuelle Anpassbarkeit und nachhaltigen Materialeinsatz. Die Technologie eignet sich besonders für innovative Bauformen und ressourcenschonendes Bauen.
Ja. Das erste 3D-gedruckte Wohnhaus Deutschlands steht in Beckum, Nordrhein-Westfalen. Auch in Lünen wurde 2024 ein öffentlich gefördertes Mehrfamilienhaus per 3D-Druck fertiggestellt. Weitere Pilotprojekte sind in Planung.
Der 3D-Druck von Gebäuden hat großes Potenzial für die Zukunft: Von schnellen Notunterkünften bis hin zu ganzen Siedlungen. Mit wachsender Akzeptanz, neuen Materialien und optimierten Prozessen wird die Technologie künftig eine wichtige Rolle im Bauwesen spielen.
Ja. 3D-Druck spart Materialien, reduziert Abfälle und senkt den Energieverbrauch. Durch präzisen Materialeinsatz und weniger Transport können CO₂-Emissionen verringert werden. Besonders in Kombination mit natürlichen Baustoffen gilt die Technik als umweltfreundlich.
Dr.-Ing. Christian K. Karl ist Bauingenieur, Fachdidaktiker und Experte für die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Er leitet die Fachdidaktik Bautechnik an der Universität Duisburg-Essen und forscht zu BIM, Künstlicher Intelligenz, Future Skills und Resilienzbildung in der Bau- und Einsatzpraxis. Zudem ist er Vorsitzender des Richtliniengremius VDI/bS 2552 Blatt 8 zur BIM-Qualifizierung. Neben seiner akademischen Tätigkeit engagiert er sich ehrenamtlich in der DLRG sowie als Berater und Coach für digitale Transformationsprozesse. Auf BauVolution.de verbindet er wissenschaftliche Expertise mit praxisnahen Einblicken. Abseits der Forschung ist er Familienvater, Filmenthusiast, Taucher, Fallschirmspringer und Motorsport-Fan.








