Im Beitrag „7 Wege zur Akzeptanz von digitalen Lösungen“ hatte ich in meinem Fazit das Thema KI-Washing erwähnt. Hinter dem Begriff „KI-Washing“ verbirgt sich eine problematische Praxis, bei der Oganisationen und (sogenannte) Experten künstliche Intelligenz (KI) als Marketingwerkzeug einsetzen, um den Eindruck von Innovation und Fortschritt zu erwecken, ohne tatsächlich substantielle KI-Anwendungen oder -Kenntnisse einzusetzen oder zu besitzen.

Diese Praxis ist in den letzten Jahren immer häufiger geworden, da KI zu einem Schlagwort für technologische Fortschritte geworden ist. Da stellt man sich natürlich die Frage „Wie erkenne ich echte Innovationssprünge von bloßem KI-Washing?“.

Hintergrund von KI-Washing

In den letzten Jahren hat KI erhebliche Fortschritte gemacht. Diese Technologie ermöglicht es, komplexe Aufgaben wie Bilderkennung, Textanalyse und Sprachverarbeitung effizienter und genauer zu erledigen. Auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft ist KI ein zunehmendes Thema geworden (siehe die Beiträge Auswirkungen der Digitalisierung auf das Baumanagement und 24 Tipps für 2024).

Doch leider hat diese gestiegene Nachfrage nach KI auch zu dem beunruhigenden Phänomen des KI-Washing geführt. Unternehmen und Technologieanbieter haben erkannt, dass die Integration von KI in ihre Produkte und Dienstleistungen ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein kann.

Somit begannen Unternehmen, KI in ihre Produkte und Dienstleistungen zu integrieren. Doch nicht alle taten dies ehrlich und transparent. Einige begannen, KI-Washing-Praktiken zu verwenden, um von dem KI-Hype zu profitieren, ohne tatsächlich über ausgereifte KI-Technologien zu verfügen. Sie setzten auf übertriebene Versprechungen, irreführende Begriffe und technische Buzzwords, um den Eindruck zu erwecken, dass ihre Produkte und Dienstleistungen fortschrittliche KI-Fähigkeiten besitzen.

Das KI-Washing-Phänomen führt nicht nur zur Irreführung und Enttäuschung bei Kunden, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die KI-Technologie. Unternehmen wie auch Berater, die KI-Washing betreiben, schaden somit dem Ruf der gesamten Branche und erschweren es seriösen KI-Entwicklern und -Anbietern, ihre Innovationen und Fortschritte angemessen zu kommunizieren.

Ein prominentes Beispiel ist das Unternehmen Theranos. Theraons versprach, Bluttests mit KI-Technologie durchzuführen, die nur eine winzige Menge Blut benötigten. Später wurde enthüllt, dass die Technologie nicht funktioniert, und das Unternehmen geriet in einen großen Betrugsskandal. Konsequenz ist eine 13-jährige Haftstrafe für die Gründerin (siehe Tagesschau).

KI-Washing im Bau- und Immobilienwesen

Anhand von sechs Beispielen stelle ich Ihnen vor, wie KI-Washing auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft vorkommen könnte.

KI-Washing in der Bauplanung und Bauverwaltung

Ein Beispiel für KI-Washing in der Bauplanung könnte ein Unternehmen sein, das vorgibt, fortschrittliche KI-Algorithmen zur Optimierung von Bauabläufen zu verwenden. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um ein herkömmliches Projektmanagement-Tool, das lediglich Aufgaben zuweist und den Fortschritt verfolgt. Die Versprechen von KI-basierter Planung und Optimierung erweisen sich in dem Fall als kaum nachweisbar, da keine echte KI verwendet wird.

KI-Washing im Energiemanagement

Ein Unternehmen im Immobiliensektor könnte behaupten, KI einzusetzen, um den Energieverbrauch der Gebäude zu optimieren. In Wirklichkeit ist die dahinterliegende Technologie lediglich die Darstellung einer einfachen Zeitplanung und Regelung der Heiz- und Kühlsysteme, ohne fortschrittliche KI-Algorithmen zu integrieren. Die Nutzerinnen und Nutzer erhalten dann womöglich irreführende Informationen dahingehend, wie nachhaltig und intelligent das Gebäude wirklich ist.

KI-Washing in der Immobilienbewertung

In der Immobilienbewertung könnte ein Unternehmen ein KI-unterstützes System anpreisen. Bei genauerer Überprüfung stellt sich jedoch heraus, dass menschliche Experten die tatsächlichen Bewertungen durchführen und die KI-Systeme lediglich als Hilfsmittel zur Datenanalyse dienen. Die Verwendung von KI wird in diesem Fall übertrieben hervorgehoben und spielt nur eine untergeordnete Rolle bei der Bewertung.

KI-Washing in der Automatisierung von Bauprojekten

Ein Unternehmen könnte damit werben, den Bauprozess durch den Einsatz von KI zu automatisieren. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass die Automatisierung auf einfachen, vorprogrammierten Regeln basiert, die wenig mit echter KI zu tun haben. Die Maschinen sind nicht in der Lage, sich in Echtzeit an veränderte Bedingungen auf der Baustelle anzupassen sondern folgen fest definierten Algorithmen.

KI-Washing in der Gebäudeverwaltung

In der Gebäudeverwaltung könnte ein Unternehmen behaupten, KI-Systeme zu verwenden, um den Komfort der Bewohnerinnen und Bewohner zu steigern. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einfache Sensortechnologie, die Temperatur und Beleuchtung basierend auf vordefinierten Parametern regelt. Die Versprechen von KI-gesteuerter Gebäudeverwaltung sind dahingehend übertrieben dargestellt.

KI-Washing in der Datenanalyse und Prognose

Ein weiteres Beispiel für KI-Washing könnte die Datenanalyse und Prognose betreffen. Ein Unternehmen könnte behaupten, KI-Modelle zu verwenden, um genaue Marktprognosen zu erstellen. Tatsächlich basieren diese Prognosen jedoch auf herkömmlichen statistischen Methoden und werden von KI nur oberflächlich unterstützt. Die KI-Technologie spielt eine geringere Rolle, als es die Marketingaussagen vermuten lassen.

10 Tipps wie Sie KI-Washing erkennen

Um nicht auf irreführende Versprechungen wie in den Beispielen hereinzufallen, sind folgend 10 Tipps, die Ihnen helfen werden echte Innovationssprünge zu erkennen.

1. Überprüfen Sie die KI-Funktionalität

Ein häufiges Beispiel für KI-Washing ist, wenn Unternehmen behaupten, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen von KI angetrieben werden, obwohl die KI tatsächlich nur eine geringe Rolle spielt. Zum Beispiel könnte eine einfache Datenauswertung als „KI-basierte Analyse“ bezeichnet werden, um den Eindruck von KI-Technologie zu erwecken.

Ein Unternehmen könnte behaupten, dass sein Produkt „AI-inspiriert“ ist, was lediglich bedeutet, dass sie von KI-Technologien inspiriert wurden, ohne tatsächlich KI in ihrem Produkt zu verwenden.

Deshalb ist die erste und wichtigste Maßnahme die Überprüfung der tatsächlichen KI-Funktionalität eines Produkts oder einer Dienstleistung. Fordern Sie konkrete Beispiele an, wie KI eingesetzt wird, und hinterfragen Sie, ob die KI tatsächlich einen Mehrwert bietet.

2. Hinterfragen Sie Versprechungen

Unternehmen versprechen oft revolutionäre Veränderungen in kurzer Zeit, ohne die technischen oder praktischen Realitäten der KI-Entwicklung zu berücksichtigen. Übertriebene Versprechungen sind ein deutlicher Hinweis auf KI-Washing. Wir kennen solche Praktiken auch aus anderen Bereichen, wie z.B. von „Wunderdiäten“, in denen man zig Kilos in kurzer Zeit ohne Bewegung und ohne Ernährungsumstellung verliert (Was einfach Kappes ist!).

Zudem neigen KI-Washer dazu, technische Begriffe im Übermaß zu verwenden, wie z.B. „neuronale Netzwerke“ oder „Deep Learning“, um den Eindruck von KI-Komplexität zu erwecken, ohne tatsächlich auf solche Technologien zurückzugreifen.

Seien Sie deshalb skeptisch gegenüber Unternehmen und Beratern, die unrealistische Versprechungen machen und schnelle Wunder durch KI versprechen.

3. Fordern Sie klare Informationen

Wenn ein Unternehmen keine klaren Informationen darüber bereitstellt, wie genau KI in deren Produkten oder Dienstleistungen verwendet wird, ist dies ein Grund zur Skepsis. Oft verbergen KI-Washer ihre tatsächlichen Prozesse und Technologien, um z.B. nicht darstellen zu müssen, dass die KI lediglich ein einfaches regelbasiertes System ist.

Verlangen Sie von Unternehmen und Beratern Transparenz darüber, wie genau KI in ihren Produkten oder Dienstleistungen eingesetzt wird. Professionelle Anbieterinnen und Anbieter sollten in der Lage sein, klare und vor allem verständliche Informationen bereitzustellen.

4. Prüfen Sie die KI-Expertise

Ein weiteres Zeichen von KI-Washing ist das Fehlen von qualifizierten KI-Experten im Unternehmen. Wenn es keine Mitarbeitenden gibt, die nachweislich über das erforderliche Fachwissen verfügen, ist der KI-Mehrwert und dessen Wirkung fragwürdig.

Bedenken Sie, dass wohlklingende Bezeichnungen wie z.B. „AI Architect“, „AI & application expert“ , „AI Consultant“, „ML Engineer“ oder „Digitizer“ in der Regel keine geschützen Bezeichnungen sind. Dahinter kann eine Koryphäe stecken oder auch nur warme Luft.

Deshalb fragen Sie direkt nach der Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeitenden im Bereich KI und lassen Sie sich nicht mit Floskeln abspeisen.

5. Kontaktieren Sie Referenzkunden

Unternehmen könnten behaupten, KI zu nutzen, aber es gibt keine klaren Anwendungsbeispiele oder Integrationen von KI in ihre Produkte oder Dienstleistungen.

Suchen Sie deshalb nach Referenzkunden oder Nutzerinnen und Nutzern, welche die KI-Produkte oder -Dienstleistungen eines Unternehmens tatsächlich verwendet haben. Ihre Erfahrungen können wertvolle Einblicke liefern und zu Ihrer Entscheidungsfindung beitragen.

6. Überprüfen Sie unabhängige Bewertungen

In einigen Fällen kopieren KI-Washer einfach KI-Demonstrationen oder Anwendungsbeispiele aus anderen Quellen und geben vor, sie seien ihre eigenen Entwicklungen.

Suchen Sie deshalb nach unabhängigen Bewertungen und Analysen von KI-Produkten oder -Dienstleistungen, um objektive Meinungen zu erhalten.

7. Fragen Sie nach der KI-Entwicklungsgeschichte

Obgleich KI in der letzten Zeit massiv Fahrt aufgenommen hat, ist es bereits seit jahrzehnten ein Thema. Erfahrene Unternehmen und Berater können in der Regel auf eine gewisse „KI-Historie“ zurückschauen.

Erkundigen Sie sich deshalb nach der Geschichte der KI-Entwicklung im Unternehmen, einschließlich früherer Projekte und Erfolge im KI-Bereich.

8. Prüfen Sie die Anpassungsfähigkeit der KI

Wenn ein Unternehmen behauptet, KI zu nutzen, aber keine Anpassung oder Weiterentwicklung der KI-Modelle oder -Anwendungen im Laufe der Zeit vorweisen kann, kann das ein Indikator für KI-Washing sein.

Untersuchen Sie deshalb, ob die KI-Modelle oder -Anwendungen im Laufe der Zeit angepasst oder weiterentwickelt wurden. Wer sich ernsthaft mit KI auseinandersetzt, der wird in der Regel seine Produkte und Dienstleistungen weiterentwickeln. Stagnation kann deshalb auf KI-Washing hinweisen.

9. Bewerten Sie die Datentransparenz

Unternehmen, die KI-Washing betreiben, können sich weigern, Informationen über die Datenquellen oder die Qualität der Daten, welche für ihre KI-Anwendungen verwendet werden, preiszugeben.

Fragen Sie deshalb nach Informationen über die Datenquellen und die Qualität der verwendeten Daten für die KI-Anwendungen. Fehlende Datentransparenz sollte ein rotes Tuch sein. Auch könnte es ein Indiz dafür sein, dass Datenschutz und ethische Grundsätze nicht ernst genommen werden. Gerade das könnte für eine zukünftige Geschäftsanbahnung ein nicht unwesentliches Problem darstellen.

10. Bleiben Sie auf dem Laufenden

Halten Sie sich über aktuelle Entwicklungen über KI auf dem Laufenden, um ein besseres und vertieftes Verständnis für den Stand der Technik zu haben. Das erleichtet die Identifikation von KI-Washing. Im Zweifelsfall sollten Sie sich von einer unabhängigen dritten Instanz beraten lassen.

Und nun?

Ich hoffe, dass Ihnen dieser Beitrag einen Einblicke geben konnte in das sogenannte KI-Washing. Die 10 Tipps können Ihnen in Zukunft helfen, echte KI-Innovationen von bloßen Marketingbehauptungen zu unterscheiden.

Abschließend möchte ich Ihnen empfehlen, dass Skepsis und gründliche Überprüfung von Angeboten und Dienstleistungen wesentliche Punkte sind, um sich vor KI-Washing zu schützen. Lassen Sie sich nicht von großen Versprechungen blenden sondern suchen Sie konkrete Beweise. Bleiben Sie stets informiert und kritisch, um die echten Vorteile der KI-Technologie von bloßem Marketing-Gerede zu unterscheiden. Bei Unsicherheit oder mangelndem Fachwissen ist es keine Schande, sich auch mal Rat von unabhängigen Experten zu holen.

Schlagwörter: KI-Washing, Innovationssprung, Künstliche Intelligenz, KI-Expertise, KI-Evaluation, Technologiehype

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). KI-Washing: 10 Tipps wie Sie echte Innovationssprünge erkennen [Blog-Beitrag]. 05.03.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar

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