Katastrophenvorbeugung im Bauwesen

Katastrophenvorbeugung – Warum denn heute dieses Thema? Ganz einfach. Heute, am 13.10.2024, ist der Internationale Tag der Katastrophenvorbeugung (UNDRR). Und damit ein Tag, an dem wir darüber nachdenken sollten, wie die Folgen von schweren Stürmen, Dürreperioden, Erdbeben, Tsunamis oder anderen Krisen verringert werden können.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Gebäude und Infrastrukturen mit uns kommunizieren, uns vor potenziellen Gefahren warnen und uns helfen, Katastrophen abzuwehren, bevor sie überhaupt eintreten. Diese Vision ist längst keine Science-Fiction mehr, sondern Realität dank des Einsatzes moderner Technologien in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Digitale gestützte Katastrophenvorbeugung könnte schon bald der unsichtbare Schutzschild sein, der unsere Städte sicherer macht. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen heute einige kurze Beispiele vorstellen, wie digitale Technologien im Bauwesen eingesetzt werden können, um Katastrophen frühzeitig zu verhindern.

Die unsichtbaren Wächter: Sensorik und IoT zur Katastrophenvorbeugung

Lassen Sie sich mal auf ein Gedankenspiel ein. Betrachten Sie Bauwerke mal als lebendige Organismen. Bauwerke benötigen “Nahrung” um zu funktionieren (Energie, Wasser etc.). Sie verrichten Arbeit, z.B. wehren Dämme Wasser ab. Bauwerke sind der Umwelt ausgesetzt und altern oder werden “krank”. Und genau wie unser Körper, der uns vor einer bevorstehenden Krankheit warnt, bevor sie sich manifestiert, können moderne Gebäude dank zielgerichteter Sensorik und dem Internet der Dinge (IoT) mögliche Gefahren erkennen, bevor sie zum Problem werden. Überall in einem Bauwerk – in Wänden, Fundamenten, Dächern – könnten winzige Sensoren installiert sein, die Daten in Echtzeit sammeln und analysieren.

Nehmen wir das Beispiel einer Brücke, die jeden Tag tausende von Fahrzeugen trägt. Sensoren in der Struktur könnten kontinuierlich die Belastung, Temperaturänderungen und Schwingungen überwachen. Wenn sie eine ungewöhnliche Belastung oder eine mikroskopische Rissbildung feststellen, senden sie sofort eine Warnung an die zuständigen Ingenieurinnen und Ingenieure. Die Reaktion könnte von einer sofortigen Inspektion bis hin zur Sperrung der Brücke reichen, um einen möglichen Einsturz zu verhindern.

Ein ausführlicherer Überblick über den Einsatz von Sensorik und IoT im Katastrophenschutz, insbesondere in Verbindung mit künstlicher Intelligenz, finden Sie in dem Beitrag Katastrophenschutz 4.0: Die Rolle von AI und Big Data.

BIM: Das digitale Gedächtnis der gebauten Umwelt

Durch Anwendung der BIM-Methode (Building Information Modeling) wird ein digitales Modell geschaffen, dass wie ein neuronale Netzwerk eines Bauwerks zu verstehen ist – es sammelt, speichert und vernetzt alle Informationen, die während des gesamten Lebenszyklus entstehen. Von der ersten Idee über die Planung und den Bau bis hin zur Nutzung und Wartung – Das BIM-Modell ist immer dabei und hält alles fest.

Stellen Sie sich vor, eine Architektin oder ein Architekt plant ein neues Wohngebäude. Mithilfe von BIM kann sie oder er nicht nur das Design gestalten, sondern auch die Effizienz und Sicherheit des Gebäudes simulieren. Wie werden die Bewohnerinnen und Bewohner im Falle eines Brandes oder eines Hochwassers das Gebäude verlassen? Welche Wege sind am sichersten, und wie kann man sie so gestalten, dass eine Massenpanik vermieden wird? Diese und andere Fragen können schon in der Planungsphase beantwortet werden, sodass das fertige Gebäude nicht nur schön und funktional, sondern auch sicher ist. Und die Erfahrungen, die während dieser Planung gemacht wurde, können unmittelbar in neue Projekte einfließen. Das wäre optimale Katastrophenvorbeugung.

Wenn Sie die BIM-Methode selbst nutzen möchten, finden Sie wertvolle Tipps im Beitrag 30 Tipps, um BIM optimal zu nutzen. Außerdem wird im Beitrag Building Information Modeling: Herausforderungen und Chancen detailliert beschrieben, wie die BIM-Methode sowohl Chancen als auch Herausforderungen im Bauwesen mit sich bringt.

Digitale Zwillinge: Spiegelwelten zur Katastrophenvorbeugung

Gehen wir von der BIM-Methode einen Schritt weiter. Stellen Sie sich vor, Sie könnten einen perfekten, digitalen Klon eines Gebäudes erstellen, in dem Sie jede Schraube, jedes Kabel und jeden Ziegelstein in Echtzeit simulieren und in der Realität überwachen könnten. Das ist die Idee hinter dem digitalen Zwilling. Dieses digitale Modell eines Bauwerks existiert parallel zur realen Welt und kann genutzt werden, um unterschiedliche Szenarien durchzuspielen.

Denken Sie an ein neues Hochhaus in einer Stadt, die regelmäßig von Stürmen und Überflutungen heimgesucht wird, wie z.B. Ho-Chi-Minh-Stadt (ehemals Saigon), Mumbai (ehemals Bombay) oder New Orleans. Der digitale Zwilling dieses Hochhauses könnte genutzt werden, um verschiedene Sturmereignisse zu simulieren – von leichtem Regen bis hin zu einem ausgewachsenen Hurrikan. Die Simulation könnte zeigen, wie das Gebäude unter unterschiedlichen Bedingungen reagiert: Welche Verglasungen halten stand? Welche Wände müssen ggf. verstärkt werden? Wo könnten Leckagen auftreten? Welche weiteren Evakuierungs- und Rettungsmöglichkeiten müssen geschaffen werden? So lassen sich potenzielle Schwachstellen frühzeitig erkennen und beheben, bevor die Bauarbeiten überhaupt beginnen. Und durch die Kombination mit Sensorik und IoT kann der digitale Zwilling ebenso wertvoll für den Betrieb des Bauwerks sein.

Dieser Ansatz fügt sich nahtlos in die größeren Entwicklungen ein, welche die Digitalisierung auf den Katastrophenschutz hat, wie im Beitrag Einfluss der Digitalisierung auf den Katastrophenschutz beschrieben.

Drohnen: Die fliegenden Inspektoren für die Katastrophenvorbeugung

Früher mussten Ingenieurinnen und Ingenieure Risiken eingehen, um schwer zugängliche Teile eines Bauwerks zu inspizieren (z.B. .durch Abseilen). Heute übernehmen Drohnen diese Aufgabe. Diese fliegenden Helfer können in schwindelerregende Höhen aufsteigen, um detaillierte Bilder und Videos zu machen, die den Zustand eines Bauwerks zeigen.

Im Rahmen der aktuellen Energiewende gibt es sehr relevante Beispiele, und zwar die Inspektion von Wind- oder Wasserkraftanlagen. Diese stehen oft in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten. Mit Hilfe von Drohnen kann jede einzelne Windturbine aus nächster Nähe untersucht, Materialschäden an einer Staumauer aus nächster Nähe erfasst und weitere Daten gesammelt werden, welche für die Wartung und Reparatur der Anlagen notwendig sind. Diese Informationen können rechtzeitig genutzt werden, um Katastrophen wie das Versagen der Struktur einer Wasserkraftanlage oder einer Windturbine zu verhindern, was nicht nur gefährlich für die Energieversorgung ist (Thema Black Out), sondern auch extrem kostspielig wäre.

Das Potential von Drohnen ist in der Tat immens. Sie können zum Beispiel auch genutzt werden, um kontinuierlich von einem Ort Echtzeitdaten zu sammeln, um diese einem digitalen Modell zuzuführen. Das ermöglicht eine genaue Vorhersage einer Situation, wie zum Beispiel die Ausbreitung einer Überschwemmung oder eines Brandes.

Künstliche Intelligenz: Vorausschauende Analytiker in der Katastrophenvorbeugung

In einer Welt, in der täglich Milliarden von Datenpunkten generiert werden, kommt unweigerlich die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Sie analysiert all diese Informationen, erkennt Muster und kann auf Wahrscheinlichkeiten beruhende Vorhersagen treffen, die für den Menschen zum Teil kaum möglich wären.

Ein Beispiel in der Katastrophenvorbeugung ist der Einsatz von KI in Erdrutschgebieten. Durch die Vorgabe der Bodenbeschaffenheit, der Analyse historischer Daten, aktueller Wetterbedingungen wie auch Wetterprognosen kann die KI potenzielle Gefahrenzonen identifizieren, noch bevor erste Anzeichen für einen Erdrutsch sichtbar werden. Mit solchen Informationen können Gemeinden frühzeitig Maßnahmen ergreifen, wie etwa die Evakuierung von Anwohnerinnen und Anwohner oder die Stabilisierung eines Hanges, um eine Katastrophe zu verhindern.

Während KI viele Vorteile bietet, ist es wichtig, auch die potenziellen Risiken und Herausforderungen zu berücksichtigen, die mit ihrem Einsatz verbunden sind. Diese dunklen Seiten der KI werden im Beitrag Künstliche Intelligenz und ihre dunklen Seiten detailliert beschrieben.

Eine Diskussion darüber, wie KI und Big Data im Katastrophenschutz eingesetzt werden, finden Sie im Beitrag Katastrophenschutz 4.0: Die Rolle von KI und Big Data.

Und nun?

Die Zukunft der Bau- und Immobilienwirtschaft ist digital, und das Potenzial dieser Technologien zur Katastrophenvorbeugung ist immens. Es geht nicht mehr nur darum, Gebäude effizient zu planen, zu errichten und zu betreiben. Es geht zunehmend darum, sie intelligent und sicher zu machen. Sensoren, digitale Zwillinge, BIM, Drohnen und KI sind mehr als nur Werkzeuge. Sie sind unsere Verbündeten im Kampf gegen das Unvorhersehbare.

Die Herausforderung besteht darin, diese Technologien klug und verantwortungsvoll einzusetzen, um eine sicherere, widerstandsfähigere Welt zu schaffen. So könnten wir eines Tages in intelligenten Städten leben (Smart Cities), die uns nicht nur vor Gefahren warnen. Solche Smart Cities könnten auch selbst aktiv werden und daran arbeiten, Katastrophen zu verhindern.

Empfehlung: UN Sendai-Rahmenwerk zur Katastrophenvorsorge

Schlagwörter: Katastrophenschutz, Sensoren, IoT, BIM, Digitale Zwillinge, Katastrophenvorbeugung, Künstliche Intelligenz, Big Data, Krisenmanagement, Disaster Preparedness

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Katastrophenvorbeugung im Bauwesen [Blog-Beitrag]. 13.10.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar




Katastrophenschutz 4.0: Die Rolle von KI und Big Data

In einer Zeit, in der Naturkatastrophen und klimatische Extremereignisse zunehmend häufiger auftreten, steht der Katastrophenschutz vor neuen Herausforderungen. Im Beitrag Einfluss der Digitalisierung auf den Katastrophenschutz habe ich bereits einen Überblick gegeben, wie Digitalisierung auch im Bereich des Katastrophenschutzes neue Möglichkeiten zur Risikominderung und effizienten Krisenbewältigung eröffnet.

Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data können dabei zentrale Werkzeuge sein, welche den traditionellen Katastrophenschutz weiterentwickeln können. Durch die Kombination dieser Technologien können präzisere Vorhersagen getroffen, schneller auf Notfälle reagiert und die Infrastruktur effektiver überwacht werden. In diesem Beitrag werde ich konkrete Beispiele vorstellen wie KI uind Big Data nutzbringend im Katastrophenschutz und zur Katastrophenbewältigung eingesetzt werden können.

SeismicAI: Frühwarnsystem für Erdbeben

Meiner Ansicht nach ist SeismicAI eines der beeindruckendsten Projekte im Bereich der Erdbebenvorhersage. SeismicAI nutzt künstliche Intelligenz zur Erkennung und Frühwarnung von Erdbeben. Durch die Analyse seismischer Daten kann das System präzise Vorhersagen über die Lage und Stärke von Erdbeben treffen. Dieses Projekt hat gezeigt, dass durch frühzeitige Warnungen nicht-strukturelle Schäden um bis zu 50 % reduziert werden können, was erhebliche finanzielle Einsparungen bedeutet und Menschenleben rettet.

Das System wurde weltweit in verschiedenen Ländern erfolgreich getestet und implementiert, darunter Kanada, die Türkei und Israel. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Erkennung eines Erdbebens der Stärke 5,2 in der Nähe von Bursa, Türkei, mit nur zwei Stationen. In Kanada konnte ein Erdbeben der Stärke 3,4 in weniger als drei Sekunden nach seinem Ursprung lokalisiert werden, was die Effizienz und Genauigkeit der Technologie unterstreicht (weitere Details siehe hier).

RescueAI: Innovatives Katastrophenmanagement

Ein weiteres Projekt ist RescueAI, das von der Asia Pacific University of Technology & Innovation (APU) entwickelt wurde. RescueAI adressiert die Herausforderungen durch klimainduzierte Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitzewellen. Das System nutzt eine 3D-Digital-Twin-Modellierung zur präzisen Simulation von Katastrophenszenarien. Dazu werden Drohnen genutzt, welche Echtzeitdaten sammeln und das Modell kontinuierlich aktualisieren. Das ermöglicht eine genaue Vorhersage der Ausbreitung und Auswirkungen von Überschwemmungen und Bränden.

Zusätzlich verfügt RescueAI über eine mobile App, welche KI-gestützte Erkennungs- und Alarmfunktionen bietet. Diese App ermöglicht eine schnellere und effizientere Meldung von Katastrophen, was die Reaktionszeit erheblich verkürzt und die Koordination der Rettungsmaßnahmen verbessert. Das Projekt hat internationale Anerkennung gefunden und mehrere Auszeichnungen gewonnen, darunter eine Goldmedaille beim 12. World Invention Competition.

SmartBridge: Intelligente Brückenüberwachung

Das SmartBridge-Projekt in den Niederlanden und Hamburg ist ein weiteres Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von KI und Big Data im Katastrophenmanagement. In den Niederlanden wurde das Projekt vom Brunel Innovation Centre und Innvotek entwickelt und von Innovate UK gefördert. Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Überwachung und Wartung von Brückeninfrastrukturen durch eine digitale Plattform, die den Zustand und die Abnutzung von Brücken visualisiert. Diese Plattform ermöglicht es, den Lebenszyklus von Brücken zu analysieren und präventive Wartungsmaßnahmen zu ergreifen, bevor Schäden auftreten.

In Hamburg wurde die Köhlbrandbrücke mit über 500 Sensoren ausgestattet, die in Echtzeit Daten sammeln (siehe hier). Diese Daten werden in einem digitalen Zwilling der Brücke visualisiert, der eine kontinuierliche Zustandsüberwachung ermöglicht. Durch die Kombination traditioneller Inspektionsmethoden mit digitalen Diagnosen können Wartungsarbeiten präziser und kosteneffizienter durchgeführt werden. Dies erhöht die Lebensdauer der Infrastruktur und reduziert sowohl die Betriebskosten als auch die CO2-Emissionen.

FireAId: Wildfire Prevention

Künstliche Intelligenz spielt auch eine wichtige Rolle bei der Prävention und Bekämpfung von Waldbränden, die in den letzten Jahren an Häufigkeit und Intensität zugenommen haben. KI-gestützte Systeme verwenden Drohnen oder Satelliten, welche mit speziellen Algorithmen ausgestattet sind, um Wälder auf potenzielle Zündquellen wie Blitzeinschläge oder Lagerfeuer zu überwachen. Diese Systeme analysieren kontinuierlich Wetterdaten, um die Wahrscheinlichkeit und das Ausbreitungsverhalten von Bränden vorherzusagen. Das ermöglicht es Feuerwehrleuten, strategisch zu planen und ihre Einsätze besser zu koordinieren.

Ein Beispiel für den Einsatz von KI in der Waldbrandprävention ist das FireAId-Projekt des World Economic Forum. Dieses Projekt nutzt KI, um eine dynamische Risikokarte zu erstellen, die optimierte Ressourcenzuweisungen und Reaktionspläne für Waldbrände ermöglicht. Die Plattform integriert Daten aus digitalen Karten, Satellitenbildern, Echtzeit-Wetterdaten, Sensorennetzwerken und sozialen Netzwerken, um umfassende und präzise Vorhersagen zu liefern. Dies trägt dazu bei, die Reaktionszeit zu verkürzen und die Effizienz der Brandbekämpfung zu erhöhen.

OroraTech: Waldbranderkennung

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI in der Waldbranderkennung bietet OroraTech. Deren System fahndet mit Satelliten nach Waldbränden. Die KI-gestützte Software und eine eigene Satellitenkonstellation, die das Start-up aufbaut, analysieren Satellitenbilder in Echtzeit, um Brände frühzeitig zu erkennen und schnelle Reaktionen zu ermöglichen. Griechenland gehört im Übrigen zu einem der ersten Länder, die das System flächendeckend implementieren werden (siehe hier).

ARTION: Erdbeben- und Tsunami-Frühwarnsysteme

KI kann die Erkennung von Erdbeben und die Tsunami-Warnung erheblich verbessern, indem sie geologische Daten aus verschiedenen Forschungszentren weltweit nutzt. Die Integration von Multi-Sensor-Daten, einschließlich seismischer und geospatialer Informationen, ermöglicht es KI-Systemen, Erdbeben frühzeitig zu erkennen und präzise Tsunami-Warnungen auszugeben.

Ein Beispiel ist das EU-Projekt ARTION. Dieses hat zum Ziel, ein Netzwerk für den Wissensaustausch im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) für das Katastrophenmanagement aufzubauen. Es fördert die Entwicklung und Nutzung von KI-Tools, die Ersthelfern bei Katastrophen wie Waldbränden, Überschwemmungen und Erdbeben helfen können. Das Projekt ARTION plant, Algorithmen speziell für diese Katastrophenszenarien zu entwickeln und zu testen. Im Projekt sollen auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Expertinenn und Experten wie auch die Praxis zusammengebracjt werden, um den Einsatz von KI im Katastrophenmanagement zu verbessern und die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben (siehe hier).

Und nun?

Die Integration von KI und Big Data in den Katastrophenschutz zeigt bereits heute beeindruckende Ergebnisse. Projekte wie SeismicAI, RescueAI, SmartBridge, FireAId, OroraTech und ARTION demonstrieren, wie moderne Technologien dazu beitragen können, die Vorhersagegenauigkeit zu erhöhen, die Reaktionszeiten zu verkürzen und die Effizienz der Intervention zu verbessern. Diese Innovationen haben das Potenzial, das Katastrophenmanagement grundlegend zu verändern und die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur erheblich zu erhöhen.

Schlagwörter: Katastrophenschutz, Digitale Transformation, Hochwasserresilienz, Flood Rescue with Boats, Krisenmanagement, Disaster Preparedness, Künstliche Intelligenz, Big Data, Erdbebenvorhersage, Digitale Zwillinge, Infrastrukturüberwachung, Klimawandel

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Katastrophenschutz 4.0: Die Rolle von KI und Big Data [Blog-Beitrag]. 19.08.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar




Einfluss der Digitalisierung auf den Katastrophenschutz

Der eine oder andere wird bereits wissen oder gelesen haben, dass mir die Balance zwischen Beruf, Familie und Ehrenamt sehr wichtig ist. Da liegt es natürlich nahe, dass sich mein berufliches Treiben mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei der DLRG auch mal kreuzen. Und wenn ich mich schon um die Digitalisierung im Zusammenhang mit unserer gebauten Umwelt kümmere, ist es nur ein logischer Schluss, sich darüber Gedanken zu machen, was die Digitalisierung für die Resilienz von Bauwerken und schließlich für den Katastrophenschutz bedeuten kann. Die Digitalisierung revolutioniert die Art und Weise, wie wir Gebäude planen, bauen und instand halten. Ob z.B. mit Smart Home Komponenten in unseren vier Wänden (siehe dieser Beitrag) oder auch an unserem Arbeitsplatz (siehe dieser Beitrag). Die Digitalisierung ist gefühlt allgegenwärtig.

Da bleibt es nicht aus, dass die Digitalisierung auch im Bereich des Katastrophenschutzes neue Möglichkeiten zur Risikominderung und effizienten Krisenbewältigung eröffnet. In dem folgenden Beitrag möchte ich Ihnen fünf Aspekte aufzeigen, wie digitale Werkzeuge und Methoden dazu beitragen können, Bauwerke und Infrastrukturen resillienter und sicherer zu gestalten bzw. wie diese den Katastrophenschutz positiv beeinflussen können. Zudem werde ich Empfehlungen geben sowohl für Akteure und Entscheidungstragende und auch Vorschläge machen für die Weiterentwicklung der akademischen Ausbildung.

Unterschied zwischen Katastrophenschutz und Zivilschutz (ausführlich)

Der Hauptunterschied zwischen Katastrophenschutz und Zivilschutz liegt in den Zielen und dem Umfang der Maßnahmen.

Katastrophenschutz bezieht sich auf die Planung, Organisation und Durchführung von Maßnahmen zur Verhütung, Abwehr und Bewältigung von Katastrophen und schweren Unglücksfällen. Diese Maßnahmen werden oft von staatlichen oder lokalen Behörden und Organisationen durchgeführt und umfassen Notfallplanung, Rettungsdienste, Evakuierungen und Wiederherstellungsmaßnahmen. Der Fokus liegt darauf, das Leben und Eigentum der Menschen vor natürlichen oder von Menschen verursachten Katastrophen zu schützen und zu retten.

Zivilschutz hingegen konzentriert sich mehr auf den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten, einschließlich Maßnahmen gegen Bedrohungen durch militärische Angriffe oder terroristische Akte. Der Zivilschutz umfasst oft die Errichtung und Unterhaltung von Schutzräumen, die Ausbildung der Bevölkerung in Verhaltensweisen bei Angriffen und die Bereitstellung von Informationen über die Minimierung von Schäden durch Kriegseinwirkungen. In friedlichen Zeiten kann der Zivilschutz auch in die allgemeine Katastrophenvorsorge und -bewältigung eingebunden sein.

In Kurzform: Der Katastrophenschutz ist breit angelegt und deckt alle Arten von Notfällen ab, während sich der Zivilschutz speziell auf militärische Bedrohungen und deren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung konzentriert.

1. Digitale Modellierung und Simulation im Katastrophenschutz

Modellierung und Simulation ist im Zusammenhamg mit dem Katastrophenschutz nichts bahnbrechend Neues. Battelle, eine gemeinnützige, unabhängige Forschungs- und Entwicklungsorganisation, hat z.B. eine Simulation genutzt zur Katastrophenmodellierung (AnyLogic, 2024). Ein weiteres Beispiel ist die Software viscloud (vrvis, 2024). Damit kann der Verlauf von Unwettern und Extremwetterereignissen simuliert werden. Durch den Einsatz von Building Information Modeling (kurz: BIM, weiteres dazu in diesem Beitrag) können beispielsweise sämtliche relevanten Daten eines Bauwerks digital erfasst, verwaltet und visualisiert werden. Damit kann ermöglicht werden, Hochwasserrisiken oder Auswirkungen von Erdbeben bereits in der Planungsphase zu identifizieren und zu berücksichtigen. So können etwa durch Simulationen verschiedene Szenarien durchgespielt werden, um die Resilienz eines Bauwerks gegenüber Extremwetterereignissen zu testen und entsprechend anzupassen. Denken wir noch einen Schritt weiter, hin zu Smart Cities, dann wird das Potential um ein vielfaches Größer.

Beispiel: In einer Stadt wird für die Planung und Optimierung einer Flutabwehranlage ein durchgängiges digitales Bauwerksmodell eingesetzt. Dabei werden verschiedene Hochwasserszenarien durchgespielt, um zu verstehen, wie sich Änderungen im Design der Anlagen auf die Sicherheit der angrenzenden Stadtteile auswirken würden. Wie wertvoll eine solche digitalisierte Planung ist, kann ich durch meine Erfahrung mit Rijkswaterstaat (Ministerium für Infrastruktur und Umwelt/ Niederlande) nur bestätigen.

2. Sensorgestützte Überwachungssysteme im Katastrophenschutz

Auch wenn es in vielen Städten bereits Videosysteme gibt, sind sie für den Katastrophenfall nur begrenzt geeignet. Im Katastrophenschutz werden sensorgestützte Überwachungssysteme (IoT – Internet of Things, Infos dazu in diesem Beitrag) in Zukunft eine zentralere Rolle spielen. Sie ermöglichen es, kritische Infrastrukturen wie Dämme, Brücken und Schutzanlagen in Echtzeit zu überwachen. Sensoren können Veränderungen wie Bewegungen, Risse oder Wassereintritte frühzeitig erkennen und Warnungen aussenden. Diese Daten werden in digitalen Dashboards aggregiert, mit welchen Entscheidungstragende schnell und fundiert reagieren können.

Beispiel: Dämme werden mit IoT-Sensoren ausgestattet, die kontinuierlich relevante Daten erfassen, z.B. zur Wasserhöhe, Druckverteilung im Dammkörper und Bodenfeuchtigkeit. Diese Informationen helfen, vorzeitige Warnungen bei drohenden Dammbrüchen auszugeben und schnelle Evakuierungen einzuleiten. Eine Erweiterung der Sensoren über ein gesamtes Stadtgebiet kann den entsprechenden Behördern wertvolle Echtzeitdaten liefern über einen noch größeren Bereich und z.B. dabei helfen Einsatzkräfte frühzeitig für einzelne Gebiete zu disponieren.

3. Geoinformationssystem (GIS) im Katastrophenschutz

Mit Hilfe von Geoinformationssystemen (GIS) können verschiedene räumliche Daten zusammengeführt werden. Damit ermöglicht GIS-Technologie, geografische Daten und Risikoanalysen miteinander zu verknüpfen. Ein Beispiel einer solchen Entwicklung ist das NexSIS Projekt. In diesem wurden Open Source Lösungen zu einem komplexen GIS-basierten System kombiniert (Jobst & Sommer, 2022). Im Falle eines Hochwassers können zum Beispiel durch GIS ermittelte Daten dazu verwendet werden, Überschwemmungsgebiete genau zu kartieren und Evakuierungspläne zu optimieren. Solche Systeme sind besonders wertvoll für die Risikobewertung, die Vorbereitung von Präventionsmaßnahmen wie auch die Planung und Durchführung von Rettungseinsätzen.

Beispiel: Behörden und Hilfsorganisationen nutzen GIS-Technologie, um betroffenen Gebiete genau zu kartieren und die Logistik für Rettungs- und Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Solche Informationen wie auch die daraus generierten Karten werden immer relevanter für die Planung der Verteilung von Hilfsgütern und die Organisation von Rettungseinsätzen. Vor allem für Einheiten, die in ein fremdes Land entsendet werden, sind die lokalen Gegebenheit in der Regel unbekannt und eine schnelle Informationsbereitstellung hinsichtlich der räumlichen Lage wie auch der aktuellen Lagesituation ist für Rapid Deployment Units, wie z.B. dem FRB-Modul (Flood Rescue with Boats) von THW und DLRG elementar wichtig.

4. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen im Katastrophenschutz

Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) bieten Potenziale, Muster und Trends in großen Datenmengen zu erkennen, welche für menschliche Entscheidungstragende nicht offensichtlich sind (einen Beitrag zu KI und Robotik finden Sie hier). So können beispielsweise Vorhersagemodelle für Wetterentwicklungen und Hochwasserrisiken verbessert werden. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena wird beispielsweise an der Vorhersage von Extremwetter-Auswirkungen mit Hilfe von KI geforscht (Zeit Online, 2024). Doch nicht nur in der Vorhersage, auch in der Nachbereitung von Katastrophen kann KI eingesetzt werden. Das ist hilfreich, um Schäden schnell zu bewerten und die effizienteste Nutzung von Ressourcen für den Wiederaufbau zu planen.

Beispiel: Ein KI-gestütztes System, welches Daten von Wetterstationen und historischen Überschwemmungen analysiert, kann dabei helfen präzisere Vorhersagen über Hochwasserrisiken für eine Region zu treffen. Ein solches System ermöglicht es lokalen Behörden, frühzeitig Warnungen herauszugeben und präventive Maßnahmen zu ergreifen.

5. Digitale Kommunikation und Informationsverteilung im Katastrophenschutz

Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen eine schnelle und breite Informationsverteilung während Krisensituationen (Wer ins Detail gehen möchte: Die grundlegende Vorschrift dazu ist die FwDV800, 2017). Plattformen und Apps können genutzt werden, um sowohl die Bevölkerung als auch die Einsatzkräfte in Echtzeit zu informieren und zu koordinieren. Die Einsatzkräfte müssen dann keinen Meldeempfänger mehr mitführen und auch die Nachalarmierung wird vereinfacht. Die Digitalisierung ermöglicht hierbei eine noch zielgerichtete Alarmierung, umfassendere Informationsweitergabe und effektivere Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Für Einsatzkräfte gibt es verschiedene Anbieter, doch sollten Apps wie NINA und KATWARN heutzutage auf keinem Mobiltelefon mehr fehlen. Noch nicht installiert? Dann nach Lesen dieses Beitrags direkt nachholen!

Neben der Alarmierung ist die digitale Lageunterstützung ein weiterer wichtiger Bereich im Katastrophenschutz. Denn gerade die digitale Lageerkundung (siehe zuvor zum Thema GIS), die Analyse der Daten wie auch die Kommunikation (u.a. auch auf sozialen Netzwerken) stellt Behörden und Hilfsorganisationen vor eine große Herausforderung. Nicht ohne Grund haben Behörden und Organisationen eigens ausgebildete IuK- Teams (Information und Kommunikation). Beispielsweise das THW das Virtual Operations Support Team (VOST) oder die DLRG das Team Presse- und Medienarbeit (PuMa).

Beispiel: Der heftige Dauerregen mit Überschwemmungen und Hochwasser im Juli 2021 hatte dramatische Folgen in NRW. Dabei wurden mobile Apps und soziale Medien genutzt, um betroffene Bürgerinnen und Bürger über sich nähernde Gefahren zu informieren und Anweisungen zur Evakuierung zu geben. Diese digitalen Kanäle spielten eine wichtige Rolle bei der Reduzierung von Verletzten und Todesfällen. Zur Sicherstellung solcher Kommunikationskanäle muss jedoch auch daraufhin gearbeitet werden, dass entsprechende Netze wieder ad hoc in Stand gesetzt oder adäquat ersetzt werden können. By the way: Die Problematik der “unkontrollierbaren” freiwilligen Helfer lasse ich jetzt mal außen vor, muss aber auch immer mitgedacht werden.

Handlungsempfehlungen für Akteure und Entscheidungstragende

Durch Berücksichtigung der nachfolgenden Punkte können Akteure und Entscheidungstragende sicherstellen, dass die Vorteile der Digitalisierung effektiv zum Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen genutzt werden können:

  • Integration von weiteren digitalen Tools in Frühwarn- und Entscheidungsunterstützungssysteme: Implementierung und ständige Aktualisierung von Bauwerksdaten, GIS und sensorbasierten Systemen zur Echtzeitüberwachung und -warnung. Zudem können weitere Technologien wie z.B. Drohnen, autonome Roboter und Virtual Reality/ Augmented Reality (VR/AR) in solche Systeme integriert werden. Herausforderung ist in dem Fall z.B. die Interoperabilität der Einzelkomponenten innerhalb eines Gesamtsystems.
  • Weiterentwicklung von Schulung und Weiterbildung: Kontinuierliche Weiterentwicklung von Aus- und Weiterbildungen wie auch regelmäßige Schulungen zur Sensibilisierung für Ingenieurinnen, Ingenieure, Architektinnen und Architekten. Desweiteren für Mitarbeitende in Katastrophenschutzorganisationen insbesondere hinsichtlich der Nutzung digitaler Daten und Modelle. Zur Unterstützung sollten digitale Lösungen bereits in Ausbildungsszenarien und Großübungen genutzt und intensiv auf ihre Nutzbarkeit getestet werden. Das Feedback sollte strukturiert gesammelt und den Entwicklerstudios zurückgespiegelt werden.
  • Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit: Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Bauplanenenden, Bauausführenden, IT-Spezialisten und Katastrophenschutzorganisationen. Oder auch zwischen Personenkreise verschiedener Behörden und Hilfsorganisationen. Die Umsetzung von gemeinsam durchgeführten Planspielen ist hier eine besonders empfehlenswerte Methode. Eine Möglichkeit dafür bietet das Planspiel Einsatz in Grimhausen (Karl & Germes, 2023). Dabei kann nicht nur interdisziplinär ausgebildet werden, es ist auch möglich die Vorbereitung von Präventionsmaßnahmen wie auch die Planung und Durchführung von Rettungseinsätzen in verschiedenen Szenarien durchzuspielen, um die besten Optionen herauszuarbeiten.
  • Investition in Forschung und Entwicklung: Förderung von Forschungsprojekten, welche sich mit der Entwicklung neuer digitaler Lösungen für den Katastrophenschutz beschäftigen. Hier sind besonders politische Entscheiderinnen und Entscheider wie auch Fördermittelgebende gefragt, um Innovationen in diesem Bereich realisieren zu können.
  • Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit: Bei allem, was mit der Digitalisierung und der Verarbeitung von Daten zu tun hat, darf dieses Thema nicht fehlen. Die Gewährleistung der Sicherheit und der Schutz der gesammelten Daten muss Priorität 1 sein. Vor allem im Hinblick auf personenbezogene und andere sensible Informationen. Vor allem Daten von kritischen Infrastrukturen möchten wir nicht in falschen Händen wissen!
  • Optimierung der Krisenkommunikation: Ausbau digitaler Kommunikationskanäle und -mittel, um sicherzustellen, dass Informationen schnell, sicher und effizient an die beteiligten Akteure oder auch die betroffene Öffentlichkeit gelangen können. Dazu gehört auch die weiterführende Entwicklung, Beschaffung und Umsetzung von ad hoc Kommunikationsmöglichkeiten. Das heißt neben TETRA, Festnetz und Mobilfunk auch mobile Ad-Hoc-Netzwerke (MANet).

Empfehlungen für die akademische Ausbildung

Als Mitglied einer der jüngsten und größten Universitäten Deutschlands (Universität Duisburg-Essen) denke ich natürlich immer auch an die Ausbildung der nächsten Generation. Grundsätzlich müssen Universitäten die Integration digitaler Technologien verstärkt und kontinuierlich in ihren Studienplänen adressieren, um die zukünftigen Fach- und Führungskräfte auf die Herausforderungen und Möglichkeiten neuer Technologien frühzeitig vorzubereiten. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass dort wo möglich, auch das Themenfeld des Katastrophenschutzes mit einbezogen werden sollte. Im Folgenden zeige ich Ihnen Beispiele, wie das in verschiedenen Formaten umgesetzt werden könnte.

Dabei sollte stets der Grundsatz “von Klein zu Groß” bzw. “vom Allgemeinen zum Besonderen” berücksichtigt werden, denn ohne die Vermittlung notwendiger Grundlagen wird es schwer fallen vertiefte Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten aufzubauen. Bitte beachten Sie: Die Beschreibungen stellen lediglich Inspirationen dar und geben kein vollständiges Bild einer ausführlichen Studienmodulbeschreibung. Wer sowas braucht, kann mich gerne anschreiben 🙂

Grundlagen und erste Vertiefung

Einführung in digitale Bauwerkstechnologien
Dieses Studienmodul bietet eine Übersicht über grundlegende digitale Technologien wie BIM (Building Information Modeling), GIS (Geoinformationssysteme), IoT (Internet der Dinge), KI (Künstliche Intelligenz), VR/AR (Virtual und Augmented Reality) und ihre Anwendung in der Planung, Ausführung und Instandhaltung von Bauwerken.
Simulationstechniken im Bauwesen
Studierende lernen, wie komplexe Modellierungen und Simulationen durchführt werden, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen wie Hochwasser und Erdbeben auf Bauwerke zu analysieren und entsprechende Anpassungen im Bauwerksdesign vorzunehmen.

Vertiefungen in GIS und KI

Geospatialtechnologien im Katastrophenschutz
Dieses Studienmodul konzentriert sich auf die Anwendung von GIS-Technologien zur Analyse und Visualisierung von räumlichen Daten, Risikobewertung und Erstellung von Evakuierungsplänen sowie zur Koordination von Rettungsmaßnahmen bei Katastrophen.
Künstliche Intelligenz in der Risiko- und Katastrophenanalyse
Dieses Studienmodul behandelt die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen und deren Einsatz zur Vorhersage und Analyse von Katastrophenrisiken, inklusive der Entwicklung von Algorithmen zur Optimierung von Bau- und Evakuierungsplänen.

Service Learniung Projekte

Neben solchen Studienmodulen sollten praxisorientierte Projekte im Sinne des Service Learning umgesetzt werden.

Praxisprojekt: Digitales Bauwesen und Katastrophenschutz
In diesem Studienmodul arbeiten Studierende mit Partnern aus dem Bereich des Katastrophenschutzes an realen Projekten, welche den Einsatz digitaler Technologien im Bauwesen und Katastrophenschutz umfassen. Das fördert praktische Erfahrungen und das Verständnis für die Komplexität der Einsatzgebiete und Dynamik der Einsatzlage.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Workshops

Für eine fachübergreifende Ausbildung sollten ebenso Projekte in Betracht gezogen werden, die Studierende mit unterscheidlichen fachlichen Expertisen und Fachkulturen aus verschiedenen Studiengängen zusammenbringen.

Interdisziplinäres Projekt: Bauingenieurwesen und IT
Dieses Studienmodul fördert die Zusammenarbeit zwischen Bauingenieur- und IT-Studierenden. Ziel ist es, gemeinsame Lösungen für die Herausforderungen im digitalisierten Bauwesen unter Berücksichtigung des Katastrophenschutzes zu entwickeln und zu implementieren.

Daneben können auch Workshops angeboten werden, in denen sowohl Studierende als auch bereits in der Praxis tätige zusammenkommen.

Workshop zu digitaler Innovation im Bauwesen
Workshop mit Gastvorträgen von Expertinnen und Experten aus dem Bauwesen, dem Katastrophenschutz und Technologieanbietern, um die neuesten Trends und Technologien vorzustellen und gemeinsam Lösungen für zukünftige Herausforderungen zu diskutieren.

Durch die Integration solcher Studienmodule in den Lehrplan können Universitäten einen wichtigen Beitrag leisten, um die zukünftigen Fach- und Führungskräfte nicht nur mit den neuesten technologischen Werkzeugen vertraut zu machen, sondern auch die kritischen Denk- und Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln, die notwendig sind, um in einer sich rapide verändernden Welt tragfähige Lösungen für die Sicherheit der Gesellschaft zu entwickeln.

Und nun?

Die effiziente Krisenbewältigung und die Erhöhung der Resilienz unserer gebauten Umwelt und inbesondere unserer Infrastrukturen kann durch den Einsatz digitaler Werkzeuge und Methoden verbessert werden. Die zunehmende Digitalisierung im Bauwesen bietet dabei auch vielseitige Chancen für den Katastrophenschutz. Durch den Einsatz digitaler Technologien können a) Risiken besser erkannt und bewertet, b) Krisen effektiver verwaltet und c) die Resilienz von Bauwerken und Infrastrukturen erhöht werden.

Es ist an der Zeit, dass wir die Chancen der Digitalisierung im Querschnittsbereich Bauwesen und Katastrophenschutz vollständig nutzen. Universitäten, Behörden, Unternehmen, Hilfsorganisationen und die Zivilgesellschaft müssen gemeinsam daran arbeiten, die Resilienz unserer gebauten Umwelt und insbesonderer der kritischen Infrastrukturen zu erhöhen und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Expertisen aus den verschiedenen Bereichen, ob nun aus dem Hauptamt oder dem Ehrenamt, müssen gebündelt und Synergien geschaffen werden. Entscheiderinnen und Entscheider müssen zunehmend auf digitale Innovationen setzen, in Bildung und Forschung investieren und die interdisziplinäre Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg einfordern und finanziell fördern. Nur so können wir den Herausforderungen der Zukunft begegnen und eine sicherere und widerstandsfähigere Umwelt für alle schaffen.

Quellenverzeichnis:

AnyLogic (2024). Katastrophenschutz mit Hilfe der agentenbasierten Modellierung, online

FwDV 800 (2017). Informations- und Kommunikationstechnik im Einsatz, online

Jobst, A., Sommer, F. (2022). Das NexSIS Projekt: Ein Open-Source GIS für den Zivil- und Katastrophenschutz, FOSSGIS Konferenz 2022: Online-Event, 09. – 12. März 2022, online

Karl, C. K., Germes, J. (2023). Planspiele für den Katastrophenfall : Sensibilisierung, Ausbildung und Professionalisierung von Fach- und Führungskräften Europäisches Planspielforum 2023, Heilbronn, Planspiel ausgezeichnet mit dem Deutschen Planspielpreis 2023 (3. Platz), online

vrvis (2024). Simulationssoftware viscloud, VRVis Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung Forschungs-GmbH, online

Zeit Online (2024). Forscher wollen Extremwetter-Auswirkungen mit KI vorhersagen, 05.01.2024, online

Schlagwörter: Katastrophenschutz, Digitale Transformation, Hochwasserresilienz, Flood Rescue with Boats, Krisenmanagement, Disaster Preparedness

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Einfluss der Digitalisierung auf den Katastrophenschutz [Blog-Beitrag]. 23.05.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar