Aktualisiert am 5. November 2025
3D-Druck im Bauwesen ist in Deutschland technisch reif, wirtschaftlich in der Serie vielversprechend und regulatorisch auf dem Sprung. In Heidelberg entstehen gleich mehrere Referenzprojekte: vom Rechenzentrum „Wave House” bis zum seriell geplanten Wohnungsbau DREIHAUS mit erstmals eingesetztem evoZero®-Zement (Carbon-Capture). Zugleich bleibt der Flaschenhals: Normung und Genehmigungen. Dieser Beitrag liefert Ihnen den Überblick über Stand, Nutzen, Limits und eine Prognose bis 2030.
Warum 3D-Druck im Bauwesen gerade jetzt relevant ist
Deutschland hat ein Wohnungsproblem. Vielen von uns nicht unbekannt. Leider wurden in den letzten Jahren die politischen Ziele von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr deutlich verfehlt. 2024 lag die Zahl der Fertigstellungen laut Destatis bei rund 251.900 (-14,4 % gegenüber 2023). Und das bei gleichzeitig hohem Bedarf (Tagesspiegel, 2025; Destatis, 2025). Prognosen rechnen zeitweise sogar mit einem weiteren Rückgang der Neubauzahlen, während der Bedarf bei 320.000 bis 400.000 Wohnungen jährlich liegt (je nach Quelle: Handelsblatt, 2025; DZ HYP, 2024/25; Deutscher Mieterbund/Pestel, 2025). In diesem Umfeld rückt jede Technologie in den Fokus, die schneller, präziser und planbarer bauen lässt. Und genau hier punktet der 3D-Druck.
Der Kernvorteil ist nicht nur Geschwindigkeit, sondern Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette: aus dem digitalen Gebäudemodell (siehe BIM) geht es direkt in die Maschine. D.h. weniger Schalung, weniger Fehler und reproduzierbare Qualität. Wissenschaft und Industrie treiben das Feld voran u. a. an der TU Dresden, wo seit Jahren Verfahren und Materialsysteme für additiven Beton entwickelt werden (TU Dresden, 2023/2024).
Use-Cases mit Hebel: Von Beckum bis Heidelberg
Erstes Wohnhaus (Beckum, 2020). Deutschlands Einstieg in den 3D-gedruckten Hochbau war das zweigeschossige Wohnhaus in Beckum (PERI, BOD2-Drucker, ca. 100 Stunden reine Druckzeit, spezieller 3D-Beton von Heidelberg Materials/Italcementi, mehr dazu hier). Dieses Vorhaben hat gezeigt: Tragwerk, Brandschutz, Bauphysik uvm. ist machbar, wenn Nachweise projektbezogen geführt werden (PERI 3D Construction, o. J.; Heidelberg Materials, 2020).
Wave House (Rechenzentrum Heidelberg, 2024). Europas bis dato größtes 3D-gedrucktes Gebäude ist ein Datenzentrum mit ca. 600 m² und markanter Wellenfassade. Die Wände wurden in rund 140 Stunden gedruckt. Das ist ein starkes Beispiel und deutliches Signal für industriellen Einsatz jenseits des Wohnungsbaus (COBOD, 2024).
Video zum Bau des Wave House im Zeitraffer
DREIHAUS (serielle Wohngebäude, Heidelberg, 2025). Das derzeit spannendste Projekt ist DREIHAUS. Das sind dreigeschossige Wohnbauten mit seriell planbarer 3D-Druck-Vorlage. Erstmals in Deutschland kommt hier evoZero® zum Einsatz. Das ist ein carbon captured Zement (CCS), der den Fußabdruck des Bindemittels deutlich reduziert (Heidelberg Materials, 2023/2025). Branchenberichte heben bei diesem Vorhaben besonders die Skalierbarkeit hervor (Ingenieur.de, 2025). Damit ist die Möglichkeit gemeint, dieselbe digitale Vorlage mehrfach an verschiedenen Standorten zu verwenden.
Technik, kurz erklärt: Wie 3D-Druck im Bauwesen funktioniert
Die dominierende Technologie in Deutschland ist der Portaldrucker (z. B. COBOD BOD2). Ein robotisch geführter Druckkopf trägt schichtweise eine zementgebundene, pumpfähige Mischung auf. Die Parameter Schichthöhe, Bahnbreite, Vorschub und Materialfluss werden digital gesteuert. Spezifikationen der BOD2-Serie geben einen Materialfluss bis 7,2 m³/h an. Aufbau und Abbau des Druckers sind binnen Stunden machbar, das Kernteam umfasst 3-4 Personen (COBOD, 2024; COBOD, 2022).
Auf der Materialseite gibt es druckoptimierte Betone mit kontrollierter Rheologie (Pumpbarkeit, Standfestigkeit, Grünstandfestigkeit). Das Spektrum reicht von klassischen 3D-Betonmischungen bis zu CCS-basierten Bindern wie evoZero® (Heidelberg Materials, 2023). Der Clou: In Kombination mit optimierten Geometrien (Hohlkammern, dreischalige Wände) sinken Materialeinsatz und graue Emissionen (Heidelberg Materials, 2020, 2023). Mehr über zukünftige Baustoffe für den 3D-Druck finden Sie im Interview mit Frau Prof. Luise Göbel über das Forschungsprojekt StimuCrete.
Nachhaltigkeit: CO₂-Reduktion mit CCS und „Design-for-Less”
Beton ist CO₂-intensiv, vor allem wegen der Klinkerherstellung. Carbon-Capture-Projekte wie das Brevik-Projekt von Heidelberg Materials in Norwegen zeigen, dass Industrie-CCS heute in den Zementwerken real läuft (Video zum Bervik-Projekt). Bis zu 400.000 t CO₂/Jahr werden dort abgeschieden und über Northern Lights geologisch gespeichert. evoZero® bringt diese Logik als Produkt in den Markt (Heidelberg Materials, 2023; evoZero, 2025; FT, 2025; The Times, 2025).
Additive Fertigung kann den Materialeinsatz weiter senken: Durch lastgerechtes „Auftragen statt Ausgießen” und Hohlräume, wo sie statisch möglich sind. Damit entstehen funktionale Wandaufbauten mit weniger Masse, aber integrierbaren Dämmzonen, Installationskanälen und ggf. vorgesetzten Fassadenschalen. Die TU Dresden, Verbände und Hersteller dokumentieren diese Effekte (TU Dresden, 2023/2024).
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WeiterlesenWas kostet 3D-Druck im Bauwesen?
Die Investition in einen Großdrucker liegt grob in einer Spanne von mehreren hunderttausend Euro bis rund einer Million, plus Logistik, Pumpentechnik und Service. Wirtschaftlich wird es, wenn die Vorlage skaliert – also mehrere Gebäude mit ähnlicher Geometrie gedruckt werden. Dann zählen Rüstzeit, Lernkurveneffekte und Planungsreduktion mehrfach. In der Praxis zeigen Projekte Rohbauzeiten von Wochen statt Monaten. Solche Produktivitätshebel wurden bei industriellen Projekten wie dem Wave House bereits gut sichtbar (COBOD, 2024; COBOD, 2022).
Aber: Einzelstücke mit hoher Komplexität, vielen Einbauten und Sonderdetails verlieren Tempo im Schnittstellen-Management. Der Business Case dreht sich dann über Wiederholung (Repetition), wie z.B. bei Studentenwohnheimen, Sozialbauten, modulare Quartiere, Rechenzentren, Betriebsgebäude und Hüllen mit besonderen Geometrien. Dazu noch über Fachkräftemangel-Entlastung und ggf. über entsprechende Förderkulissen (KfN etc.). Branchennahe Stimmen und Studien verweisen hier auf das Missverhältnis zwischen Bedarf und tatsächlichen Fertigstellungen. 3D-Druck kann genau diese Skalierungslücke adressieren (DZ HYP, 2024/25; Deutscher Mieterbund/Pestel, 2025).
Warum § 20 MBO („Zustimmung im Einzelfall”) so wichtig ist für 3D-Druck im Bauwesen
Das deutsche Bauordnungsrecht ist für konventionelle Bauweisen geschrieben. Für neue Verfahren nutzt man derzeit vor allem:
- die Zustimmung im Einzelfall (ZiE) nach § 20 MBO (bzw. Landesrecht), d.h. einen projektspezifischen Verwendbarkeits-/ Anwendbarkeitsnachweis;
- die vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBG) nach § 16a, wenn komplette Bauarten abweichen (DIBt, 2022; DIBt, 2018; Bauministerkonferenz – MBO, 2024; Regierungspräsidien BW/BY/Länder-Merkblätter).
Praktisch heißt das: Für jedes 3D-Druck-Projekt müssen Tragfähigkeit, Dauerhaftigkeit, Brandschutz und Bauphysik nachgewiesen werden. Vorhandene Prüfungen können anerkannt werden, wenn sie einschlägig sind. Das ist machbar aber erfordert zusätzliche Zeit, und Zeit ist auf dem kritischen Pfad (BauNetzWissen, o. J.).
Die gute Nachricht: Es liegen inzwischen Leitfäden für additive Betone vor (DAfStb, 2024), die Verfahren, Prüfungen und Schnittstellen strukturieren. Mit jeder Wiederholung verkürzt sich der Nachweisweg. Bis 2030 ist mit Teilverregelungen bzw. EU-weiten Normbausteinen zu rechnen. In diesem Fall ist das die Eintrittskarte für echte Skalierung.
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WeiterlesenPrognose für 3D-Druck im Bauwesen 2025 → 2030
3D-Druck im Bauwesen steht in Deutschland an der Schwelle zur industriellen Durchdringung. Was heute noch Leuchtturmprojekt ist, kann bis 2030 zum Standardverfahren für serielle, nachhaltige Bauweisen werden. Zumindest wenn Normung, Genehmigung und Förderung in entsprechender Geschwindigkeit nachziehen. Setzt man die aktuellen Piloten und Fördermaßnahmen in Beziehung zur sich verändernden Normungslandschaft, ergibt sich folgende Prognose.
Um die technologische Reife und das Zukunftspotenzial des 3D-Drucks im Bauwesen fundiert einordnen zu können, bietet sich das international anerkannte Technology Readiness Level (TRL)-Modell an. Es wurde ursprünglich von der NASA entwickelt und später von der Europäischen Kommission für die Bewertung industrieller Innovationen übernommen. Das TRL-System beschreibt den Fortschritt einer Technologie entlang einer neunstufigen Skala – von der ersten wissenschaftlichen Idee (TRL 1) bis zur vollständig etablierten Marktanwendung (TRL 9). Bei der Beantragung von Forschungsförderung auf EU-Ebene ist die Verwendung des TRL-Modells standard geworden.
Erklärung der TRL-Systematik
| TRL-Stufe | Bezeichnung (EU/NASA) | Bedeutung für das Bauwesen |
|---|---|---|
| TRL 1-3 | Grundlagenforschung, Konzeptentwicklung | Machbarkeitsstudien, Labortests von Materialien |
| TRL 4-6 | Validierung in relevanter Umgebung | Pilotbauten, Versuchsanlagen, Genehmigungsprozesse |
| TRL 7-8 | Demonstration und Vorserienreife | Kommerzielle Pilotprojekte, z. B. DREIHAUS, Wave House |
| TRL 9 | Serienreife / marktfähige Technologie | Industrieller Einsatz, Standardisierung, Routineproduktion |
Für den 3D-Druck im Bauwesen ist dieser Ansatz besonders geeignet, da er die interdisziplinäre Natur der Technologie zwischen Materialwissenschaft, Automatisierung, Baupraxis und Regulierung strukturiert abbilden kann. Während sich viele Pilotprojekte bereits in der Übergangsphase zwischen Demonstration und Vorserienreife befinden, zeigen Entwicklungen wie das Heidelberger Projekt DREIHAUS oder das Wave House, dass die additive Bauweise in die Phase industrieller Anwendung eintritt. Somit befindet sich der 3D-Druck im Bauwesen in Deutschland im Übergang von Technology Readiness Level (TRL) 6 zu 8, also zwischen technischer Reife und marktfähiger Implementierung. Die folgende Abbildung ordnet die wesentlichen Dimensionen des 3D-Drucks im Bauwesen den entsprechenden TRL-Stufen zu. Sie zeigt nicht nur den aktuellen Stand im Jahr 2025, sondern auch eine realistische Prognose für das Jahr 2030 basierend auf technologischen Trends, regulatorischen Entwicklungen und wirtschaftlicher Skalierbarkeit.
Abbildung 1: Entwicklung der technologischen Reife (TRL) für den 3D-Druck im Bauwesen von 2025 bis 2030 (Prognose, eigene Synthese).
In der folgenden Tabelle möchte ich Ihnen weitere Informationen geben zu zu den betrachteten Dimensionen des 3D-Drucks im Bauwesen bezogen auf die entsprechenden TRL-Stufen. So sehen Sie, welche Bereiche bereits serienreif sind und wo noch Entwicklungs-, Normierungs- oder Akzeptanzarbeit erforderlich ist, um den 3D-Druck im Bauwesen endgültig im Baualltag zu verankern.
| Bewertungs-kategorie | 2025 – Aktueller Stand | TRL 2025 | 2030 – Prognose / Zielbild | TRL 2030 (erwartet) | Begründung / Argumentation |
|---|---|---|---|---|---|
| Technologische Reife | Serienreife in Einzelfällen (z.B. Heidelberg DREIHAUS, Wave House). Systeme sind stabil, aber noch immer stark projektspezifisch. | TRL 7-8 Systemprototyp in Betriebsum-gebung / Erste kommerzielle Anwendung | Industrielle Skalierung und modulare Drucksysteme mit standardisierten Schnittstellen; Interoperabilität mit BIM und Robotik. | TRL 9 Standardisierter Systemeinsatz | Vom Prototyp zur robusten Serienfertigung. Technologie ist marktfähig und im Routineeinsatz. |
| Wirtschaft-lichkeit | Wirtschaftlich nur bei Pilot- oder Serienprojekten mit hoher Wiederholrate. Hohe Geräte- und Genehmigungskosten. Förderungen teilweise notwendig. | TRL 5-6 Technologie in relevanter Umgebung getestet | Deutlich reduzierte Investitions- und Materialkosten durch Skalierung, standardisierte Zulassungen und Schulungen. | TRL 8-9 Vorserienreife und marktfähige Technologie | Durch zunehmende Wettbewerber, Serviceanbieter und offene Systeme sinken Preise. Damit wird Wirtschaftlichkeit in der Breite erreichbar. |
| Nachhaltigkeit | Einsatz von CCS-Zementen (evoZero®), Recycling-strategien und material-optimierte Geometrien. | TRL 6-7 Versuchsanlagen und Pilotbauten | Vollständige Integration von CO₂-armen Materialien, digitaler Materialpass, zirkuläre Wertschöpfung. | TRL 9 Serienreife und industrieller Einsatz | Nachhaltigkeit wird durch EU-Taxonomie und ESG-Berichtspflicht zentraler Treiber. |
| Rechtliche Rahmen-bedingungen | Kein verbindliches Normenwerk; Genehmigungen erfolgen per Einzelfall (§ 20 MBO ZiE / vBG). | TRL 3-4 Experimentelle Nachweise / frühe Anwendung im Feld | Teilnormierte Verfahren (DAfStb-Leitfaden, DIN-Spezifikationen), Fast-Track-Genehmigungen und BIM-gestützte Nachweisführung. | TRL 7-8 verbindliche Richtlinien und (Vor-)Normen | Gesetzgeberische Anpassungen und Erfahrungswerte ermöglichen verlässliche Rahmen-bedingungen. |
| Marktakzeptanz | Wahrnehmung als Pionier-technologie; Skepsis bei Bauaufsicht, Handwerk und Finanzierung. | TRL 4-5 Validierung in Pilotvorhaben | Etablierte Akzeptanz durch sichtbare Erfolgsprojekte, Versicherbarkeit und positive Langzeit-erfahrungen. | TRL 8 Kommerzielle Pilotprojekte | Vom „Proof of Concept” zur gesellschaftlich und wirtschaftlich akzeptierten Bauweise. |
| Skalierbarkeit | Technisch möglich, aber durch fehlende Standardisierung, hohe Rüstzeiten und Projektab-hängigkeit eingeschränkt. | TRL 5-6 Validierung in relevanter Umgebung | Vollständige Digitalisierung der Prozesskette (BIM → Druckdaten), modulare Hardware, europäische Normung, mobile Druckmodule. | TRL 9 Serienreife und industrieller Einsatz | Serienproduktion und internationale Expansion sind realistisch. |
Was jetzt passieren muss
Bis 2030 kann der 3D-Druck im Bauwesen die volle technologische Reife (TRL 9) erreichen unter der Voraussetzung dass die folgenden zentralen Stellschrauben jetzt gemeinsam bewegt werden:
- Regulatorik beschleunigen. Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) und vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen (vBG) müssen durch Fast-Track-Verfahren für wiederkehrende Druckvorlagen ersetzt werden. Ziel: Leitfäden vereinheitlichen, Vorlagen typisieren, Referenzprüfungen übertragen. So entsteht eine bessere Rechtssicherheit und Planbarkeit für Bauunternehmen.
- Fördern, wo es wirkt. Die CO₂-Einsparpotenziale des 3D-Betondrucks sind nachweislich belegbar. Daher sollten Förderprogramme den seriellen 3D-Rohbau mit CCS-Bindern gezielt fördern. Das kann ein Schlüsselinstrument für klimaneutrales Bauen werden und stärkt den Bereich des 3D-Drucks..
- Ökosystem aufbauen. Druckdienstleister, Materialhersteller, TGA-Planende und Softwarepartner müssen in regionale Innovationscluster zusammengeführt werden. Universitäten und Forschungsinstitute sollten als Test- und Schulungszentren fungieren, um Wissen, Standards und Fachkräfte noch schneller aufzubauen.
- Daten nutzen. Jedes 3D-Druckprojekt erzeugt wertvolle Prozess- und Qualitätsdaten. Diese sollten systematisch gesammelt, ausgewertet und veröffentlicht werden, um Nachweisketten zu standardisieren und Kostenkurven zu senken. Ein transparenter „Open-Science”-Ansatz beschleunigt die Marktdurchdringung und stärkt die gemeinsame Lernkurve der Branche.
- Kommunikation und Akzeptanz. Der Erfolg des 3D-Drucks hängt nicht nur von Technik, sondern von Vertrauen ab. Projektfinanzierer, Versicherer, Banken und die Öffentlichkeit müssen durch offene Baustellen, Live-Drucke und Führungen durch Referenzprojekte für die Technologie gewonnen werden.
Akzeptanz beginnt mit Verständnis und
Verständnis wächst durch Erleben.
Und nun?
Wenn wir den 3D-Druck im Bauwesen nicht als exotische Einzelmaßnahme, sondern als Serientechnologie denken, können wir in Deutschland Produktivität, Planbarkeit und CO₂-Bilanz sichtbar verbessern. Die Technologie funktioniert! Das belegen Beckum, Wave House und DREIHAUS. Der Engpass liegt vor der Düse: Genehmigungen, Standardisierung, Ausbildung.
Die gute Nachricht: Genau diese Punkte sind gestaltbar. Kommunen, Wohnungsunternehmen, Universitäten und Industrie können jetzt einen Pilot-zu-Produkt-Pfad gehen: Typen bilden, Vorlagen prüfen, Referenzprüfungen wiederverwenden, CCS-Binder einführen, Daten sammeln und öffentlich zeigen, was möglich ist.
Wenn wir das ernst meinen, ist 2030 kein ferner Traum: Serieller 3D-Rohbau als Standardoption. Nun, zwar nicht für jedes Gebäude, aber für viele der dringend benötigten Wohnungen und Zweckbauten. Deutschland hat die Forschung, die Industrie und die Projekte. Was es jetzt noch braucht ist den Willen, das Puzzle zusammenzusetzen. Und wer hier früh Kompetenzen aufbaut und Erfahrungen sammelt, wird zu den First Movern in einer neuen Bauära gehören.
Schlagwörter: 3D-Druck im Bauwesen, 3D-Betondruck, BIM und 3D-Druck, nachhaltiges Bauen, serieller Wohnungsbau, automatisiertes Bauen, Bauwirtschaft Digitalisierung, Carbon Capture im Bau, digitale Transformation, COBOD, BOD2, Zustimmung im Einzelfall
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2025). 3D-Druck im Bauwesen: Deutschland macht Tempo beim Bauen [Blog-Beitrag]. 05.11.2025.BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar
Lesen Sie den umfassenden Überblick zum Thema 3D-Druck im Bauwesen.
Quellenverzeichnis
Bauministerkonferenz. (2024). Musterbauordnung (MBO), geändert 2024. bauministerkonferenz.de
BauNetzWissen. (o. J.). Zustimmung im Einzelfall und vorhabenbezogene Bauartgenehmigung. BauNetz Wissen
COBOD. (2022). BOD2 Technical Specifications (PDF). COBOD
COBOD. (2024, Feb 29). Heidelberg inaugurates Europe’s largest 3D-printed building: The Wave House data center. COBOD
DAfStb (Deutscher Ausschuss für Stahlbeton). (2024, März). Additive Fertigung mit Beton – Leitfaden für die Planung (PDF). dafstb.de
Destatis. (2025, 23. Mai). 14,4 % weniger fertiggestellte Wohnungen im Jahr 2024 (Presse). Statistisches Bundesamt
Deutscher Mieterbund / Pestel-Institut. (2024/2025). Fakten- und Analysepapier „Konjunkturprogramm Wohnen” (PDF). Deutscher Mieterbund
DIBt – Deutsches Institut für Bautechnik. (2018). ZiE und vBG für Berlin. DIBt
DIBt – Deutsches Institut für Bautechnik. (2022, 4. April). FAQ – Das deutsche Regelungssystem (PDF). TÜV SÜD
DZ HYP. (2024/2025). Wohnimmobilienmarkt Deutschland 2024/25 (PDF). DZ HYP
evoZero (Heidelberg Materials). (2025). The world’s first carbon captured net-zero cement. Evozero
Financial Times. (2025). Norway launches full-scale industrial carbon capture project. Financial Times
Heidelberg Materials. (2020, Sep 29). HeidelbergCement supplies material for Germany’s first 3D-printed residential building. Heidelberg Materials
Heidelberg Materials. (2023, Nov 28). The future of construction: launch of evoZero®. Heidelberg Materials
Heidelberg Materials. (2025, Oct 16). Premiere for serial 3D construction printing with sustainable building materials – DREIHAUS (Press release / PDF). Heidelberg Materials
Ingenieur.de. (2025, Oct 17). Günstig, nachhaltig, schnell: 3D-Gebäudedruck geht in Serie. ingenieur.de
PERI 3D Construction. (o. J.). Einfamilienhaus in Beckum (Projektseite). PERI 3D Construction
Tagesspiegel. (2025, Feb 11). Regierung verfehlt Wohnungsbauziele erneut deutlich. Tagesspiegel
The Times. (2025). Cement maker takes concrete steps to capture CO₂ emissions. The Times
TU Dresden – Institut für Baustoffe. (2023, Nov). 5th German Industrial Seminar: Concrete 3D Printing. TU Dresden
TU Dresden – Institut für Baustoffe. (2024, Jun). 3rd German Industry Seminar on Concrete 3D Printing. TU Dresden
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Der 3D-Druck im Bauwesen beschreibt ein additives Fertigungsverfahren, bei dem Gebäude oder Bauteile schichtweise aus Beton oder anderen Materialien aufgebaut werden. Durch digitale Planungsdaten aus Building Information Modeling (BIM) steuert ein Portaldrucker oder Roboterarm den Materialauftrag präzise. Das Verfahren reduziert Schalung, Abfall und Bauzeit und gilt als Schlüsseltechnologie für die digitale Transformation der Bauwirtschaft.
3D-Druck ermöglicht schnellere Bauzeiten, geringere Materialkosten und präzisere Qualitätssicherung. Er kann Fachkräftemangel kompensieren und den ökologischen Fußabdruck durch CO₂-reduzierte Betone (z. B. evoZero®) senken. Besonders im seriellen Wohnungsbau oder bei Infrastrukturprojekten zeigt sich die wirtschaftliche Skalierbarkeit des Verfahrens.
Deutschland befindet sich 2025 auf Technology Readiness Level (TRL) 6–8: Die Technologie ist praxiserprobt, aber noch nicht flächendeckend standardisiert. Projekte wie DREIHAUS Heidelberg oder das Wave House Rechenzentrum zeigen die industrielle Einsatzfähigkeit. Bis 2030 ist eine Erreichung von TRL 9 realistisch – also der vollständigen Serienreife und Marktdurchdringung.
Aktuell erfolgen Genehmigungen über Zustimmung im Einzelfall (§ 20 MBO) oder vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBG). Diese Verfahren sind aufwendig und verlangsamen Projekte. Mit der zunehmenden Etablierung von Leitfäden (DAfStb) und europäischen DIN-Spezifikationen wird bis 2030 eine teilnormierte Regulierung erwartet, die Serienprojekte erleichtert.
Additive Bauweisen sparen bis zu 50 % Material, verkürzen Transportwege und ermöglichen die Verwendung von CO₂-neutralen Zementen mit Carbon Capture and Storage (CCS). Durch optimierte Wandgeometrien und Recyclingstrategien lassen sich Ressourcenverbrauch und graue Emissionen deutlich senken. Nachhaltigkeit ist daher einer der zentralen Treiber der 3D-Druck-Revolution im Bauwesen.
Dr.-Ing. Christian K. Karl ist Bauingenieur, Fachdidaktiker und Experte für die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Er leitet die Fachdidaktik Bautechnik an der Universität Duisburg-Essen und forscht zu BIM, Künstlicher Intelligenz, Future Skills und Resilienzbildung in der Bau- und Einsatzpraxis. Zudem ist er Vorsitzender des Richtliniengremius VDI/bS 2552 Blatt 8 zur BIM-Qualifizierung. Neben seiner akademischen Tätigkeit engagiert er sich ehrenamtlich in der DLRG sowie als Berater und Coach für digitale Transformationsprozesse. Auf BauVolution.de verbindet er wissenschaftliche Expertise mit praxisnahen Einblicken. Abseits der Forschung ist er Familienvater, Filmenthusiast, Taucher, Fallschirmspringer und Motorsport-Fan.








