Aktualisiert am 5. November 2025
Meine im folgenden geteilten Gedanken zum 3D-Druck im Bestand sind inspiriert durch einen LinkedIn-Beitrag von Marek Nemeth, der seine strategische Vision zum Thema 3D Printing in Early Future Cities teilte. Er beschrieb darin ein faszinierendes Zukunftsbild, in dem additive Fertigung zu einem zentralen Werkzeug für den schnellen, nachhaltigen und partizipativen Städtebau wird.
3D Printing in Early Future Cities
Marek zeichnete vier Entwicklungsfelder, die 3D-Druck tief in das Gefüge urbaner Räume integrieren:
- Schnelles und nachhaltiges Bauen: Modulare, bedarfsgerechte Konstruktionen, die auf Bevölkerungswachstum und Katastrophen reagieren können.
- Lokale Produktion und Wartung: Ersatzteile oder Bauteile werden direkt vor Ort gefertigt, um Lieferketten zu verkürzen und die Kreislaufwirtschaft zu stärken.
- Urbanes Design und Bürgerbeteiligung: Stadtbewohnerinnen und -bewohner gestalten Parks, Straßenzüge oder ganze Quartiere aktiv mit.
- Integration smarter Technologien: digitale Zwillinge, AR/VR und IoT-Systeme beschleunigen Planung, Simulation und Umsetzung.
Sein Fazit: Die Stadt der nahen Zukunft wird nicht nur smarter, sondern lebendig. Sie wird anpassungsfähig, ressourcenschonend und menschennah.
3D-Druck, aber bitte auch im Bestand
Dieser Gedanke hat mich inspiriert, spontan meine eigenen Überlegungen zu teilen: Wie verändert sich unsere Vorstellung von Stadtentwicklung, wenn additive Verfahren tatsächlich Teil des Alltags werden? Und vor allem: Wo liegen die realistischen Einsatzfelder jenseits idealisierter “Greenfield Cities”, also dort, wo wir nahezu “unendlich” Platz haben?
In meinem kurzen LinkedIn-Beitrag, den Sie hier im Original nachlesen können, habe ich diese Fragen aufgeworfen und aus der Perspektive der Bestandserhaltung und baulichen Transformation weitergedacht.
Der folgende Text greift diese Gedanken zum 3D-Druck im Bestand auf, ordnet sie in einen breiteren Kontext ein und stellt die vielleicht entscheidendere Frage:
Wie kann 3D-Druck in der Realität bestehender Städte wirken. Eben dort, wo wir nicht neu erschaffen können, sondern Bestehendes weiterentwickeln müssen?
Wenn ganze Städte inklusive ihrer Infrastruktur gedruckt werden können, entsteht ein völlig neues Verständnis von Stadtplanung. 3D-Druck macht urbane Lebensräume und Infrastrukturen modular, adaptiv und vor allem: sofort nutzbar. Das ist besonders relevant angesichts der akuten Wohnungsnot in vielen Regionen der Welt.
Additive Fertigung kann Bauprozesse beschleunigen, Materialkreisläufe schließen und die Bauwirtschaft nachhaltiger machen. Beispiele sind Großprojekte wie der Bau einer Siedlung mit 100 Häusern in Texas oder andere Beispiele, die in dem Beitrag 3D-Druck von Gebäuden: Potenziale und Herausforderungen zu finden sind.
Doch bei aller Faszination für futuristische “Greenfield-Cities” bleibt eben noch immer die eine entscheidende Frage: Wo haben wir überhaupt Platz für diese groß gedachten Innovationen?
In den meisten Fällen befinden wir uns längst im Kontext des Bauens im Bestand, also in der Reparatur, Modernisierung und Erneuerung unserer gebauten Umwelt. Nur selten haben wir das Privileg, völlig neue Siedlungen auf der grünen Wiese zu errichten wie sie uns in so vielen tollen You-Tube Videos gezeigt werden.
Lesen Sie auch die Prognose bis 2030 im Beitrag 3D-Druck im Bauwesen: Deutschland macht Tempo beim Bauen.
Und nun?
Vielleicht liegt die eigentliche Innovation nicht im Druck neuer Städte, sondern in der Frage, wie wir 3D-Druck-Technologien und digitale Bauprozesse in bestehende Strukturen integrieren können – und damit meine ich auch bestehende Städte.
Wie könnte ein realistischer Weg aussehen, um additive Verfahren auch in der Sanierung oder Denkmalpflege einzusetzen? Dabei fallen mir spontan drei konkrete Dinge ein:
- Wie können wir beschädigte Bauelemente wie z.B. Fassaden aus Naturstein digital rekonstruieren und dann direkt vor Ort drucken?
- Lassen sich Gebäudeteile so modular ergänzen, dass sie den aktuellen Bestand in seiner Erscheinung und Funktion nicht beeinträchtigen?
- Wie verändern sich Arbeitsprozesse und auch die Arbeitsweisen, wenn robotergestützte Systeme direkt vor Ort „Reparaturen” oder Erweiterungen drucken?
Das bedeutet, der 3D-Druck ist nicht nur als Werkzeug für die Expansion zu denken, sondern auch als ein wichtiges Werkzeug zum Erhalt unserer gebauten Umwelt. Vielleicht wird das nächste „gedruckte Haus der Zukunft” gar nicht auf der grünen Wiese stehen, sondern mitten in einer Baulücke in der Stadt oder gar als Teil eines bereits bestehenden Gebäudes. Sozusagen 3D-Druck als Teil einer adaptiven, lernfähigen und regenerativen Baukultur.
Dieser Beitrag basiert auf meinem LinkedIn-Post. Diskutieren Sie mit: Wie könnte ein realistischer Weg für additive Verfahren in der Bestandserhaltung aussehen?
Lesen Sie den umfassenden Überblick zum Thema 3D-Druck im Bauwesen.
Schlagwörter: 3D-Druck, Bauwesen, Digitale Transformation, Nachhaltigkeit, Architektur, Innovation, Greenfield Cities
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2025). 3D-Druck und Bestand: Wie additive Verfahren unsere Städte wirklich verändern könnten [Blog-Beitrag]. 28.10.2025. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
3D-Druck kann im Gebäudebestand genutzt werden, um beschädigte oder fehlende Bauteile direkt vor Ort nachzuproduzieren. Digitale Scans ermöglichen die millimetergenaue Reproduktion historischer Elemente oder die Ergänzung modularer Komponenten, ohne den Bestand zu beeinträchtigen. Damit wird Bauen im Bestand schneller, präziser und nachhaltiger.
Additive Verfahren erlauben es, filigrane Strukturen oder Ornamentdetails exakt zu rekonstruieren, ohne das Originalmaterial zu gefährden. Zudem können reversible Bauteile gedruckt werden, die sich bei Bedarf wieder entfernen lassen – ein großer Gewinn für den Erhalt historischer Substanz.
Weil der Neubauanteil in Europa stetig sinkt, während Sanierung und Modernisierung zunehmen. Der 3D-Druck kann helfen, den enormen Sanierungsbedarf zu decken, Material zu sparen und die Bauprozesse zu beschleunigen – insbesondere in Innenstädten mit wenig Platz und hohen Anforderungen an Nachhaltigkeit.
Zu den größten Herausforderungen zählen die Anpassung an unregelmäßige Geometrien, die Sicherstellung der Haftung neuer Materialien auf alten Untergründen und die Integration in bestehende Planungsprozesse. Zudem fehlen häufig standardisierte Prüfverfahren und Normen für die Qualitätssicherung.
Der 3D-Druck wird künftig nicht nur für Neubauten, sondern auch für die Sanierung, Anpassung und Erweiterung bestehender Gebäude eingesetzt werden. Langfristig könnten hybride Bauprozesse entstehen, bei denen Menschen und Maschinen gemeinsam adaptive, ressourcenschonende Bauwerke schaffen – sowohl im Bestand als auch auf neuen Flächen.
Dr.-Ing. Christian K. Karl ist Bauingenieur, Fachdidaktiker und Experte für die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Er leitet die Fachdidaktik Bautechnik an der Universität Duisburg-Essen und forscht zu BIM, Künstlicher Intelligenz, Future Skills und Resilienzbildung in der Bau- und Einsatzpraxis. Zudem ist er Vorsitzender des Richtliniengremius VDI/bS 2552 Blatt 8 zur BIM-Qualifizierung. Neben seiner akademischen Tätigkeit engagiert er sich ehrenamtlich in der DLRG sowie als Berater und Coach für digitale Transformationsprozesse. Auf BauVolution.de verbindet er wissenschaftliche Expertise mit praxisnahen Einblicken. Abseits der Forschung ist er Familienvater, Filmenthusiast, Taucher, Fallschirmspringer und Motorsport-Fan.


