Was haben Iron Man, Ripley aus „Aliens“ und Bauarbeiter gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig – doch sie alle nutzen Exoskelette, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Was in Science-Fiction-Filmen spektakulär aussieht, wird auf Baustellen zunehmend Realität. Exoskelette im Bauwesen unterstützen menschliche Kraft, verbessern die Ergonomie und könnten die Branche für immer verändern. Zum Themenbereich Robotik haben Sie hier bereits einige Beiträge und Interviews gelesen (Beiträge zu Robotik), doch heute wollen wir uns im 100sten Beitrag von BauVolution dem Bereich der Exoskelette im Bauwesen nähern.
Film trifft Realität: Exoskelette in der Popkultur
Während meines Studiums war ich nicht nur Bauarbeiter, Ernährungsberater, Softwareentwickler, technischer Mitarbeiter oder wissenschaftliche Hilfskraft. Ich habe auch als Filmvorführer gearbeitet – ein Job, der meine Liebe zu Science-Fiction und Superheldenfilmen ideal ergänzte. Besonders faszinierend finde ich jene Helden, deren Superkräfte auf Technologie beruhen, was beispielsweise bei einem Exoskelett der Fall ist.
Das erste bekannte Auftreten einer gewissen Form von Exoskelett in einem Film ist wahrscheinlich zu sehen in Fritz Langs wegweisendem Science-Fiction-Klassiker “Metropolis” aus dem Jahr 1927. In diesem Film wird eine futuristische Stadt dargestellt, in welcher die Gesellschaft in zwei Klassen geteilt ist: die Arbeiterklasse und die herrschende Klasse. Obwohl “Metropolis” nicht ein Exoskelett zeigt wie wir es heute in Bezug auf tragbare, mechanische Unterstützungsstrukturen verstehen, präsentiert der Film dennoch eine zentrale Idee: Eine Maschine, die als “Maschinenmensch” bekannt ist, eine Art Roboter oder Android, der das Aussehen eines Menschen nachahmen kann.
Von daher sehe ich den “Maschinenmensch” in “Metropolis” schon als eine Art Vorläufer der Idee Mensch und Maschine zu verschmelzen, da er die Fähigkeit besitzt, menschliche Form und Funktionen zu erweitern. Allerdings ist er zugegebenermaßen schon mehr ein Beispiel für frühe Konzepte von Robotern und Androiden als für Exoskelette, wie wir sie heute verstehen. Also mehr ein Cyborg. Eine Weiterführung in diese Richtung ist zweifellos auch der Film mit Peter Weller in der Rolle von Officer Alex J. Murphy, der nach seinem abrupten Ableben als RoboCop im gleichnamigen Film 1987 (in den USA) bzw. 1988 (in Deutschland) in einem Detroit der Zukunft für Recht und Ordnung gesorgt hat.
Der “Power Loader” – War das der Beginn einer neuen Ära?
Das Konzept von Exoskeletten, wie wir sie in der heutigen Popkultur kennen, wurde in späteren Filmen erst richtig populär. Ein frühes Beispiel eines solchen Exoskeletts in einem Film ist der “Power Loader”, den Sigourney Weavers Charakter Ellen Ripley im Film “Aliens” von 1986 benutzt, um gegen die Alien-Königin zu kämpfen (Details zum Power Loader).

Obwohl es vor “Aliens” ähnliche Konzepte gab, bleibt der “Power Loader” meiner Ansicht nach eines der ikonischsten Beispiele für ein Exoskelett in der Filmgeschichte.
Exoskelett in Filmen
Wie gesagt, was mich fasziniert ist die Tatsache, dass in Filmen Figuren gezeigt werden, dessen Fähigkeiten durch Technologie erweitert wird. Also ohne genetische Mutation oder diffuse Superkräfte – wobei das auch spannende und unterhaltsame Filme sind. Vieleicht erinnern Sie sich an einen der folgenden Filme. Wenn nicht, dann ist das eventuell eine nützliche Liste für die nächsten Filmabende ;-).
Filme mit Exoskeletten
- Sigourney Weaver als Ellen Louise Ripley im “Power Loader” („Aliens – Die Rückkehr“, 1986)
- Iron Man aus dem Marvel Comic “Tales of Suspense” von 1962, später im Film “Iron Man” von 2008 bekannt geworden und vorzüglich gespielt von Robert Downey Jr. in der Rolle des exzentrischen Tony Stark – Und womit? Mit Recht! :-). An dieser Stelle meine große Verehrung und Dank an Stan Lee für die Schaffung eines so phantastischen Universums!
- Der Character James Rhodes als War Machine, erstmalig erschienen 1979, später im MCU gespielt von Terrence Howard (der aus verschiedenen Gründen nicht mehr dabei ist).
- Matt Damon als Max Da Costa im Film „Elysium“ von 2013. Max Da Costa erhält im Film ein Gehirnimplantat und Cyborgerweiterungen in Form eines Exoskeletts.
- Die Jaeger-Piloten im Film „Pacific Rim“ von 2013. Die Jaeger sind humanoide Kampfroboter und werden von zwei Piloten im Kopf des jeweiligen Jaegers gesteuert. Die Piloten sind untereinander und mit dem Jaeger über eine neuronale Schnittstelle verbunden. Sozusagen der “Next Level Power Loader”.
- Der Iron-Spider Anzug im Film “Spider-Man: Homecoming” von 2017. Der Iron-Spider Anzug wurde von Tony Stark entworfen und gebaut. Er wurde zwar Peter Parker alias Spiderman präsentiert mit dem Angebot ein Avenger zu werden, doch zu dem Zeitpunkt lehnte Peter ab (mehr dazu siehe marvel-filme.fandom).
Ich könnte jetzt so weiter machen, aber ich denke, der Punkt ist klar. Diese filmischen Darstellungen waren einst fantastische Visionen, sind aber heute längst keine reine Fiktion mehr. Doch bevor wir uns weiter vertiefen, schauen wir uns kurz an, was genau ein Exoskelett ist, welche Typen es gibt und woraus es grundsätzlich besteht.
Was ist ein Exoskelett?
Ein Exoskelett ist ein tragbares System, das den Körper unterstützen und entlasten soll. Insbesondere in körperlich fordernden Berufen.
Ein Exoskelett (von griechisch “exo” für außen und “skeletos” für Skelett) ist eine äußere mechanische Stützstruktur. Sie dient zur Stabilisierung, zum Schutz und zur Unterstützung der Muskeln, um die Bewegung zu unterstützen oder zu erweitern.
Exoskelette im Bauwesen bieten hierbei neue Perspektiven auf Ergonomie, Gesundheitsschutz und Produktivität. Zum Beispiel beim Heben schwerer Lasten, bei Überkopfarbeiten oder bei sich wiederholenden Bewegungen. Wie bei vielen Innovationen kommen auch solche Systeme ursprünglich aus dem Militär, aber auch aus der Reha-Medizin (Antwi-Afari et al., 2021). Wie z.B. die mechanische Armprothese meiner Mutter in den 80ern. Die Bedienung und Funktion faszinierte zwar aber das Gewicht war alles andere als praxistauglich. Zu dem Zeitpunkt war diese Prothese noch nicht wirklich durchdacht.
Exoskelette für militärische Zwecke
Die ersten praktischen Forschungsansätze zu Exoskeletten begannen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wie gesagt, vor allem im militärischen Bereich, wo die Notwendigkeit bestand, die physische Belastbarkeit von Soldaten zu erhöhen.
Das HARDIMAN-Projekt
Bereits in den 1960er-Jahren forschte das US-Militär an tragbaren Unterstützungssystemen, etwa im Rahmen des Hardiman-Projekts (1965–1971), das erstmals ein mechanisches Exoskelett für den menschlichen Einsatz entwarf. Ziel war es, Soldaten das einfache Heben von Lasten zu ermöglichen. Technische Steuerungsprobleme und sein enormes Eigengewicht (ca. 680 kg) führten letztlich zur Einstellung des Projekts.

Wenn wir uns den Prototypen anschauen, können wir leicht erahnen, woher wahrscheinlich die Inspiration für den “Power-Loader” kam. 🙂
Das BLEEX-Projekt
Später entwickelte das UC Berkeley Robotics & Human Engineering Laboratory mit einer Förderung von DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) mit dem BLEEX (Berkeley Lower Extremity Exoskeleton) einen weiteren Prototyp, der es Soldaten ermöglichen sollte, schwere Lasten (120 lbs/54,4 kg) über längere Distanzen zu transportieren, ohne ihre Mobilität zu beeinträchtigen (siehe Pressemeldung vom 03. März 2004). Bei der aktuellen Entwicklung kann eine Testperson sogar 75 kg tragen ohne spürbare Mehrbelastung.

Das FORTIOS-System
Parallel zu staatlich geförderten Programmen wurden auch kommerzielle Exoskelette unter militärischen Bedingungen entwickelt. Ein Beispiel ist das Lockheed Martin Fortis-System, das in Zusammenarbeit mit der US Navy in Werften eingesetzt wurde. Ziel war es, schwere Werkzeuge (bis ca. 36 lbs/16 kg) über längere Zeit zu führen, ohne Ermüdung zu verursachen. Die Tests ergaben signifikante Produktivitätssteigerungen (Lockheed Martin, 2014).
ExoBoot
Das US Army Research Laboratory führte auch Untersuchungen zu adaptiven Exoskelett-Stiefeln durch. Diese sind auch bekannt unter dem Begriff „ExoBoot“. Das Prinzip ist, dass sich die Stiefel durch Software gesteuerte Bewegungsanpassung synchron an Kopf‑, Muskel‑ und Bewegungsmuster des Soldaten anpassen. Sensoren und Machine-Learning-Algorithmen analysieren laufend Muskel- und Gangparameter, um automatische Unterstützung am Sprunggelenk zu leisten. Getestet wurden bis zu 20 Probanden im Feld unter realen Bedingungen mit schwerer Ausrüstung (DEVCOM Public Affairs Office, 2021).
SABER Exosuit
Aktuelle Projekte der US Army konzentrieren sich zunehmend auf leichte, nicht-motorisierte Systeme wie das sogenannte Soldier Assistive Bionic Exosuit for Resupply (SABER) Exosuit, das Soldatinnen und Soldaten insbesondere bei logistischen Aufgaben wie dem Tragen schwerer Ausrüstung entlasten soll (DEVCOM Public Affairs Office, 2022). Im Jahr 2022 hat die US Army gemeinsam mit der Vanderbilt University das System bereits mit über 100 Soldaten getestet (Marinov, 2022).
Das ExoLog Projekt
Gefördert durch das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr (WIWeB), evaluierte das Projekt ExoLog zusammen mit Fraunhofer IPA und FKIE verschiedene Exoskelettkonzepte sowohl für Ober- als auch Unterkörperunterstützung. Getestet wurde in mobilen Logistikeinheiten, ortsfesten Einrichtungen sowie beim Spezialpionierregiment 164. Ziel war es, physische Leistungsfähigkeit im Einsatz zu erhalten oder zu steigern (siehe Projektwebseite von ExoLog).

Im Rahmen der multinationalen Übung „Air Defender 23“ testete das Pionierregiment Exoskelette, welche die Rückenarbeit beim Aufbau eines Feldtanklagers erleichtern sollten. Erste Ergebnisse zeigten eine spürbare Entlastung im unteren Rückenbereich. Und das bei normaler Fahrzeugbedienbarkeit und Mobilität der Soldaten (Brandstetter, 2023).
Im März 2023 intensivierte das Kommando Heer (KdoH) die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer FKIE. Die Kooperation umfasst unter anderen Themenfelder wie „Wearable Robotics“ (siehe dieser Beitrag).
Typen von Exoskeletten
Obgleich erste Entwicklungen, wie das HARDIMAN Exoskelett, auf den ganzen Körper abzielen, haben wir bereits gesehen, dass Exoskelette auch nur Teilbereiche des Körpers unterstützen können. In diesem Kontext lassen sich Exoskelette beispielsweise nach Halim et al. (2023) in verschiedene Kategorien einteilen, abhängig von der Funktion und dem Teil des Körpers, den sie unterstützen:
- Ganzkörper-Exoskelette: Entwickelt, um den gesamten Körper zu unterstützen und zu verstärken, oft verwendet in Industrie und Militär.
- Teilkörper-Exoskelette: Fokussieren sich auf spezifische Körperteile wie Arme, Beine oder den unteren Rücken. Sie finden Anwendung in Bereichen, die repetitive Bewegungen erfordern oder eine Entlastung bestimmter Körperteile notwendig machen.
- Rehabilitations-Exoskelette: Speziell für therapeutische Zwecke entwickelt, um Patienten bei der Wiedererlangung der Bewegungsfähigkeit zu unterstützen, z.B. nach einem Schlaganfall oder einer Rückenmarksverletzung.
Technologische Grundlagen im Überblick
In den 1960er Jahren zeigten die ersten Prototypen, dass tragbare Robotersysteme in der Tat Menschen bei einer Vielzahl von Aufgaben unterstützen können. Die frühen Modelle dieser Zeit waren jedoch ziemlich schwer, unpraktisch und benötigten eine externe Energiequelle, was ihre Mobilität und Anwendbarkeit einschränkte.
Durch den Fortschritt in der Mikroelektronik, der Materialwissenschaft und der Robotik sind Exoskelette immer praktikabler geworden. Im Zuge dessen wurden jedoch auch die Komponenten vielfältiger. Ein modernes Exoskelett besteht aus einem Strukturrahmen aus leichten Materialien wie Karbon oder Aluminium. Zu den Schlüsseltechnologien gehören:
- Aktuatoren: Sie bilden die “Muskeln” des Exoskeletts und können elektrisch, pneumatisch oder hydraulisch sein. Ihre Aufgabe ist es, Bewegung zu erzeugen und zu unterstützen.
- Sensoren: Sie erfassen Bewegungen, Kräfte und manchmal auch physiologische Signale der Nutzenden, um eine intuitive Steuerung und Anpassung des Systems an die menschliche Bewegung zu ermöglichen.
- Steuereinheiten: Mikroprozessoren und Softwarealgorithmen verarbeiten die Sensorinformationen und steuern die Aktuatoren entsprechend, um die gewünschten Bewegungen und Unterstützungen zu erzielen.
- Energiespeicher: Batterien versorgen das System mit Energie, wobei der Fokus auf der Maximierung der Laufzeit und Minimierung des Gewichts liegt (meist Lithium-Ionen-Batterien).
Die Summe dieser Elemente ermöglicht eine ergonomische, adaptive Unterstützung in realen Arbeitsumgebungen (Afolabi et al., 2024). Weitere Details zu den einzelnen Bestandteilen und Komponenten lesen Sie in im zweiten Teil zu diesem Beitrag.
Beispiele für Exoskelette im Bauwesen
Über die Jahre haben sich Exoskelette erheblich weiterentwickelt und finden nun auch ihren Weg ins Bauwesen (Ojha et al., 2024). Heutige Exoskelette sind leichter, effizienter und können autonom betrieben werden, wodurch sie für den alltäglichen Gebrauch im Bauwesen durchaus nützlich geworden sind. Und nach und nach werden solche Exoskelett auch im Bauwesen die Ergonomie und Sicherheit verbessern (Wijesinghe et al., 2024). Nach Okunola et al. (2023) kann davon ausgegangen werden, dass durch die Verwendung von Exoskelette im Bauwesen vor allem die Muskelermüdung, die körperliche Belastung und das Risiko für arbeitsbedingte Erkrankungen deutlich reduziert werden kann. Damit haben Exoskelette im Bauwesen ein hohes Potenzial, das Arbeitsumfeld sicherer und effizienter zu gestalten.
EksoVest von Ekso Bionics: Muskelunterstützung für Überkopfarbeiten
Das Unternehmen Ekso Bionics zählt zu den Pionieren im Bereich moderner Exoskelett-Technologie. Die Geburtsstätte war hier übrigens auch das UC Berkeley Robotics & Human Engineering Laboratory der University of California, Berkeley. Mit dem EksoVest hat es ein tragbares, passives Oberkörper-Exoskelett entwickelt, das speziell für die Anforderungen im Bauwesen konzipiert wurde. Ziel dieses Systems ist es, die körperliche Belastung bei Tätigkeiten über Kopf signifikant zu reduzieren – etwa bei der Installation von Deckenelementen, dem Verlegen von Kabeltrassen oder dem Montieren von Rohrleitungen.
Das EksoVest funktioniert ohne externe Stromzufuhr und unterstützt die Armbewegungen des Trägers mechanisch. Dabei entlastet es gezielt Schultern, Nacken und oberen Rücken, indem es einen Teil des Armgewichts abfängt und auf den Oberkörper ableitet. Das bedeutet: weniger Muskelermüdung und ein geringeres Risiko für langfristige Überlastungsschäden.
In der Praxis wird das EksoVest bereits in Kooperation mit verschiedenen Bauunternehmen eingesetzt. Insbesondere bei Projekten, die wiederkehrende Überkopfarbeiten über längere Zeiträume erfordern.
Hilti: Das Exo-S für rückenfreundliches Arbeiten
In einer innovativen Partnerschaft haben Hilti, bekannt für professionelle Bautechnik, und Ottobock, ein führender Anbieter medizinischer Exoskelette, das Exo 01 entwickelt (siehe hier). Dieses tragbare Assistenzsystem wurde gezielt für das Bauwesen konzipiert und bietet eine wirksame Entlastung beim Heben und Tragen schwerer Materialien.
Dieses Exoskelett wurde weiterentwickelt zum Exo-S und ist besonders leicht, flexibel einstellbar und auf den unteren Rückenbereich des Trägers ausgerichtet. Es wirkt dort, wo viele Beschäftigte im Baugewerbe die größten körperlichen Belastungen erfahren: beim häufigen Bücken, Heben und Tragen. Indem das System die Wirbelsäule stabilisiert und die Hebekraft unterstützt, kann es die Muskelbeanspruchung deutlich reduzieren und so Rückenbeschwerden sowie berufsbedingten Verletzungen effektiv vorbeugen.
Zum Einsatz kommt das Exo-S insbesondere bei Tätigkeiten mit hohem Wiederholungsfaktor, etwa beim Materialtransport auf der Baustelle oder bei Montagearbeiten auf Kniehöhe. Die enge Zusammenarbeit von Hilti und Ottobock vereint dabei technologische Innovationskraft mit medizinischer Expertise und zeigt, wie interdisziplinäre Kooperationen zu praxistauglichen Lösungen führen können.
SuitX: Modularer Schutz für Rücken, Knie und Schultern
Das US-amerikanische Unternehmen SuitX hat sich auf modulare Exoskelett-Systeme spezialisiert, die gezielt auf verschiedene Körperbereiche abgestimmt werden können. Mit seinem Ansatz richtet sich SuitX unter anderem an die Bauwirtschaft und bietet dort praxisnahe Unterstützung für Tätigkeiten, die körperlich besonders belastend sind. SuitX ging ursprünglich auch aus dem UC Berkeley Robotics & Human Engineering Laboratory der University of California, Berkeley, hervor. Partner ist hier Ottobock (siehe hier).
Im Mittelpunkt steht ein modulares Exoskelett-Konzept, das sich individuell an die Anforderungen des jeweiligen Einsatzbereichs anpassen lässt. Ob Rücken, Knie oder Schultern. Die einzelnen Module können je nach Tätigkeit kombiniert werden, um gezielt die Körperregionen zu entlasten, die im Arbeitsalltag besonders beansprucht werden. So lässt sich etwa bei Maurerarbeiten der untere Rücken stabilisieren, während bei Maler- oder Installationsarbeiten über Kopf die Schultergelenke mechanisch unterstützt werden.
Die Systeme von SuitX zeichnet sich durch hohe Bewegungsfreiheit, geringes Gewicht und eine einfache Handhabung aus. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo es auf ergonomisches Arbeiten ohne Einschränkung ankommt: beim Tragen von Werkzeugen, bei Montagearbeiten oder beim Umgang mit schweren Baumaterialien. SuitX zeigt mit seinem flexiblen Systemansatz, dass Exoskelette nicht als Einheitslösungen gedacht werden müssen, sondern individuell an den Menschen und die Aufgabe angepasst werden können.
Robo-Mate: Intelligente Exoskelett-Assistenz
Robo-Mate ist ein europäisches Forschungsprojekt im Bereich der tragbaren Assistenzsysteme. Ziel des internationalen Konsortiums, in welchem auch das Frauenhofer IAO beteiligt ist, war die Entwicklung eines intelligenten Exoskeletts, das speziell für manuelle Handhabungsaufgaben in Industrie und Bauwesen konzipiert wurde (siehe hier).
Das Robo-Mate-Exoskelett entlastet gezielt Rücken, Schultern und Arme bei schweren Hebe- und Tragetätigkeiten. Es nutzt eine Kombination aus biomechanischer Unterstützung und intelligenter Steuerung, um die Muskelkraft des Trägers zu ergänzen, Ermüdung zu verringern und gleichzeitig präzise Bewegungen zu ermöglichen. Das System wurde so gestaltet, dass es sich intuitiv an die natürlichen Bewegungsabläufe des Menschen anpasst – ganz ohne komplizierte Einstellungen oder starre Strukturen. Wenn man sich Robo-Mate anschaut, erinnert es etwas an das Lockheed Martin Fortis-System.
Bemerkenswert ist der kooperative Charakter des Projekts: Unter Federführung der Fraunhofer-Gesellschaft arbeiteten zahlreiche europäische Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen, um Robo-Mate zur marktreifen Lösung zu entwickeln. Der Einsatz ist vor allem in Bereichen vorgesehen, in denen regelmäßig schwere Objekte bewegt werden müssen – etwa auf Rohbaustellen, bei der Materiallogistik oder in Fertigungshallen.
Robo-Mate zeigt, wie aus Forschung greifbare Entlastung für die Praxis entstehen kann und wie technologische Assistenz den Arbeitsalltag im Bauwesen grundlegend verbessern kann.
Superkräfte jetzt auch für alle
Auch wenn Exoskelette lange Zeit nur in hochspezialisierten Bereichen wie Militär, Medizin oder Industrie im Einsatz waren bringt das Unternehmen Hypershell diese Technologie auch in den Alltag.
Hypershell X – das erste Outdoor-Exoskelett für den zivilen Einsatz
Hypershell ist ein innovationsgetriebenes Unternehmen mit Sitz in Shanghai. Mit seiner erfolgreichen Kickstarter-Kampagne 2023 und über 1,2 Millionen US-Dollar an Unterstützungsbeiträgen hat es den Marktzugang geschafft. 2025 wurde das Hypershell X auf der CES in Las Vegas zudem mit einem Innovationspreis im Bereich Robotik ausgezeichnet (siehe PR Newswire). Die offizielle Website www.hypershell.tech bietet umfassende Informationen. Einen Überblick gibt die nachfolgende Tabelle.
Modelle, Preise und Funktionen von Hypershell X im Überblick
Modell | Preis (EU) | Hauptfunktionen |
Go X | 999,- Euro | 6 Bewegungsmodi, 0,5 PS, , 2 kg, Akkureichweite 15 km, IP54-zertifiziert, robust bis –10 °C |
Pro X | 1.199,- Euro | 10 Bewegungsmodi, 1 PS, 2 kg, Akkureichweite bis 17,5 km, IP54-zertifiziert, robust bis –20 °C |
Carbon X | 1.799,- Euro | Hochleistung, nur 1,8 kg, Carbonstruktur, IP54-zertifiziert, robust bis –20 °C |
Im Lieferumfang enthalten sind mindestens ein Akku sowie ein AeroFlex-Tragesystem. Optional sind Schnellladegeräte, Ersatzakkus und Komfortzubehör erhältlich. Hypershell liefert weltweit, bietet 12 Monate Garantie und kostenlosen Versand innerhalb von 2 bis 10 Werktagen.
Ist Hypershell X relevant für Exoskelette im Bauwesen?
Die Entwicklungen rund um das Hypershell X markieren einen Meilenstein: Exoskelette werden leichter, intelligenter und für neue Einsatzbereiche sogar zunehmend erschwinglich. Was heute beim Wandern oder Radfahren helfen soll, kann morgen auf der Baustelle wertvolle Unterstützung leisten. Denkbar ist der Einsatz bei Transportaufgaben, beim Tragen schwerer Materialien oder zur Entlastung bei wiederholenden Bewegungen.
Exoskelette wie das Hypershell X könnten im Bauwesen nicht nur die körperliche Belastung reduzieren, sondern auch zur Prävention von Arbeitsausfällen beitragen. Die oben genannten Modelle zeigen, wie nahe wir dieser Vision bereits sind.
Das folgende Video vermittelt einen ausführlichen Eindruck vom Hypershell X. Es zeigt die Funktionen, den Tragekomfort und den Nutzen bei verschiedenen Aktivitäten.
Next Level: Exoskelette als Schnittstelle zur virtuellen Welt
Während Projekte wie Exo S, SuitX und Robo-Mate den Fokus auf körperliche Entlastung bei Hebe- und Tragearbeiten legen, gehen die Gedanken von Entwicklern noch weiter: Exoskelette mit haptischem Feedback.
Im Jahr 2018 hat das niederländische Start-up Senseglove auf den VR Days in Amsterdam ihre erste Entwicklerversion eines solchen Handschuhs vorgestellt.
Doch bereits zwei Jahre früher (2016) hat Contact CI auf der E3 ihr Konzept eines haptischen Handschuhs vorgestellt (siehe hier oder im Video hier). Die aktuelle Version wird unter dem Namen Maestro EP (Multi-Force Ergonomic Haptics) Handschuh angeboten. Dieser kombiniert Exoskelett-Technik mit feinfühliger taktiler Rückmeldung. Entwickelt für den Einsatz in VR- und AR-Umgebungen, erlaubt der Handschuh seinen Nutzerinnen und Nutzern, virtuelle Objekte nicht nur zu sehen, sondern sie auch realistisch zu fühlen.
Wie das möglich ist? Die verbauten Aktuatoren simulieren Widerstand, Oberflächenbeschaffenheit oder Druck. Ein solche Technologie kann beispielweise für die Ausbildung oder die Ausführung im Bauwesen neue Möglichkeiten eröffnet.
Diese Entwicklung zeigt: Exoskelette sind nicht nur Werkzeuge zur physischen Unterstützung, sondern werden in Zukunft auch als Schnittstelle zwischen Mensch und digitaler Welt dienen. Ich finde, dass das ein spannender Ausblick auf künftige Anwendungsszenarien in Planung, Ausbildung und Umsetzung im Bauwesen ist.
Und nun?
Was lernen wir aus all dem? Exoskelette im Bauwesen sind mehr als nur technische Spielereien oder filmische Requisiten. Sie stehen exemplarisch für eine technologische Entwicklung, die den Menschen nicht ersetzt, sondern ihn unterstützt. Und das besonders dort, wo körperliche Arbeit ihre Grenzen erreicht. Das Bauwesen, traditionell geprägt von Muskelkraft, Wiederholung und Belastung, könnte durch diese Technologien einen tiefgreifenden Wandel erleben und damit auch an Attraktivität als Arbeitsfeld gewinnen.
Was einst Tony Stark mit dem Mark I in einer Höhle zusammengebaut hat, wird heute in Forschungslaboren, auf Militärbasen und zunehmend auch auf Baustellen weiterentwickelt. Die Parallelen sind mehr als symbolisch: In beiden Fällen geht es um die Frage, wie Technik menschliche Fähigkeiten erweitern kann und nicht darum sie zu ersetzen. Es geht darum zu verbessern. Während Iron Man oder der neue Captain America fliegen können (man kann von der Entwicklung im MCU halten was man will), geht es auf der Baustelle ganz bodenständig darum, Überkopfarbeiten ergonomischer zu gestalten oder schwere Lasten rückenschonend zu heben.
Wenn wir über Digitalisierung und Automatisierung sprechen, vergessen wir oft, dass nicht jeder Arbeitsschritt durch Maschinen ersetzt werden kann oder sollte. Gerade im Bauwesen, das von situativer Intelligenz, handwerklichem Können und spontaner Problemlösung lebt, sind Assistenzsysteme wie Exoskelette besonders wertvoll. Sie greifen unterstützend ein, ohne den Menschen zu entmündigen. Exoskelette sind Werkzeuge für eine menschengerechte Zukunft.
Wie wird es weitergehen mit Exoskelette im Bauwesen?
Noch sind Exoskelette im Bauwesen noch nicht in der Breite angekommen. Vor allem die hohen Anschaffungskosten bremsen die Durchdringung im Markt. Doch der Nutzen, sowohl für die Gesundheit der Beschäftigten als auch für die Effizienz von Prozessen , ist längst belegt. Der Weg in die Fläche ist noch lang – aber er wird sich lohnen. Was uns jedoch noch fehlt sind klare Strategien für die Integration einer solchen Technologie in die Arbeitsrealität von morgen.
In Zukunft könnten Exoskelette nicht nur physisch entlasten, sondern über Sensorik, Datenanalysen und Vernetzung aktiv zum Wissensaufbau beitragen. Beispielsweise durch Rückmeldungen zur Arbeitshaltung, Bewegungsmustern oder ergonomischen Risiken. Damit würden sie zu einem Baustein einer „intelligenten Baustelle“, die nicht nur Gebäude erschafft, sondern auch stetig aus ihren eigenen Prozessen lernt. Und auch die Nutzenden gesund hält. Exoskelette werden Teil einer lernenden Baustelle.
Im nächsten Teil lesen Sie mehr über die Technik von Exoskeletten und die einzelnen Bestandteile und Komponenten.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Beitrag Nr. 100 auf BauVolution und gleichzeitig mein heutiges Geburtsgeschenk an mich selbst 🙂
Quellenverzeichnis
Afolabi, A., Yusuf, A., & Akanmu, A. (2024). Human-in-the-loop digital twin framework for ergonomics of exoskeletons in construction. J. Inf. Technol. Constr., 29, 1083–1102. online verfügbar
Brandstetter, J. (2023). Bundeswehr erprobt Exoskelette. Behörden Spiegel. 11. April. online verfügbar
DEVCOM Public Affairs Office (2022). Army, academia collaborate on exoskeleton to reduce Soldier injuries. Army.mil. August 17. online verfügbar
DEVCOM Public Affairs Office (2021). Army study looks at how exoskeleton tech adapts to Soldiers. Army.mil. April 20. online verfügbar
Halim, I., Mahadzir, M. N. I., Abdullah, Z., Abidin, M. Z. Z., Muhammad, M. N., & Saptari, A. (2023). A review on ergonomics factors determining working in harmony with exoskeletons. November 2023. online verfügbar
Lockheed Martin. (2014, August 25). Fortis exoskeletons tested for U.S. Navy SEALs. Designboom. online verfügbar
Marinov, B. (2022). SABER Brings Mass Adoption Of Military Exoskeletons One Step Closer To Reality. Forbes. Aug. 16. online verfügbar
Ojha, A., Gautam, Y., Jebelli, H., & Akanmu, A. (2024). Physiological impact of powered back-support exoskeletons in construction. Automation in Construction. online verfügbar
Wijesinghe, S. M. N. B., Wijerathna, M. R. D. P., Ranadewa, K., & Parameswaran, A. (2024). Exoskeleton for health and safety in construction workers: a literature review. 17th International Research Conference – FARU 2024. online verfügbar
Schlagwörter: Exoskelette, Bauwesen, digitale Transformation, Robotik, Zukunft der Arbeit, Iron Man, ergonomisches Arbeiten, Baustelle der Zukunft, tragbare Robotik, technische Assistenzsysteme, Innovation
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2025). Von Superhelden zum Bauwesen – Exoskelette in Film und Realität [Blog-Beitrag]. 20.06.2025. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Science-Fiction-Filme wie "Iron Man" oder "Elysium" haben die Vorstellungskraft für Exoskelette geschärft. Ihre Darstellung zeigt die Vision körperlicher Verstärkung, die mittlerweile in realen Assistenzsystemen auf der Baustelle Gestalt annimmt.
Die Idee von Exoskeletten wurde stark durch Science-Fiction-Filme wie Aliens, Iron Man oder Elysium geprägt. Erste praktische Umsetzungen stammen aus dem militärischen und medizinischen Bereich und wurden inzwischen für industrielle und bauliche Anwendungen weiterentwickelt.
Aktuell werden verschiedene Systeme im Bauwesen getestet und eingesetzt, darunter das EksoVest von Ekso Bionics für Überkopfarbeiten, das Exo-Jacket von Hilti & Ottobock für den unteren Rücken sowie modulare Lösungen von SuitX und das intelligente System Robo-Mate aus einem europäischen Forschungsprojekt.
Exoskelette verbessern die Arbeitssicherheit, reduzieren körperliche Belastungen und steigern die Produktivität. Sie ermöglichen längeres, ermüdungsfreieres Arbeiten und können helfen, Ausfallzeiten durch Überlastung zu verringern.
Sie entlasten, schützen und verbessern die Arbeitsbedingungen und machen Berufe im Bau attraktiver und gesünder.