Smart Home im Neubau: Wie vernetzte Systeme die Digitalisierung der Bauwirtschaft vorantreiben

Smart Home im Neubau, ist das was anderes als im Bestand? Technologisch vieleicht nicht unbedingt. Vom Prozess her jedoch schon. Die digitale Transformation verändert nicht nur die Planungs- und Bauprozesse, sondern auch das, was am Ende entsteht: unsere Wohnräume. Smart Home Systeme sind längst keine Spielerei mehr – sie entwickeln sich zum festen Bestandteil moderner Bauprojekte. Bereits im Beitrag Smart Home für Einsteiger: Worauf Sie achten sollten habe ich Ihnen dieses Thema etwas näher gebracht. In Zeiten von Building Information Modeling (BIM), digitalem Facility Management und nachhaltigem Bauen spielen Smart Home Systeme jedoch eine noch bedeutendere Rolle. Und das sowohl für Planende, Architekturbüros und Projektentwickler als auch für Betreiber. Für sie eröffnen sich durch Smart Home neue Chancen – in Planung und Betrieb.

Planung neu gedacht: Smart Home im Neubau trifft BIM

Was früher mit einfach gezeichneten Leitungs- und Steckdosenplänen begann, wird heute von Anfang an – teilweise mit dem Kunden gemeinsam – in Echtzeit geplant und simuliert. Durch Anwendung der BIM-Methode (siehe auch Building Information Modeling: Herausforderungen und Chancen) lassen sich bereits in der Entwurfsphase:

  • Sensoren und Aktoren virtuell platzieren,
  • Smart-Home-Komponenten mit der Haustechnik vernetzen,
  • Kosten und Wartungsaufwände simulieren und optimieren.

Vorteil für die Bauwirtschaft: Prozesse im gesamten Lebenszyklus werden vorausschauender, präziser und kundenorientierter. Durch eine solche vorausschauende Planung werden Kosequenzen eher sichtbar und die Entscheidungsoptionen validiert.

Smart Home im Neubau: Die Rolle vernetzter Technik

Die Digitalisierung der Bauwirtschaft bringt immer mehr Systeme in Einklang. Von Heizungs- und Lüftungssteuerung über Lichtmanagement bis hin zur Überwachung und Sicherheit. Smart Home Systeme agieren dabei als Schnittstelle zwischen den Nutzenden und dem Gebäude und liefern damit wertvolle Daten und Informationen über Nutzung, Energieverbrauch und Wartungsbedarf.

Daten versus Informationen [klicken für mehr …]

Die Begriffe Daten und Informationen werden oft verwechselt oder als Synonyme verwendet. Tatsächlich gibt es aber einen klaren Unterschied:

Daten sind rohe, unverarbeitete Fakten, Zahlen und Beobachtungen – quasi die kleinsten Bausteine, aus denen schließlich Wissen entstehen kann (Wissen kommt nach Information, das führt aber hier zu weit). Für sich allein genommen sind Daten bedeutungslos oder zumindest schwer interpretierbar. Man könnte Daten mit einzelnen Puzzleteilen vergleichen: Jedes Teil hat zwar seine eigene Form und Farbe, doch ohne das gesamte Bild ergibt es wenig Sinn.

Informationen hingegen entstehen, wenn Daten verarbeitet, organisiert und in einen Kontext gesetzt werden. Dabei gewinnen die zuvor unzusammenhängenden Fakten Bedeutung und Aussagekraft. Das bedeutet, wir setzen die Puzzleteile zusammen und sehen nun das vollständige Bild. Jetzt erkennen wir Zusammenhänge und Muster – und erhalten Einsichten, die konkrete Fragen beantworten und Entscheidungen ermöglichen.

Ein Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie sehen die Zahlen „13, 15, 22, 24, 23“. Das sind bloße Daten – ohne Kontext. Wenn Sie jedoch wissen, dass diese Zahlen die Temperaturen der letzten vier Tage in Ihrer Heimatstadt sind und die letzte Zahl die Vorhersage für morgen ist, werden sie zu Informationen. Nun haben Sie eine Grundlage, um zu entscheiden, ob Sie morgen eine Jacke mitnehmen sollten oder nicht.

Kurz gesagt: Daten sind die Zutaten – Informationen sind das fertige Gericht. Es geht also nicht bloß darum, Zahlen darzustellen, sondern darum, aus ihnen etwas Sinnvolles und Nützliches zu schaffen, das uns dabei hilft, unsere Welt besser zu verstehen und informierte Entscheidungen zu treffen.

Beispielhafte Systeme für Smart Home:

  • Bosch Smart Home (für ZigBee-basierte Geräte, Philips Hue, Amazon Alexa, Google Assistant)
  • Home Assistant (für über 1000 Geräte, ZigBee, Z-Wave, MQTT, KNX und andere Protokolle)
  • Homematic IP (für Homematic IP-Geräte, Alexa, Google Assistant, Apple HomeKit – teilweise über Drittanbieter)
  • openHAB (für ZigBee, Z-Wave, MQTT, KNX, Philips Hue, Amazon Alexa, Google Assistant, Apple HomeKit, über 1000 Geräte und Protokolle, siehe auch der Beitrag OpenHAB 4.2 – Neue Funktionen für Ihr Smart Home)

Eine umfangreiche Zusammenstellung von Systemen mit weiteren Hintergründen finden Sie im Beitrag Smart Home – 14 Systeme im Vergleich.

Solche Systeme sind nicht nur in Bestandgebäuden sinnvoll. Sie ermöglichen auch in Neubauten eine nahtlose Integration von verschiedenen technologischen Komponenten und werden damit zunehmend zu einem Qualitätsmerkmal für moderne, effiziente Bauten.

Data Mining: Smart Home als Schlüssel im Gebäudebetrieb

Nach Fertigstellung endet die Digitalisierung nicht – sie beginnt gerade erst. Über Smart Home Systeme lassen sich Gebäude auch im Betrieb optimieren.

Durch Smart Home Systeme können umfangreiche Datenbestände erfasst werden. DIese bieten die Möglichkeit des Data-Minings, was eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten bereitstellen kann. Angefangen vom Energieeffizienzmonitoring über das Predictive Maintenance und die nutzerbasierte Steuerung von Licht, Klima & Sicherheit. All das führt schließlich zur fundierten Entscheidungsfindung und hilft bei der Optimierung des Bauwerks als auch der Geschäftsprozesse.

Was ist Data-Mining? [klicken für mehr …]

Data-Mining bezieht sich auf den Prozess der automatischen oder halbautomatischen Entdeckung von Mustern, Trends und Erkenntnissen in großen Datensätzen. Basis dafür sind z.B. erfasste Datensätze mit Hilfe von Sensorik (IoT-Elemente).

Lesen Sie mehr zu Data-Mining im Beitrag Data-Mining in der Immobilienwirtschaft – Von Daten zu Einsichten.

Für Bauherren und Investoren bieten sich durch die Kombination von Smart Home Systemen mit Data-Mining neue Services und Geschäftsmodelle, etwa im digitalen Zwilling eines Gebäudes.

Standardisierung, Datenschutz, Fachkräftemangel

Trotz der Möglichkeiten die uns Smart Home Systeme bieten, stellt uns die Integration mit anderen Methoden und Prozessen aktuell vor Herausforderungen. Ein zentrales Problem stellt die fehlende Standardisierung dar, insbesondere in Bezug auf Schnittstellen – sowohl bei Smart Home-Systemen als auch bei der Anwendung der BIM-Methode. Wenn wir digital vernetzte Gebäudesysteme erschaffen möchten, müssen verschiedenste digitale Systeme wie Heizungs-, Licht- oder Sicherheitstechnik miteinander kommunizieren. Gleichzeitig fordert die BIM-Methode eine nahtlose Integration aller relevanten Daten aus Planung, Ausführung und Betrieb. Das schließt auch ein, dass bereits in der frühen Phase Daten oder zumindest Platzhalter für Daten von Smart Home Systemen in den Modellen bzw. Datenumgebunden vorhanden sein müssen.

Die Realität zeigt jedoch, dass es häufig an kompatiblen Schnittstellen fehlt, um Smart Home-Technologien sinnvoll mit den im BIM-Modell hinterlegten Informationen zu verknüpfen. Mit meinem Kollegen Ioannis Brilakis haben wir das bereits in einem gemeinsamen Forschungsvorhaben in Bezug auf Energiedaten und -simulation nachgewiesen (Lesen Sie auch das Interview mit Ioannis Brilakis zur Digitalen Transformation und der Zukunft der Bauwirtschaft). Solche Schnittstellenprobleme erschweren nicht nur die effiziente Steuerung technischer Gebäudeausrüstung, sondern auch die ganzheitliche Betrachtung eines Bauwerks über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

Weitere Details zu Real-Time Daten und BIM finden Sie im Interview Miguel Ebbers über BIM und Real-Time Daten.

Ein weiterer Aspekt, den es zu betrachten gilt ist mitlerweile ein Klassiker: Es ist der sensible Bereich des Datenschutzes, der gerade bei vernetzten Systemen immer eine große Rolle spielt. Die Sorge um die Sicherheit von Informationen und der Schutz personenbezogener Daten bremst zwar vielerorts die Einführung digitaler Lösungen, dient aber schlußendlich dem Schutz des Einzelnen. Dennoch ist es eine Gratwanderung zwischen Innovationsermöglichung und individuellem Schutzbedürfnis.

Zusätzlich verschärft der Fachkräftemangel die Situation: Es mangelt an qualifiziertem Personal, das sowohl die technischen Anforderungen versteht als auch die digitalen Werkzeuge effektiv einsetzen kann. Kompetenzlücken bei Planern und Ausführenden behindern die Umsetzung innovativer Ansätze. Vor allem die Aus- und Weiterbildung im Handwerk muss sich solcher Technologien annehmen, denn sie bieten nicht nur ein spannendes Tätigkeitsfeld sondern ebnen auch einen neuen Weg für innovative Geschäftsmodelle, in denen beispielweise ein Elektrobetrieb nicht mehr nur die Planung und Installation durchführt, sondern auch als langfristiger Datenprovider fungieren kann. Das Handwerk kann gerade in der digitalen Transformation als “Last on Site” (LOS, zu deutsch: Letzter auf der Baustelle) zukünftig eine besondere Schlüsselrolle einnehmen. Die Möglichkeiten sind aktuell grenzenlos – doch haben bislang nicht viele davon mitbekommen.

Generell gilt:

Eine nachhaltige Integration digitaler Technologien in der Bau- und Immobilienwirtschaft erfordert nicht nur moderne Technik, sondern auch fundiertes Wissen, interdisziplinäre Kooperation und eine gezielte Weiterbildung über Gewerke und Zuständigkeiten hinweg.

Smart Building wird langfristig zum Standard

Die Eine oder der Andere werden sich jetzt wahrscheinlich fragen: “Damit hab’ ich ja nichts zu tun. Das ist alles Zukunftsmusik”. Ich muss Ihnen sagen – da liegen Sie falsch! Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht vor einem Wendepunkt. Smart Home Systeme werden vom Extra zur Standardanforderung – besonders in den Bereichen Wohn- und Bürobau wie auch beim betreuten Wohnen.

Und der Wandel geht noch weiter: Vom einfachen Smart Home System zum Smart Building. Smart Building wird langfristig zum neuen Standard und verändert die Art und Weise, wie Gebäude geplant, gebaut und betrieben werden. Bis hin zur Entwicklung von komplexen Smart Cities (lesen Sie dazu Smart Cities und die Auswirkungen auf unsere Lebensqualität).

Die Integration von Smart Home im Neubau – und das bereits im Planungs- und Bauprozess – ist ein strategischer Schlüssel zur umfassenden Digitalisierung der Branche. Sie ermöglicht eine bessere Vernetzung von Gewerken, eine effizientere Ressourcennutzung sowie einen wichtigen Beitrag zu Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Wer heute in smarte Gebäude investiert, schafft nicht nur zukunftssicheren Wohn- und Arbeitsraum, sondern positioniert sich auch als Treiber der digitalen Transformation im Bauwesen.

Und nun?

Die Digitalisierung der Bauwirtschaft zeigt sich nicht nur in neuen Methoden oder Software, sondern auch im Ergebnis: vernetzte, intelligente Gebäude. Smart Home Systeme sind dabei nicht bloß Spielerei, sondern ein wesentlicher, integraler Bestandteil zukunftsfähiger Architektur und Planung. Smart Home ist mehr als Technik – es ist Teil der digitalen Bauzukunft.

Abschließend möchte ich noch betonen, dass die Digitalisierung ein weites Feld ist. Viele Akteure tummeln sich dort bereits, aber gerade das Handwerk scheint noch immer zögerlich zu sein. Die neuen Aufstiegsfortbildungen „Bachelor Professional für Energieeffizienz und digitales Bauprojektmanagement (EDiB)“ und „Geprüfte*r Berufsspezialist*in für BIM im Handwerk“ sollen das ändern. Schauen Sie da mal rein. Wir haben uns mit allen Partnern im InnoVET Projekt ProNet Handwerk sehr viel Mühe gegeben Sie mit diesen Fortbildungen Fit für die Zukunft zu machen 🙂 .

Schlüsselwörter: Smart Home im Neubau, digitale Transformation, PropTech,  Building Information Modeling, BIM, Real-Time Daten, Real-Time Data, Digitalisierung, Facility Management, Smart City

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Smart Home im Neubau: Wie vernetzte Systeme die Digitalisierung der Bauwirtschaft vorantreiben [Blog-Beitrag]. 28.03.2025. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar