Internet of Behaviors: Verhaltensdaten in der Bauwirtschaft

Das Konzept des Internet of Behaviors (IoB) ist eine faszinierende Weiterentwicklung des Internet of Things (IoT), bei der die Verhaltenswissenschaften in den Mittelpunkt rücken. Während IoT Geräte vernetzt, um Daten zu sammeln und zu analysieren, zielt IoB darauf ab, menschliches Verhalten durch die Analyse dieser Daten besser zu verstehen und gezielt zu beeinflussen.

In der Bauwirtschaft öffnen diese Technologien Türen zu innovativen Ansätzen: IoB könnte in Zukunft dabei helfen, die Sicherheit, Effizienz und Produktivität auf Baustellen weiter zu verbessern. Doch wie funktioniert das genau? Welche konkreten Beispiele gibt es? Und welche Herausforderungen gilt es dabei zu meistern? Schauen wir mal rein.

Aktuelle Entwicklungen beim Internet of Behaviors

Die Integration von IoB in der Bauwirtschaft nimmt zunehmend Fahrt auf, insbesondere durch den Einsatz von Wearables und intelligenten Sensoren, die Daten in Echtzeit erfassen. Einige der spannendsten Entwicklungen sind:

  1. Echtzeitüberwachung von Arbeitnehmenden: Sensorbasierte Geräte, wie intelligente Helme oder Schutzwesten, erfassen Vitalparameter wie Herzfrequenz oder Körpertemperatur. Bei auffälligen Werten wird eine Warnung gesendet, um rechtzeitig Pausen oder Änderungen im Arbeitsplan einzuleiten. Beispiel: Guardhat, ein Helm mit Sensoren, die Unfälle und gesundheitliche Probleme in Echtzeit erkennen (Ghosh et al., 2020). Weiteres zu dieser Idee habe ich bereits im Beitrag Autonome Baumaschinen und Roboter: Sicherheit im Fokus geschrieben.
  2. Wearables für die Baustellenlogistik: Einige Unternehmen setzen GPS-Tracker ein, um Material- und Personalbewegungen auf Baustellen in Echtzeit zu analysieren (Zhao et al., 2023). Die so gewonnenen Daten verbessern die Planung und reduzieren Zeitverluste.
  3. Zugangskontrolle und Gefahrenzonen: Tragbare Geräte können Warnungen ausgeben, wenn sich Arbeitnehmende gefährlichen Bereichen nähern. Diese Technologie trägt dazu bei, Sicherheitsprotokolle konsequenter umzusetzen (Meng et al., 2022).
  4. Effizienzsteigerung durch Prozessüberwachung: Die Analyse von Bewegungsmustern oder Arbeitsschritten hilft dabei, Prozesse auf Baustellen zu optimieren, Leerlaufzeiten zu minimieren und Ressourcen effizienter zu nutzen (Shishehgarkhaneh et al., 2022).
  5. Integration von KI in IoB-Systeme: Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz ermöglichen es, IoB-Systeme weiterzuentwickeln. So können KI-Algorithmen Verhaltensmuster erkennen, die auf Risiken hindeuten, und proaktiv Empfehlungen geben, um Unfälle zu verhindern (Ghosh et al., 2020). Ein Beispiel ist der Einsatz von Predictive Analytics in Kombination mit Sensorik.
  6. Digitaler Zwilling in der Bauwirtschaft: Die Kombination von IoB mit digitalen Zwillingen wird zunehmend populär. Unternehmen integrieren Sensorik und Kameratechnologie, um eine vollständige virtuelle Abbildung von Bauprojekten zu schaffen, die Echtzeitinformationen zu Fortschritten und Ressourcen bereitstellt (Shishehgarkhaneh et al., 2022). Eine solches Unternehmen ist das deutsche Start-Up Bredic Systems GmbH.
  7. IoB und Nachhaltigkeit: Fortschrittliche IoB-Systeme analysieren nicht nur Arbeitsverhalten, sondern helfen auch dabei, nachhaltige Praktiken zu fördern. Beispielsweise können Materialien effizienter genutzt und Abfall minimiert werden, indem IoB-Daten in die Planung einfließen.

Darüber hinaus entstehen durch die Verknüpfung von IoT- und IoB-Technologien immer leistungsfähigere datengesteuerte Systeme, die sowohl Sicherheit als auch Produktivität auf ein neues Niveau heben können. Diese Anwendungsbeispiele zeigen, dass IoB nicht nur zur Unfallvermeidung, sondern auch zur Produktivitätssteigerung beiträgt.

Potenziale von Internet of Behaviors in der Bauwirtschaft

Die Vorteile des IoB in der Bauwirtschaft sind umfangreich und bieten vielfältige Potenziale:

  1. Erhöhte Sicherheit auf Baustellen: Durch die Echtzeitüberwachung von Vitalparametern und Bewegungsmustern können Risiken frühzeitig erkannt und Unfälle verhindert werden. Das schafft nicht nur ein sichereres Arbeitsumfeld, sondern reduziert auch die Ausfallzeiten durch Verletzungen.
  2. Optimierung der Ressourcenplanung: Die Analyse von Verhaltensdaten ermöglicht eine präzisere Planung von Material- und Personalressourcen. Beispielsweise können dadurch Baustellen effizienter organisiert und unnötige Standzeiten minimiert werden.
  3. Langfristige Verhaltensänderungen: IoB trägt dazu bei, das Sicherheitsbewusstsein bei jedem Einzelnen langfristig zu fördern. Beispielsweise könnten wiederholte Warnungen in gefährlichen Zonen die Aufmerksamkeit der Arbeitenden schärfen und damit das Verhalten langfristig verbessern.
  4. Kosteneinsparungen durch Prävention: Durch die Vermeidung von Unfällen und die Optimierung von Arbeitsprozessen können Unternehmen erhebliche Kosten einsparen. Dies gilt nicht nur für Kosten aus Projektverzögerungen, sondern auch für Kosten medizinischer Behandlungen, was schließlich auch den Krankenkassen und somit der Gesellschaft nutzt.
  5. Echtzeit-Datenanalyse für fundierte Entscheidungen: Unternehmen erhalten durch IoB Zugang zu detaillierten Daten, die ihnen helfen, fundiertere Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise könnten Bauleitende durch die Analyse von Bewegungsmustern erkennen, wo Prozesse verbessert oder zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind.
  6. Steigerung der Produktivität: Dank optimierter Arbeitsabläufe und effizienter Nutzung von Ressourcen können Projekte schneller abgeschlossen werden. Die Überwachung von Arbeitsabläufen in Echtzeit ermöglicht es, Engpässe frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
  7. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Unternehmen, die IoB-Technologien einsetzen, positionieren sich als Vorreiter in der Branche. Sie können nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch ihr Engagement für die Sicherheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden unter Beweis stellen. Das bedienet auch der Schauseite und vermittelt ein positives Bild sowohl vom Unternehmen als auch von der Branche im Ganzen.
  8. Verbesserte Transparenz und Kommunikation: Durch die Integration von IoB-Systemen können Bauleitende und Projektbeteiligte besser zusammenarbeiten. Die Echtzeitübertragung von Verhaltensdaten fördert die Transparenz und erleichtert die Kommunikation zwischen verschiedenen Teams.
  9. Nachhaltigkeit fördern: Durch die effiziente Nutzung von Ressourcen und die Vermeidung von Materialverschwendung trägt IoB auch zur Nachhaltigkeit bei. Das ist insbesondere in Zeiten steigender Rohstoffpreise und wachsender Umweltanforderungen ein großer Vorteil.

Neben den o.g. Punkten gibt es sicherlich noch weitere positive Aspekte, die für die Anwendung von IoB sprechen. Demgegenüber gibt es natürlich auch die andere Seite der Medaille. Deren Kenntnis ist insofern wichtig, um Maßnahmen zu ergreifen, die Hemmisse und Barrieren minimierung sofern wir uns entscheiden IoB als Bestandteil in unseren Arbeitsprozessen einzubeziehen.

Herausforderungen und Perspektiven

Trotz der vielversprechenden Potenziale gibt es auch Herausforderungen, die bei der Implementierung von IoB-Technologien berücksichtigt werden müssen:

  1. Datenschutz und Akzeptanz: Die Erhebung persönlicher Daten erfordert klare Richtlinien, um die Privatsphäre der Mitarbeitenden zu wahren. Unternehmen müssen transparent kommunizieren, um damit Vertrauen aufzubauen. Das schließt regelmäßige Schulungen und Informationskampagnen ein, um Missverständnisse zu vermeiden.
  2. Technologische Infrastruktur: Die Verarbeitung großer Datenmengen setzt leistungsfähige IT-Systeme und Cloud-Lösungen voraus. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Infrastruktur skalierbar und zukunftssicher ist, um mit wachsenden Anforderungen Schritt zu halten.
  3. Kosten für Implementierung: Die Anschaffung und Integration neuer Technologien kann kostspielig sein und erfordert eine strategische Planung. Langfristige Kosten-Nutzen-Analysen helfen, die Investitionen zu rechtfertigen und Prioritäten zu setzen.
  4. Regulatorische Barrieren in Europa: In Europa erschweren streng ausgelegte Datenschutzrichtlinien wie die DSGVO die schnelle Umsetzung von IoB-Technologien. Unternehmen müssen innovative Wege finden, diese Vorschriften einzuhalten und gleichzeitig Effizienz und Innovation zu fördern.
  5. Technologische Infrastruktur: Die Verarbeitung großer Datenmengen setzt leistungsfähige IT-Systeme und Cloud-Lösungen voraus.
  6. Kosten für Implementierung: Die Anschaffung und Integration neuer Technologien kann kostspielig sein und erfordert eine strategische Planung.Kritische Perspektive: Hemmnisse in Deutschland und Europa
  7. Akzeptanz der Mitarbeitenden: IoB-Technologien könnten von Mitarbeitern als invasiv empfunden werden, was Widerstände hervorrufen kann. Unternehmen sollten frühzeitig in den Dialog mit den Mitarbeitern treten, um Sorgen und Bedenken anzusprechen und die Vorteile der Technologien hervorzuheben.

Hemmnisse in Deutschland und Europa beim Internet of Behaviors

Während in anderen Teilen der Welt wie den USA oder Asien innovative Technologien rasch umgesetzt werden, steht Europa oft vor besonderen Herausforderungen. Meiner Meinung nach behindern wir uns in Deutschland und Europa durch zu starke Reglementierung und zu strikt ausgelegte Datenschutzrichtlinien oft selbst. Diese Regeln, obwohl wichtig, führen häufig dazu, dass Unternehmen länger brauchen, um Innovationen zu implementieren, und dadurch im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl Innovation als auch Datenschutz berücksichtigt, wäre notwendig, um diese Hürden zu überwinden und Europas Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Transformation zu stärken.

Trotz dieser Hürden bleibt das Internet of Behaviors eine der kommenden Schlüsseltechnologien, welche die Bauwirtschaft grundlegend wandeln könnte. Pilotprojekte und gezielte Investitionen in Forschung und Entwicklung sind daher unausweichlich, um den Weg für IoB weiter zu ebnen.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Im Folgenden stelle ich Ihnen 7 Handlungsempfehlungen vor, mit denen Unternehmen die ersten Schritte initiieren können.

  1. Pilotprojekte starten: Beginnen Sie mit kleinen, überschaubaren Pilotprojekten, um IoB-Technologien auszuprobioeren und zu testen, um die Technologie zu verstehen und die Wirkung zu evaluieren. Beispielsweise könnte ein Projekt auf einer Baustelle durchgeführt werden, bei dem in einem eingegrenzten Rahmen intelligente Helme eingesetzt werden, um die Sicherheit zu verbessern.
  2. Mitarbeitende einbeziehen und schulen: Veranstalten Sie Workshops oder Schulungen, um Mitarbeitenden die Vorteile von IoB zu erklären. Sorgen Sie dafür, dass sie die Technologie nicht als Kontrollinstrument, sondern als Unterstützung für ihre Sicherheit und Produktivität verstehen. Eine solche offene Kommunikation fördert das Verständnis und die Akzeptanz der neuen Technologie.
  3. Kooperationen aufbauen: Suchen Sie nach Partnerschaften mit spezialisierten Technologieanbietern, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Zusammenarbeit mit Universitäten oder Forschungsinstituten kann ebenfalls wertvolle Einblicke liefern und erste prototypische Anwendungsfälle liefern.
  4. Technologische Infrastruktur stärken: Investieren Sie in eine IT-Infrastruktur, die in der Lage ist, große Datenmengen effizient zu verarbeiten. Dazu gehören Cloud-basierte Systeme, Datenübermittlungstechniken und leistungsstarke Datenanalyse-Tools.
  5. Erfolg messen und iterativ verbessern: Legen Sie klare KPIs (Key Performance Indicators) fest, um den Erfolg Ihrer IoB-Pilotprojekte messbar zu machen. Nutzen Sie die gewonnenen Erkenntnisse, um Prozesse kontinuierlich zu optimieren.
  6. Anwendungsbereiche schrittweise erweitern: Beginnen Sie mit spezifischen Anwendungen, z. B. Erfassung der Sicherheit, und weiten Sie die Nutzung von IoB schrittweise auf andere Bereiche wie Effizienzsteigerung oder Logistik aus.
  7. Datenschutz berücksichtigen: Arbeiten Sie mit Datenschutzexperten zusammen, um sicherzustellen, dass alle Anwendungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Entwickeln Sie transparente Richtlinien und informieren Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig über den Umgang mit Daten, um Mißtrauen abzubauen. Beachten Sie: Klare Richtlinien und Einhaltung der Datenschutzgesetze sind notwendig, um Vertrauen aufzubauen und den Vorschriften zu genügen. Dennoch sollte der Datenschutz nicht (immer) als das “Totschlagkriterium” vorweg geschickt werden.

Und nun?

Das Internet of Behaviors bietet für die Bauwirtschaft enorme Chancen, die Sicherheit zu erhöhen, Arbeitsabläufe noch weiter zu optimieren und langfristig Kosten zu senken und Ressourcen zu sparen. Dennoch bedarf es Mut und Engagement, diese Technologien gezielt einzusetzen. Unternehmen, die IoB frühzeitig integrieren, werden sich nicht nur Wettbewerbsvorteile sichern, sondern auch eine moderne, sichere und effiziente Arbeitsumgebung schaffen.

Es ist Zeit, sich zu IoB zu informieren und erste Schritte zu unternehmen um es in der Praxis umzusetzen. Nutzen Sie bestehende Lösungen und gehen Sie in Kommunikation mit Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen um Ihre Baustellen langfristig zu verbessern. Schritt für Schritt, mit klaren Zielen und innovativen Ideen. Denn wie sagt schon Bob der Baumeister: Yo! Wir schaffen das! 🙂

Quellenverzeichnis

Ghosh, A., Edwards, D., & Hosseini, M. (2020). Patterns and trends in Internet of Things (IoT) research: future applications in the construction industry. Engineering, Construction and Architectural Management. online verfügbar

Meng, Q., Peng, Q., Li, Z., & Hu, X. (2022). Big Data Technology in Construction Safety Management: Application Status, Trend and Challenge. Buildingsonline verfügbar

Shishehgarkhaneh, M., Keivani, A., Moehler, R., Jelodari, N., & Laleh, S. (2022). Internet of Things (IoT), Building Information Modeling (BIM), and Digital Twin in Construction Industry: A Review, Bibliometric, and Network Analysis. Buildingsonline verfügbar

Zhao, Y., Hao, S., Chen, Z., Zhou, X., Zhang, L., & Guo, Z. (2023). Critical factors influencing the internet of things technology adoption behavior of construction companies: evidence from China. Engineering, Construction and Architectural Managementonline verfügbar

Schlüsselwörter: Internet of Behaviors, IoB, Bauwirtschaft, IoT, Sicherheit, Echtzeitdaten, Verhaltensanalyse

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2025). Internet of Behaviors: Verhaltensdaten in der Bauwirtschaft [Blog-Beitrag]. 10.01.2025. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar