Behind Digitalization: Konrad Zuse, Wegbereiter der digitalen Welt

Was wäre unsere heutige Welt ohne Computer? Die Grundlagen für diese digitale Revolution wurden von visionären Pionieren geschaffen, welche die Möglichkeiten von Technologie erkannten, lange bevor sie zum Alltag wurden. Einer von ihnen ist Konrad Zuse, ein Ingenieur und Erfinder, der nicht nur den ersten programmierbaren Computer entwickelte, sondern auch die Basis für Computeranwendungen in der Bauwirtschaft legte.

Ausbildung und beruflicher Hintergrund von Konrad Zuse

Konrad Zuse – mit vollständigem Namen Konrad Ernst Otto Zuse – wurde am 22. Juni 1910 in Berlin geboren. Er zeigte früh einen Faible für Technik. Nach dem Abitur entschied er sich zunächst für ein Maschinenbaustudium, wechselte jedoch bald zur Architektur und schließlich zum Bauingenieurwesen. 1935 schloss er sein Studium an der Technischen Hochschule Berlin ab und begann seine berufliche Laufbahn als Statiker bei den Henschel Flugzeugwerken.

Hier kam Zuse zum ersten Mal mit den Herausforderungen der Ingenieurarbeit in Berührung: umfangreiche Berechnungen, die nicht nur zeitraubend, sondern auch fehleranfällig waren. Seine Erfahrungen in der Praxis weckten den Wunsch, einen Weg zu finden, diese Prozesse zu vereinfachen. Was als praktisches Bedürfnis begann, sollte sich bald zu einer der bedeutendsten technischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts entwickeln.

Verbindung zur Bauwirtschaft

Konrad Zuses Weg als Bauingenieur war mehr als nur der Startpunkt seiner Karriere – er prägte die Visionen, die später zur Entwicklung des modernen Computers führten. Als Statiker war Zuse täglich mit komplexen Berechnungen konfrontiert, die für Bauingenieure in ähnlicher Form bei Tragwerksplanungen, statischen Analysen und Konstruktionen von Bauwerken anfallen. Damals wurden diese Berechnungen per Hand durchgeführt, ein langwieriger und auch zum Teil nicht ganz fehlerfreier Prozess. Die Eine oder der Andere von Ihnen wird sicherlich auch seine Erfahungen mit dem Cremonaplan, dem Culmann-Verfahren, dem Seileckverfahren, Kani oder den Ritterschnitt gemacht haben. Im Bauingenieurstudium natürlich nicht zu vergessen das Kraftgrößenverfahren und das Weggrößenverfahren. Oder Sie haben sich vieleicht den Satz von Clapeyron oder den Satz von Maxwell und Betti zu nutze gemacht. Wer das durchgenmacht hat, kann mit Sicherheit den von Konrad Zuse zugesprochenen Satz bestätigen: “Ich bin zu faul zum Rechnen” (siehe hier).

Zuses Vision

Konrad Zuse erkannte das enorme Potenzial, Ingenieurinnen und Ingenieuren durch Automatisierung mehr Zeit für kreative und gestalterische Aufgaben zu verschaffen. Das motivierte ihn, eine Rechenmaschine zu entwickeln, die in der Lage war, diese repetitiven Aufgaben effizient und fehlerfrei auszuführen. Seine Arbeit stand damit nicht nur im Kontext der allgemeinen technischen Entwicklung, sondern war direkt darauf ausgerichtet, die Bauwirtschaft voranzubringen.

Ein besonders spannender Aspekt seiner Verbindung zur Bauwirtschaft zeigt sich in der Bedeutung seiner Maschinen für die späteren Technologien wie CAD (Computer-Aided Design). Während Konrad Zuse selbst nie CAD nutzte, schuf er mit seinen Computern die Voraussetzungen für eine Revolution in der Planung und Konstruktion von Bauwerken. Diese Technologien haben heute einen festen Platz in der Bauwelt, von der Entwurfsplanung bis zur Bauausführung.

Sein Verständnis als Bauingenieur beeinflusste nicht nur seine Erfindungen, sondern machte ihn auch zu einem Visionär, der das Potenzial der Digitalisierung für die Bauwirtschaft schon in einer Zeit erkannte, als der Begriff “Digitalisierung” noch nicht in dieser Form existierte.

Wegbereiter für die digitale Transformation

Konrad Zuse war ein Visionär, der die Grundpfeiler der digitalen Welt legte. Seine bahnbrechende Erfindung, die Z3, der weltweit erste programmgesteuerte und frei programmierbare Computer, wurde 1941 fertiggestellt und stellte einen revolutionären Schritt dar. Die ersten Versuche mit der Z1 und Z2 waren wegen mechanischer Probleme noch unausgereift. Am 30. Januar 1944 wurden die Z1 und ihre Originalpläne zusammen mit der Wohnung seiner Eltern und vielen Nachbargebäuden bei einem britischen Luftangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört (Spode, 1994). Bis zur legendären Z3 dauerte es noch und dazwischen entwickelte Zuse noch andere Gerätschaften, wie z.B. die S1 und die S2.

Mit der Z3 Maschine brachte Konrad Zuse erstmals die Idee wirklich zum Leben, komplexe Berechnungen maschinell durchzuführen – eine Idee, die nicht nur die Informatik, sondern auch die Bau- und Ingenieurwissenschaften grundlegend veränderte (Zuse, 2008).

Replica of the Zuse Z3 in the Deutsches Museum in MunichGermany, Author
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Die Z3 war jedoch nur der Anfang. Zuse erkannte früh die Möglichkeiten, die sich aus der Verbindung von Informatik und der Praxis ergeben. Besonders für die Bauwirtschaft, in der präzise Berechnungen und detaillierte Planungen eine zentrale Rolle spielen, bot seine Erfindung eine Lösung für eines der größten Probleme seiner Zeit: den Zeitaufwand und die Fehleranfälligkeit manueller Berechnungen (Kurrer, 2010). Am Ende des Beitrags finden Sie ein Video zur Z3 von Konrad Zuse im Deutschen Museum.

Plankalkül

Seine Erfindungen hörten jedoch nicht bei der Hardware auf. Mit seinem „Plankalkül“ (entwickelt zwischen 1942 und 1945), einer der ersten Programmiersprachen, schuf Zuse die Grundlage für das, was wir heute als Softwareentwicklung verstehen. Die prozedurale Programmiersprache Plankalkül hatte bereits vieles was das Entwicklerherz begehrt: Zuweisungen, Funktionsaufrufe, bedingte Anweisungen, Schleifen, Gleitkommaarithmetik, Feldvariablen (Arrays), zusammengesetzte Datentypen und weitere Merkmale. Diese Vision, komplexe Abläufe in einfache Anweisungen zu zerlegen, spiegelte seinen besonderen Ingenieurgeist wider (Petrocelli, 2017). Plankalkül beeinflusste auch weitere Programmiersprachen wie z.B. Superplan und ALGOL 58, wobei sich Zuse sehr enttäuscht darüber zeigte, dass die Erntwickler von ALGOL 58 nicht zu ihm refernziert haben (siehe hier). Wer sich für eine Zeitlinie der Programmiersprachen interessiert, der sei auf diese Webseite verwiesen.

Graphomat Z64

Ein weiterer Meilenstein war der Graphomat Z64, ein automatischer Zeichentisch, den Zuse in den 1960er-Jahren entwickelte (siehe Bild unten). Diese Maschine, ein Vorläufer moderner CAD-Systeme, machte es möglich, Zeichnungen und Pläne direkt aus digitalen Daten erstellen zu lassen (J. Röder, Rojas & Nguyen, 2013).

Automatisches Zeichengeraet ZUSE Z64, Photograph by Tomasz Sienicki (Own work), no changes made, this file is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Unported license.

Konrad Zuse war ein Wegbereiter für die digitale Transformation, weil er nicht nur Technologien entwickelte, sondern auch eine Denkweise etablierte: die Bereitschaft, etablierte Prozesse zu hinterfragen und durch innovative Ansätze zu verbessern. Seine Arbeit legte einen fundamentalen Grundstein für Technologien, die heute in der Bauwirtschaft unverzichtbar sind – angefangen von der Berechnung über die Planung bis hin zur Simulation komplexer Bauabläufe (Deuflhard, 1998).

Zuse, Engelbart und Kurtz im zeitlichen Kontext

Die Geschichte der Digitalisierung wurde von Pionieren geprägt, die zwar zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten aktiv waren, jedoch mit einer gemeinsamen Vision: die Welt zu verbessern. Konrad Zuse, der in den 1930er und 1940er Jahren den ersten programmierbaren Computer – die Z3 – entwickelte, legte das technische Fundament für die moderne Informatik. Seine Erfindung automatisierte komplexe Berechnungen und ebnete den Weg für die Computerrevolution, die sowohl die Wissenschaft als auch die Bauwirtschaft transformierte.

Douglas C. Engelbart

In der Serie “Behind Digitalization” habe ich Ihnen bereits einen anderen Pionier vorgestellt: Douglas C. Engelbart. Im Grunde genommen hat Engelbart in den 1960er Jahren an die Arbeiten von Zuse angeknüpft und widmete sich der weiteren Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion. Mit der Erfindung der Computermaus und der Entwicklung des ersten Hypertext-Systems veränderte Engelbart nicht nur die Nutzung von Computern, sondern machte sie intuitiver und zugänglicher. Seine Vision von „augmentierter Intelligenz“ – der Erweiterung menschlicher Fähigkeiten durch Computer – war wegweisend für die digitale Arbeitswelt.

Thomas Eugene Kurtz

Parallel dazu arbeiteten weiterere Pioniere – darunter Thomas Eugene Kurtz. Gemeinsam mit John Kemeny hat er in den 60er Jahren die Programmiersprache BASIC entwickelt und ermöglichte damit die Demokratisierung des Programmierens. Auch wenn Zuses Plankalkül-Programmiersprache die erste höhere Programmiersprache der Welt war, haben Kurtz und Kemeny In den 1960er Jahren mit der Programmiersprache BASIC erstmals für Laien und Studierende den Zugang zur Informatik erleichtert. Dazu kommt, dass Kurtz und Kemeny mit dem entwickelten Dartmouth Time-Sharing System die gemeinsame Nutzung von Computerressourcen ermöglichte. BASIC wurde zu einer Keimzelle für viele spätere Programmierer und Entwickler, welche die digitale Transformation weiter vorantrieben.

Einfluss dieser Pioniere

Meiner Ansicht nach verkörpern Zuse, Engelbart und Kurtz gemeinsam verschiedene Etappen der Digitalisierung: Zuse als Erfinder der Rechenmaschine, Engelbart als Visionär der Interaktion und Kurtz als Ermöglicher der breiten Computerbildung. Ihr Vermächtnis zeigt, dass technologische Revolutionen durch das Zusammenspiel von Innovation, Zugang und Interaktion entstehen – und bis heute unser digitales Zeitalter prägen.

Konrad Zuse und sein Vermächtnis

Konrad Zuse hinterließ ein Vermächtnis, das weit über seine technischen Erfindungen hinausgeht. Er war ein Mann, der nicht nur Maschinen entwickelte, sondern mit seinen Ideen eine wichtige Brücke zwischen Ingenieurkunst und Digitalisierung schlug. Für die Bauwirtschaft bedeutete das den Beginn eines Paradigmenwechsels, bei dem Technik nicht länger nur Werkzeug, sondern integraler Bestandteil der kreativen und logistischen Prozesse wurde (Giloi, 1998).

Zuses Einfluss zeigt sich heute besonders in den Technologien, die aus seinen Visionen hervorgingen. Systeme wie CAD (Computer-Aided Design) und sogar die BIM-Methode (Building Information Modeling) sind Konsequenzen seiner Arbeiten (Kurrer, 2010). Mit CAD konnten Bauingenieurinnen und Bauingenieure erstmals präzise und detaillierte Entwürfe digital erstellen, während die BIM-Methode es ermöglicht, umfassende Bauprojekte in einer digitalen Umgebung gesamthaft und gemeinschaftlich zu modellieren, zu analysieren und zu steuern.

Zuses Beitrag war nicht nur technischer Natur, sondern auch philosophischer. Zuse zeigte, dass Technologie dazu dienen sollte, den Menschen zu entlasten und zu befähigen, anstatt ihn zu ersetzen. Seine „Plankalkül“-Programmiersprache, die heute als Vorläufer moderner Programmiersprachen gilt, steht symbolisch für diesen Ansatz: komplexe Probleme durch intelligente Strukturen lösbar zu machen.

Konrad Zuse hat mit seinen Erfindungen nicht nur die digitale Welt erschaffen, sondern auch die Bauwirtschaft revolutioniert, indem er den Weg für Technologien wie CAD, BIM und sogar Künstliche Intelligenz geebnet hat. Sein Vermächtnis zeigt uns, wie Ingenieurskunst und Innovation Hand in Hand gehen können, um nicht nur eine Branche, sondern eine ganze Welt zu verändern.

Und nun?

Zuses Geschichte ist nicht nur eine des technischen Fortschritts – sie ist eine Inspiration für jeden, der bereit ist, mutig neue Wege zu gehen und Herausforderungen mit Kreativität und Entschlossenheit anzugehen.

Heute, in einer Zeit, in der Digitalisierung und Automatisierung allgegenwärtig sind, könnten wir mehr denn je von Zuses Ansatz lernen. Er zeigt uns, dass der Schlüssel zur Transformation nicht nur in der Technik liegt, sondern vor allem in der Denkweise, mit der wir Technik einsetzen. Für die Bauwirtschaft bedeutet das, die Digitalisierung nicht nur als Herausforderung, sondern als Chance zu sehen – eine Chance, präziser, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten. Besonders interessant finde ich Zuses Aussagen im Interview von 1985, welches Sie am Ende des Beitrags finden.

Zuse und seine Leistungen erhielten und erhalten viel zu wenig beachtung, denn ohne ihn wären wir nicht dort wo wir jetzt sind. Auch wenn es andere gab, die ähnliche Ideen hatten, war er es, der es wirklich realisiert hatte. Doch nicht nur die Anerkennung seiner Leistungen, auch die Weiterführung seiner Ideen sollten für uns ein Ansporn sein. Wie können wir Zuses Visionen heute weiterdenken? Welche Technologien könnten in Zukunft ähnlich bahnbrechend sein wie seine Z3 oder der Graphomat Z64? Ich lade Sie ein, darüber nachzudenken, wie Sie in Ihrem eigenen Arbeitsumfeld die digitale Transformation vorantreiben können. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die nächste Generation von Innovationen zu erschaffen – und vielleicht wird eines Tages jemand Ihren Namen in Verbindung mit einem Meilenstein der Digitalisierung nennen.

Teilen Sie Ihre Gedanken. Ich bin gespannt, welche Ideen und Inspirationen Konrad Zuses Vermächtnis in Ihnen weckt!

Video: Die Z3 von Konrad Zuse im Deutschen Museum

Video: Konrad Zuse Interview von 1985 (ZDF Mosaik)

Quellenverzeichnis:

Deuflhard, P. (1998). Fast Algorithms, Fast Computers: The Konrad-Zuse-Zentrum Berlin (ZIB). online verfügbar

Giloi, W. (1998). Konrad Zuse: reflections on the 80th birthday of the German computing pioneer. ACM Signum Newsletter, 33, 11-16. online verfügbar

Kurrer, K. (2010). Konrad Zuse und die Baustatik – Zur Vorgeschichte der Computerstatik. online verfügbar

Petrocelli, C. (2017). Konrad Zuse and his Plankalkül: The Hope to Emerge from the Sleep of Sleeping Beauty. Int. J. Humanit. Arts Comput., 13, 249-265. online verfügbar

Röder, J., Rojas, R., & Nguyen, H. (2013). The Konrad Zuse Internet Archive Project. , 89-95. online verfügbar

Spode, H (1994). Engel, Helmut; Jersch-Wenzel, Stefi; Treue, Wilhelm (Hrg.). Der Computer – eine Erfindung aus Kreuzberg, Methfesselstraße 10/Oranienstraße 6. Geschichtslandschaft Berlin: Orte und Ereignisse (5 volumes). Vol. 5: Kreuzberg. Berlin, Germany: Nicolai. S. 418–429. ISBN 3-87584-474-2

Zuse, H. (2008). Reconstruction of Konrad Zuse’s Z3. International Conference on History of Computing (HC), Jun 2013, London, United Kingdom. pp.287-296. online verfügbar

Schlagwörter: Konrad Zuse, Z3, Graphomat, Bauingenieur, Digitalisierung, CAD, BIM, Computerpionier, Bauwirtschaft, Digitalisierung, digitale Transformation

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2025). Behind Digitalization: Konrad Zuse, Wegbereiter der digitalen Welt [Blog-Beitrag]. 06.01.2025. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar