Black Friday: Wenn der Konsumrausch den Verstand überholt

Stellen Sie sich vor, es ist wieder soweit: Der Black Friday ist da! Ein Tag, an dem Menschen weltweit in einen kollektiven Kaufrausch verfallen, als gäbe es kein Morgen. Doch was steckt wirklich hinter diesem Phänomen, und warum lassen wir uns Jahr für Jahr von vermeintlichen Schnäppchen verführen?

Ist der Black Friday ein echter Feiertag für Sparfüchse oder bloß eine inszenierte Rabattschlacht, die uns mehr Geld aus der Tasche zieht, als uns lieb ist? Naja, ich kann mich da nicht vollständig ausschließen. Meinem Geldbeutel tut es manchmal auch weh am Black Friday. Was mich natürlich nachdenklich macht. Liebe Leserinnen und Leser, lassen Sie uns einen genaueren Blick werfen auf Ursprung, Hintergründe und Kuriositäten des Black Friday.

Die Ursprünge des Black Friday: Vom Verkehrschaos zum Shopping-Marathon

Der Begriff “Black Friday” stammt ursprünglich aus den USA (woher wohl sonst 😉 ) und bezeichnete zunächst den Tag nach Thanksgiving, an dem ein massives Verkehrschaos herrschte. Später wandelte sich die Bedeutung, und der Tag wurde zum Startschuss für das Weihnachtsgeschäft. Händler lockten mit Rabatten, und die Kunden strömten in die Läden, um die besten Angebote zu ergattern. Für Händler war dieser Tag ein Wendepunkt: In den Büchern wechselten sie von roten Zahlen (Verlust) zu schwarzen Zahlen (Gewinn) – daher der Name.

Der Wandel zum globalen Shopping-Marathon begann in den 2000er-Jahren, als große Händler wie Walmart und Amazon die Idee exportierten. Inzwischen ist der Black Friday längst nicht mehr auf die USA beschränkt: Vom kleinen Einzelhändler um die Ecke bis hin zu globalen Onlineshops – alle wollen ein Stück vom großen Rabattkuchen. Und zu guter Letzt wurde aus dem Black Friday dann die Black Week.

Der Black Friday fällt normalerweise auf den vierten Donnerstag im November. In diesem Jahr wird Thanksgiving am Donnerstag, dem 28. November 2024 gefeiert, was bedeutet, dass der Black Friday am Freitag, dem 29. November, beginnt. Merken Sie sich das gut – Dieses Datum kann Ihre Brieftasche beeinflussen 😉 . Und damit nicht genug, denn nach dem Black Friday und der Black Week davor hat sich auch der Cyber Monday am Montag danach etabliert. Dieser Tag ist die Antwort der Online-Shops auf die Rabatte in den stationären Läden.

Schnäppchen oder Scheinrabatte?

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher glauben, am Black Friday echte Schnäppchen zu machen. Es klingt ja auch zu schön, um wahr zu sein: Apple AirPods Pro für fast 30% günstiger, ein AMAZON Fire TV Stick 4K für 50% weniger oder eine Blink Outdoor Kamera mit 60% Ersparnis. Dann kann man doch satt sparen, oder? Ob dem wirklich so ist, muss man genau hinterfragen. Eine Studie der Organisation OCU (Organisation of Consumers and Users) zeigt, dass fast die Hälfte der Produkte am Vorabend des Black Friday teurer wird, um am Freitag mit „Rabatten“ beworben zu werden. Der tatsächliche Preisnachlass liegt durchschnittlich bei nur 8% – also weniger als der übliche Sommerschlussverkauf (siehe Cadenaser).

Und wenn wir uns Produkte von beispielsweise Amazon oder Apple anschauen, dann sind die Rabatte oftmals eher strategisch, um Kunden in ihr technisches Ökosystem zu locken oder mit deren Daten und Verhalten zu arbeiten (beispielsweise Amazon Alexa Komponenten). Wem das egal ist oder sich sowieso dort hin orientiert, der kann in der Tat ein Schnäppchen machen. By the way: Unternehmen machen bei diesen Rabatten größtenteils noch immer Gewinn. Was heißt dass dann für die Preispolitik im Rest des Jahres? Das kann zumindest jeder sofort nachvollziehen, der mal eine Küche gekauft hat. Wir haben bei unserer Küche am Ende einen Nachlass von fast 50% ausgehandelt. Das heißt, die Margen im Handel sind zum Teil sehr hoch und die Spielräume deshalb sehr flexibel.

Ziemlich oft wird die Erfahrung gemacht, dass gerade bei Elektronik und Mode Konsumenten in die Irre geführt werden . Zu diesem Thema relevant sind auch die vier Arten der Obsoleszenz in diesem Beitrag. Unabhängig davon kann man an solchen Rabatttagen trotzdem ein gutes Geschäft machen. Beispielsweise mit einem günstigeren Handy-Tarif, mit dem man nicht nur an einem Tag spart, sondern über die gesamte Vertragslaufzeit.

Doch wie kommt ein solches Kaufverhalten zu stande? Ist es eine Art Magie, die uns beeinflusst? Nun, für den einen oder die andere von Ihnen wäre das vieleicht eine gute Ausrede. Unter uns, meine Frau würde mir das nicht abkaufen 🙂 . Nein, es ist keine Zauberei, sondern Psychologie. Einer der Gründe, warum Menschen zu viel einkaufen, ist der Dopaminschub, ein Glückshormon, der beim Kauf von Dingen, insbesondere im Sonderangebot, ausgelöst wird (siehe hier). Zudem kommt noch ein Effekt hinzu. Große „-50%-Schilder“ wecken in uns einen Jagdinstinkt. Selbst wenn wir das Produkt gar nicht brauchen, glauben wir, etwas zu verpassen, wenn wir es nicht kaufen. Dieses Phänomen nennt sich Fear of Misisng Out (FOMO).

Was ist Fear of Misisng Out (FOMO)?

Die Angst, etwas zu verpassen (Fear of Misisng Out, kurz: FOMO) ist die Befürchtung, Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Lebensentscheidungen, die das eigene Leben verbessern könnten, nicht zu kennen oder zu verpassen. FOMO ist auch mit der Angst vor Bedauern verbunden, die zu der Befürchtung führen kann, man könnte eine Gelegenheit zu sozialer Interaktion, eine neue Erfahrung, ein denkwürdiges Ereignis, eine gewinnbringende Investition oder die Geborgenheit der Menschen, die man liebt und die einen auch lieben, verpassen.

FOMO sorgt dafür, dass Menschen schon mal um Mitternacht vor Geschäften campieren oder den Bestellknopf im absoluten Adrenalinrausch drücken – und sich danach in der Regel auch nicht besser fühlen als vorher.

Wir kennen es sicher alle. Die Darstellung von knappen Artikelbeständen (nur noch x Artikel vorrätig) oder das Darstellen von ablaufender Zeit für einen Artikel (nur noch y Stunden bestellbar) sollen die Situation für Verbraucherinnen und Verbraucher noch kritischer wirken lassen und zur umgehenden Bestellung des Artikels verleiten.

Konsumrausch mit Folgen

Der Black Friday steht nicht nur wegen teilweise fragwürdiger Rabatte in der Kritik. Umweltschützer warnen vor den negativen Folgen des übermäßigen Konsums für die Umwelt. Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet den Tag als “Konsum-Wahnsinn” und ruft zu nachhaltigem Konsum auf (siehe Tagesschau).

In der Tat, der Black Friday mag für den Handel ein Segen sein, doch für Gesellschaft und Umwelt ist er zum Teil ein Albtraum.

  • Billigproduktionen: Viele der rabattierten Artikel stammen aus Produktionsstätten, die unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen produzieren.
  • Klimabelastung: Der CO2-Ausstoß durch Lieferketten und Retouren explodiert bei solchen Events. Allein der Onlinehandel erzeugt an diesem Tag bis zu 10-mal mehr Emissionen als an normalen Tagen (siehe hier).
  • Müllberge: Verpackungen, Einwegprodukte und kurzlebige Schnäppchen landen häufig schnell im Müll (siehe hier).

Es müssen auch nicht immer Müllberge sein. Es können auch Inselns sein – Plastikinseln. Kennen Sie noch nicht? In den Weltmeeren treiben gigantische Müllstrudel, die sogenannten Plastikinseln. Eine der größten Umweltkatastrophen unserer Zeit! Die bekannteste ist der Great Pacific Garbage Patch, eine Ansammlung von Plastikabfällen im Pazifik, die mehr als 4,5 mal so groß wie Deutschland ist. Nur um sich das vorstellen zu können: Deutschland hat eine Fläche von 357.592 km².

Größenverhältnis Great Pacific Garbage Patch vs. Deutschland

Diese Plastikinseln entstehen durch Strömungen, die den Müll aus Flüssen und Küstenregionen in bestimmte Gebiete der Ozeane treiben, wo er sich sammelt und nicht mehr abgebaut wird.

Finde ich die Plastikinseln auf Google Maps oder Google Earth?

Aufgrund der großen Fläche ist die Dichte der Plastikinseln sehr gering (4 Partikel pro Kubikmeter) und daher nicht auf Satellitenfotos sichtbar. Die NASA hat im Jahr ein Garbage Patch Visualization Experiment veröffentlicht, um die Entstehung der Plastikinseln zu visualisieren.

Eine diesen Monat erschienene Studie in der Fachzeitschrift Science prognostiziert, dass sich die jährliche Menge an Plastikmüll bis zum Jahr 2050 nahezu verdoppeln wird wenn auf der Welt weiterhin so viel Kunststoff produziert und so wenig davon wiederverwendet wird (siehe hier). Das macht echt nachdenklich.

Verschiedene Sichtweisen zum Konsumverhalten

Die Kritik am Black Friday ist vielfältig. Einige argumentieren, dass die moralische Verurteilung des Konsumverhaltens oft Klassenhass verbirgt (siehe taz). Andere sehen den Black Friday aus einer anderen Perspektive. Für viele Menschen mit geringem Einkommen ist der Black Friday eine Möglichkeit, sich Dinge zu leisten, die sonst unerschwinglich wären. Haushaltsgeräte, Kleidung oder Elektronik – solche Angebote können echte Lebensverbesserungen sein. Kritiker warnen jedoch davor, dass solche Konsumaktionen langfristig keine sozialen Ungleichheiten lösen, sondern neue Abhängigkeiten schaffen. Also Segen und Fluch zugleich.

Gemäß einer Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney zeigt sich, dass sich die Umsätze am Black Friday für den deutschen Markt tatsächlich verdoppeln oder gar verdreifachen. Doch demgegenüber kaufen die Menschen um die Rabatttage herum viel weniger. In manchen Fällen warten die Verbraucherinnen und Verbraucher einfach länger, um sich das eine oder andere Produkt zu kaufen. Was auch noch die letzten Jahre dazu kommt sind die chinesischen Online-Billighändlern Shein und Temu, mit denen viele etablierte Anbieter preislich nicht mehr mithalten können.

Alternative Idee: Wie wäre es mit einem Green Friday?

Immer mehr Initiativen fordern, den Black Friday in einen Green Friday zu verwandeln (siehe beispielsweise WWF: Fünf Tipps für einen Green Friday). Der Ursprung des Green Friday soll im Kanada des Jahre 1992 liegen. Unter dem Namen “Buy Nothing Day”. Doch statt nur an einem Tag nichts zu kaufen, oder am Black Friday blind einzukaufen, könnten wir

  • Nachhaltig shoppen: Produkte aus fairem Handel bevorzugen. Am besten nicht nur am Black Friday.
  • Digital Detox: Den Black Friday nutzen, um ohne Bildschirm (PC, Mobiltelefon etc.) den Angeboten zu widerstehen. Würde zumindest funktionieren, wenn man nicht bereits Tage oder Wochen zuvor mit E-Mails von Händlern vollgespamt werden würde. Im Ernst, das nervt!
  • Re-/Upcycling: Alte Gegenstände reparieren oder kreativ umgestalten, statt immer was Neues zu kaufen. Zugegeben, das kostet Zeit, kann aber auch Spaß machen. Refurbished Geräte sind auch eine Alternative (beispielsweise von refurbed).
  • Planen Sie Einkäufe: Erstellen Sie eine Liste – das hilft Ihnen, bei Ihren Einkäufen konzentriert und zielstrebig zu bleiben. Warten Sie auf die richtigen Angebote. Das könnten auch Angebote von gebrauchten Artikeln sein auf Kleinanzeigenplattformen oder Flohmärkten.
  • Legen Sie ein Budget fest: Um zu vermeiden, dass Sie zu viel ausgeben, nur weil Sie ein „gutes Angebot“ gefunden haben, setzen Sie sich selbst Limits und vor allem: Halten Sie sich daran!
  • Bewußte Entscheidungen treffen: Handeln Sie nicht kopflos. Erwägen Sie nachhaltige Marken und lokale Einzelhändler. Vor allem die Einzelhändler unserer Stadt, die uns qualifizierte Fachberatung und Face-to-Face Support bieten, sind auf uns angewiesen.

Kuriose Fakten zum Black Friday

Zum Black Friday gibt es auch die eine oder andere Kuriosität.

  1. Singles’ DayChinas eigener Black Friday: Der Singles’ Day ist eigentlich ein Tag für Alleinstehende. an dem Partys und Karaoke-Veranstaltungen organisiert werden, um sich zu verlieben.  Er findet am 11. November statt (11.11 – die Symbolik dahinter fällt auf, oder? 😉 ). Er wurde zunehmend zu einem Onlineshopping-Tag – und zwar zum umsatzstärksten Shopping-Tag der Welt. Er übertrifft mit 139 Milliarden Dollar Umsatz jeden Black Friday.
  2. Händler macht nicht (mehr) mit: Viele Geschäfte boykottieren den Tag aus Protest gegen Überkonsum. Ein Online-Shop-Betreiber aus Norwegen kündigte beispielsweise 2017 an, die Preise seiner Produkte am Black Friday zu verdoppeln, um gegen das “unverantwortliche” Verhalten von Händlern und den damit verbundenen Konsumrausch zu protestieren (siehe hier). Der kleine Online-Shop Bjøddn existiert aktuell nicht mehr. Ob das auf diese Entscheidung zurückzuführen ist kann ich nicht beurteilen. Zu bedenken ist aber auch, dass solche Aktionen von Unternehmen auch lediglich dem Marketing dienen, um mit einer auf der Schauseite gezeigten Konsumkritik mehr verkaufen zu können. Wie das folgende Beispiel zeigt.
  3. Black Friday im All: Im Jahr 2013 bot das Unternehmen Virgin Galactic anlässlich des Black Friday auf zukünftige Weltraumreisen Rabatte an. Dieses Angebot war Teil einer PR-Kampagne, um das Interesse an kommerziellen Weltraumflügen zu steigern und die Marke in den Medien zu positionieren. Virgin Galactic, gegründet von Sir Richard Branson plant suborbitale Flüge für Privatpersonen und hat seitdem kontinuierlich an der Entwicklung und Vermarktung dieser Reisen gearbeitet. Side fact: Brandon ist u.a. bei der Serie Baywatch als er selbst dabei gewesen 🙂 . Solche Rabattaktionen unterstreichen die wachsende Bedeutung des Black Friday als Marketinginstrument, selbst in innovativen Branchen wie der Raumfahrt.

Und nun?

Der Black Friday zeigt, wie stark wir von Werbung, Rabatten und psychologischen Tricks beeinflusst werden. Er ist ein Spiegel unserer Konsumgesellschaft, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Black Friday vor einem riesigen Berg von Angeboten. Alles sieht so nützlich aus. Und es gibt soviele Dinge, die Sie brauchen können – wovon Sie vorher nicht mal wussten, dass es sie gibt. In Ihrem Kopf hören Sie “Kauf’ jetzt, bevor es jemand anderes tut!”. Plötzlich hören Sie eine weitere Stimme aus Ihrer Gesäßtasche. Sie drehen sich um – und da ist er: Ihr Geldbeutel, der vor Erschöpfung wimmert. Mit letzter Kraft flüstert er: “Bitte, nicht schon wieder…. Ich kann nicht mehr!”. Ob Schnäppchenjäger oder Konsumkritiker – eines steht fest: Nicht irgendwelche Konsumpsychologen sondern WIR treffen die Entscheidung, ob wir Teil des Kaufrausches sein wollen oder nicht.

Schlagwörter: Black Friday, Konsumverhalten, Rabatte, Nachhaltigkeit, Umweltbelastung, Great Pacific Garbage Patch, Schnäppchen, Psychologie

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Black Friday: Wenn der Konsumrausch den Verstand überholt [Blog-Beitrag]. 28.11.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar