Behind Digitalization: Thomas Eugene Kurtz

Liebe Leserinnen und Leser meines Blogs. Anfang letzter Woche ist Thomas Eugene Kurtz verstorben. Eine Person, die wahrscheinlich einige von uns in ihrem Leben und aktuellen Wirken beeinflusst hat – für viele wahrscheinlich ohne es zu wissen. Warum dass so ist, möchte ich Ihnen in diesem Beitrag erklären.

Leben und wirken von Thomas Eugene Kurtz

Thomas Eugene Kurtz (geboren am 22. Februar 1928 in Oak Park, Illinois; verstorben 12. November 2024 in Lebanon, New Hampshire) war ein US-amerikanischer Mathematiker und Informatiker. Er wurde vor allem als Mitentwickler der Programmiersprache BASIC (Beginner’s All-purpose Symbolic Instruction Code) bekannt.

Nach seinem Bachelor-Abschluss am Knox College im Jahr 1950 promovierte Kurtz sechs Jahre später im Jahr 1956 an der Princeton University unter der Betreuung von dem damals bereits sehr anerkannten Statistiker John W. Tukey. Im selben Jahr begann Kurtz seine Tätigkeit am Dartmouth College, wo er bis zu seiner Emeritierung 1993 lehrte.

Gemeinsam mit John G. Kemeny und Mary Kenneth Keller entwickelte Kurtz 1963/64 die Programmiersprache BASIC, die darauf abzielte, das Programmieren für Studierende und Nicht-Experten zugänglicher zu machen. Parallel dazu schufen Kemeny und Kurtz das Dartmouth Time-Sharing System, das es mehreren Nutzenden ermöglichte, gleichzeitig auf einen Computer zuzugreifen.

Von 1966 bis 1975 leitete Kurtz das Kiewit Rechenzentrum am Dartmouth College und von 1975 bis 1978 das Office of Academic Computing. 1983 gründete er zusammen mit Kemeny die Firma True BASIC Inc., die eine weiterentwickelte Version von BASIC, bekannt als True BASIC, vermarktete. True BASIC wird aktuell über diese Webseite vermarktet.

Thomas Eugene Kurtz – Ein Ermöglicher der Digitalisierung

Der Eine oder die Andere wird jetzt sicher sagen wollen, dass Kurtz lediglich eine Programmiersprache mitentwickelt hat, so wie viele andere auch. Aber die Arbeiten von Thomas Eugene Kurtz haben die Digitalisierung auf vielfältige Weise vorangebracht.

1. Entwicklung von BASIC: Demokratisierung der Programmierung

BASIC ist eine einfache und zu der Zeit bahnbrechende Programmiersprache, die darauf abzielte, das Programmieren für Anfängerinnen und Anfänger wie auch Nicht-Experten zugänglich zu machen. Zu Beginn eher unstrukturiert, später prozedural, danach objektorientiert.

Vor BASIC war Programmieren oft komplex und blieb einer kleinen Gruppe von Expertinnen und Experten vorbehalten. BASIC ermöglichte es Schülerinnen und Schülern, Studierenden und weiteren Interessierten und Laien, in die Welt der Informatik einzutauchen und Computer für ihre eigenen Zwecke zu nutzen.

Diese Demokratisierung des Programmierens legte nicht nur für mich einen wichtigen Grundstein mit dem ich meine ersten Ideen am Commodore C64 umsetzen konnte sondern auch für viele weitere Entwicklungen im Bereich der Software und brachte damit auch eine neue Generation von Entwicklerinnen und Entwicklern hervor, die damals wie heute zur Digitalisierung beitragen. Hinweis: Der Commodore C64 verwendete einen “Dialekt” vom ursprünglichen BASIC, auch PET BASIC genannt. Eine Liste von weiteren BASIC Dialekten ist hier zu finden.

2. Dartmouth Time-Sharing System: Effizienz und Vernetzung

Kurtz und Kemeny entwickelten das Dartmouth Time-Sharing System (DTSS), das mehreren Nutzenden gleichzeitig Zugriff auf einen Computer ermöglichte. Damit ermöglichte DTSS Computerressourcen effizienter zu nutzen, was sich insbesondere in Bildung und Forschung als Vorteil zeigte.

Das folgende Bild zeigt das HP 2100-System welches für die Ausführung von Time-Shared-BASIC als Hauptaufgabe entwickelt wurde.

In this historical image, taken in 1974 in the ESO offices in Santiago, Chile, we can see the Austrian astronomer Rudi Albrecht, pencil in hand, poring over code in front of a teletype. He was working on software for the Spectrum Scanner attached to the ESO 1-metre telescope located at the La Silla Observatory. The data were processed in Santiago using the Hewlett Packard 2000F minicomputer which can be seen behind the printer. This bulky computer, with one processor and a breathtaking 16 kilobytes of magnetic-core memory (!), stored the results on magnetic tape, ready for further processing by visiting astronomers on computers at their home institutes. To handle files on tape that were larger than the available memory, Albrecht developed a virtual memory system, which he contributed to the Hewlett Packard Software Center. Please note that the computer in this image has been incorrectly identified by its original owner. The computer shown is a HP 2100 computer (2100A or 2100S), with two 7970 tape drives (7970A, B, C or E), 7900-series hard disk drive, 2748 paper tape reader and 2767A impact printer. CC BY 3.0, File:ESO Hewlett Packard 2116 minicomputer.jpg, Created: 4 June 2012, Uploaded: 14 February 2024, Source: https://cdn.eso.org/images/screen/potw1223a.jpg

Dieses Konzept der geteilten Nutzung von Ressourcen kann als ein Vorläufer moderner Netzwerke und Cloud-Computing-Technologien gesehen werden, welche die Digitalisierung in nahezu allen Branchen revolutioniert haben.

Kemeny sagte später in dem Zusammenhang: „Unsere Vision war, dass jeder Student auf dem Campus Zugang zu einem Computer haben sollte und jedes Fakultätsmitglied bei Bedarf einen Computer im Unterricht verwenden können sollte. So einfach war das.“ (Time 2014).

Daneben zeigt es uns auch, dass die Nutzung von knappen Ressourcen einen Umgang mit bedacht und Prinzipien der Teilung und auch Sparsamkeit erfordern. Und das nicht nur in der Welt der Bits und Bytes.

3. Förderung der Computerbildung durch Thomas Eugene Kurtz

Kurtz erkannte gemeinsam mit Kemeny, dass die Vermittlung von Computerkenntnissen eine zentrale Rolle in der digitalen Zukunft spielen würde. Ja, liebe Leserin und lieber Leser. Das war noch weit bevor die aktuelle Diskussion zahlreiche “Experten” hervorgebracht hat, die von neuen Konzepten zur Computer und Digital Literacy referieren. Vieles, was uns heute aufgetischt wird ist oftmals nicht mehr als das, was aus der Vergangenheit vergessen wurde. Und wir müssen zugeben, es ist ja auch viel toller in die (vermeintlich prognostizierbare) Zukunft zu schauen als sich mal mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Dann erfindet man halt das Rad zwei Mal oder sucht sich neue fancy Begriffe. Und wer es merken könnte ist eh zu alt oder bereits tot. Aber egal, weiter im Text.

Durch die Verbreitung von BASIC in Schulen und Universitäten wurde damals eine wertvolle Basis für digitale Bildung geschaffen, die Schülerinnen und Schülern wie auch Studierenden weltweit half, digitale Werkzeuge zu verstehen und zu nutzen.

Und genau das wurde in meiner damaligen Schule auch gemacht. Im Keller unserer Schule (ja, das bedient das Klischee des Tech Nerds der kein Sonnenlicht sieht 🙂 ) wurden von unserem damaligen Lehrer Herr Kuhl ein paar Commodore C64 aufgestellt und in der Computer AG haben wir in BASIC unsere ersten Programme geschrieben. Zu Hause hatte ich mir aus Ermangelung eines eigenen Computers eine Tastatur gebastelt, auf der ich stundenlang meine Programme “geschrieben” habe. Sie denken gerade das sei komisch. Ich sag’s ganz offen, Sie denken richtig 😉. Aber es hat Spaß gemacht. Kurz darauf haben mich meine Eltern mit einem eigenen C64 mit Datasette und später sogar mit Floppy Disk und Nadeldrucker glücklich gemacht. Dafür bin ich noch immer sehr dankbar. Neben dem Zocken von Spielen hatte ich zum Beispiel einen Riesenspaß einfache textbasierte Spiele zu entwickeln, bei denen man durch das Lösen von Aufgaben in neue “Räume” kam. Heute ist sowas unter dem Namen “Escape Game” oder “Escape Room” bekannt. Die Computer AG an meiner Schule war zu dieser Zeit ein Novum – vor allem für eine Hauptschule. Mehr zum Einfluss von Herrn Kuhl auf meinen Werdegang lesen Sie im Beitrag Gaming-Industrie und die Bau- und Immobilienwirtschaft.

4. Thomas Eugene Kurtz und der Einfluss auf die Softwareentwicklung

Mit der Weiterentwicklung von BASIC zu True BASIC zeigte Kurtz, dass einfache und zugängliche Softwaretools essenziell für die Verbreitung von Technologie sind. BASIC beeinflusste zudem weitere Programmiersprachen wie COMAL, Visual Basic, Visual Basic .NET, GRASS und Xojo.

Diese Arbeit inspirierte viele weitere Softwareprojekte, die Benutzerfreundlichkeit in den Fokus rückten – ein zentraler Faktor für die Akzeptanz digitaler Technologien (lesen Sie zu diesem Thema auch den Beitrag 7 Wege zur Akzeptanz von digitalen Lösungen). Als Beispiel, die erste Mikrocomputerversion von BASIC. Sie wurde von Bill Gates, Paul Allen und Monte Davidoff gemeinsam für ihr neu gegründetes Unternehmen mit dem damaligen Namen Micro-Soft geschrieben. BASIC war deren erstes und in den frühen Jahren wichtigstes Produkt. Und das sogar mehrere Jahre bevor mit MS-DOS das erste Betriebssystem dieser Firma auf den Markt kam (Time 2014).

Auch wurden zahlreiche einfache textbasierte Spiele in BASIC geschrieben, wie zum Beispiel von Mike Mayfield das Strategiespiel Star Trek.

5. Ein Impulsgeber für den Personal-Computer-Boom

BASIC war eine der ersten Programmiersprachen, die auf Personal Computern wie beispielsweise dem Altair 8800, dem Atari 600XL, 800XL, dem Apple II, dem Commodore C128 oder dem IBM PC 5150 ausgeführt werden konnte.

Unter diesem Link finden Sie eine ausführliche Liste von Computern mit integriertem BASIC. Diese Rechner wurden standardmäßig mit einer im Computer installierten Version von BASIC ausgeliefert. Die Computer konnten auf die BASIC-Sprache zugreifen, ohne dass die Nutzenden Datenträger, wie damals Kassetten, einlegen oder Software von anderen externen Medien laden mussten.

Neben anderen Faktoren trug das dazu bei, dass Computer aus universitären und industriellen Kontexten in Privathaushalte und kleine Unternehmen gelangten, was die Digitalisierung in der Gesellschaft beschleunigte.

6. Zeitgenössische Bedeutung der Ansätze von Thomas Eugene Kurtz

Viele Konzepte, die Kurtz entwickelte, wie Benutzerfreundlichkeit, Vernetzung und Ressourcenteilung, sind grundlegende Prinzipien moderner digitaler Plattformen und Dienste, einschließlich des Internets, Cloud-Computing und IoT (Internet of Things).

Interessanterweise finden sich in den Ansätzen von Kurtz ein paar Parallelen zu Arbeiten von Douglas Carl Engelbart. Zum Beispiel die Zusammenarbeit und Ressourcenteilung betreffend.

Trotz der Tatsache, dass sich die Lebensspannen der beiden erheblich überschneiden, besonders in der Mitte des 20. Jahrhunderts, lassen sich keine sicheren Hinweise dafür finden, dass die beiden sich regelmäßig begegnet wären oder sie irgendwann zusammengearbeitet hätten.

Es ist deshalb eher unwahrscheinlich, dass sie durch ihre Arbeit oder durch gemeinsame Konferenzen häufig Kontakt hatten, da sie an unterschiedlichen Projekten in geografisch weit entfernten Institutionen tätig waren (ca. 4.300 km voneinander entfernt). Ihre Tätigkeitsbereiche – Mensch-Computer-Interaktion (Engelbart, Westküste der USA) und Programmiersprachen (Kurtz, Ostküste der USA) – geben ebenfalls wenig Potential für Überschneidungspunkte.

Beide Pioniere haben auf ihre Weise die Digitalisierung geprägt. Engelbart schuf die Werkzeuge, die grundlegende Technologien ermöglichen, während Kurtz dafür sorgte, dass sie von der breiten Masse genutzt werden können.

Aus diesem Grund kann Thomas Eugene Kurtz zu Recht zu den Pioneeren gezählt werden, die durch ihre Arbeit die Digitalisierung in einem umfassenden Kontext inspiriert und damit für die Gesellschaft in der Breite ermöglicht hat.

Und nun?

Thomas Eugene Kurtz hat durch die Entwicklung von BASIC und seiner Arbeit an Time-Sharing-Systemen wesentlich zur Verbreitung und Akzeptanz von Computern beigetragen.

Seine Arbeit wurde zur Grundlage für Millionen von Hobbyisten, Lehrkräften und Lernenden, die erstmals mit Computern arbeiteten. Seine Leidenschaft für die Weiterentwicklung der Bildung im Computerbereich förderte die Akzeptanz von Computern in Schulen und Haushalten und ebnete ebenso den Weg für die Personal-Computer-Revolution.

Damit legten seine Ansätze einen wichtigen Grundstein für die breite Anwendung digitaler Technologien in Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft und machten Computer zu einem integralen Bestandteil der modernen Welt.

Für seine Verdienste erhielt Kurtz zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1991 den Computer Pioneer Award der IEEE Computer Society und 1994 die Ernennung zum Fellow der Association for Computing Machinery. ​​

Thomas Eugene Kurtz hinterlässt ein bedeutendes Erbe in der Informatik, insbesondere durch seine Bemühungen, das Programmieren einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.​​ Und dafür danke ich ihm, denn ohne ihn und meinem damaligen Lehrer Herr Kuhl wäre ich nicht da wo ich jetzt bin.

Interview mit Thomas Eugen Kurtz

Zum Ende dieses Beitrags genießen Sie mit mir ein Interview mit Thomas Eugen Kurtz von vor ca. 10 Jahren, in der er uns gemeinsam mit anderen Akteuren die Geschichte von BASIC erzählt. Gut zuhören warum ein Computer ein Möbelstück ist 🙂 . Zudem werden Sie sehen, dass Kurtz und Kemeny mit ihrem Wirken auch die grundlegende Idee geliefert haben für das, was wir aktuell als Computational Literacy bezeichnen. Denn nichts mehr und nichts weniger haben die beiden durch ihre Arbeit initiiert.

Link zum Video

Schlagwörter: Basic, True BASIC, Kurtz, Kemeny, Keller, digitale Transformation, Dartmouth Time-Sharing System

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Behind Digitalization: Thomas Eugene Kurtz [Blog-Beitrag]. 19.11.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar