Selbstheilender Beton stellt eine bemerkenswerte Innovation im Bauwesen dar, welche auf das wachsende Bedürfnis nach langlebigen, wartungsarmen und nachhaltigen Bauwerken reagiert. Obgleich es auch andere spannende Baustoffe gibt, hat mich gerade der Baustoff Beton immer besonders fasziniert. Diesem Interesse konnte ich auch während meiner Zeit am Institut für Materialwissenschaft nachgehen und mich intensiver mit diesem Baustoff auseinanderzusetzen, beispielsweise mit Sorptionsisothermen in Abhängigkeit der Porenstruktur in Zementstein. In diesem Beitrag schauen wir uns die Hintergründe und Anwendungsbereiche von Beton, der sich selbst reparieren kann, etwas genauer an und werden das in Verbindung setzen mit digitalem Echtzeitmonitoring, die z.B. für das Brückenmonitoring verwendet werden.
Selbstheilender Beton – Mechanismen und Materialien
Einer der Meilenstein in der Forschung war der Vorschlag von Jonkers et al., Bakterien in Beton zu integrieren, um Risse autonom zu reparieren. Diese Bakterien werden aktiviert, wenn Wasser in den Beton eindringt, und produzieren Kalziumkarbonat, welches die Risse füllt und somit die strukturelle Integrität wiederherstellt (Jonkers, 2011).
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Forschung zu mikrobiell induziertem selbstheilendem Beton stark weiterentwickelt. Es gibt zunehmend Nachweise, dass die Einbindung bestimmter Bakterienstämme, wie Bacillus subtili, in Beton die Druckfestigkeit und Langlebigkeit erheblich verbessern kann (Chinnasamy, 2020). Der Stand der Forschung zeigt, dass mikrobielle selbstheilende Betonlösungen in der Tat das Potenzial haben, nachhaltige und langlebige Infrastrukturen zu schaffen (Yip et al., 2022).
Selbstheilender Beton basiert auf der Fähigkeit von Bakterien, Kalziumkarbonat zu produzieren, das Risse im Beton verschließt. Diese Bakterien sind in der Lage, in alkalischen Umgebungen zu überleben und bei Kontakt mit Wasser mineralische Ausfällungen zu erzeugen, die Risse füllen (Sarkar et al., 2015). Es ist auch bekannt, dass die Zugabe von Bakterien in Kombination mit Kalziumquellen die Druck- und Biegefestigkeit des Betons signifikant erhöht (Sharma & Singi, 2023).
Ein weiterer Ansatz ist die Verkapselung von Bakteriensporen in Hydrogelen, die bei Rissbildung freigesetzt werden und die Selbstheilungseffizienz weiter steigern. Diese Technik verbessert nicht nur die Haltbarkeit des Betons, sondern reduziert auch die Durchlässigkeit für Wasser und andere schädliche Substanzen erheblich (Wang et al., 2014).
Selbstheilender Beton – Beispiele aus der Forschung
Für die Herstellung von selbstheilendem Beton müssen optimale Bedingungen vorliegen, wie die richtige Bakterienkonzentration und geeignete Heilungsumgebungen (Luo et al., 2015). Anhand von zwei exemplarischen Forschungsvorhaben werde ich Ihnen das Konzept bzw. die Möglichkeiten von selbstheilendem Beton näher bringen.
Beispiel 1 – Anwendung von mikrobiell selbstheilendem Beton in realen Bauprojekten
Qian et al. (2021) untersuchten die Anwendung von mikrobiell selbstheilendem Beton in realen Bauprojekten, bei denen digitale Überwachungssysteme zur Kontrolle der Heilung und zur Bewertung der strukturellen Integrität eingesetzt wurden. Es wurden zwei Arten von selbstheilenden Beton untersucht: eine auf Pulver basierende und eine auf Kapseln basierende Heilungsmethode, wobei die Kapsel-basierte Methode in dieser Studie Vorteile hatte (schützt die Bakterien besser vor den alkalischen Bedingungen im Beton, Kapseln ermöglichen eine konzentriertere und schnellere Freisetzung der Heilungskomponenten direkt in die Risse). Demgegenüber ist die pulver-basierte Heilung einfacher und vergleichseweise kostengünstig. Das Vorhaben zeigt, dass effektiv Risse im Beton geschlossen werden können, was die Lebensdauer und die strukturelle Integrität von Betonbauten verbessert. Besondere Herausforderungen liegen in der Industrialisierung und Kostensenkung dieser Technologie. Die Forschung von Chunxiang Qian und ihrem Team betont die Bedeutung von Feldtests und die Optimierung der Produktionsprozesse für eine breitere Anwendung dieser Technologie in der Praxis.
Beispiel 2 – Untersuchung und Optimierung der Bakterienkonzentration
Neben der konkreten Anwendung von selbstheilendem Beton in realen Bauprojekten ist die Untersuchung und Optimierung der Bakterienkonzentration in selbstheilendem Zementmörtel aus materialwissenschaftlicher Sicht sehr wesentlich. Babitha Benjamin und ihr Team untersuchten die Optimierung der mikrobiellen Konzentration in Zementmörtel (Benjamin et al., 2020). Ziel war es, die Selbstheilung von Rissen in Beton durch die Einbringung von Bakterien (genauer Bacillus Subtilis MTCC441) zu fördern. Es zeigte sich, dass eine Bakterienkonzentration von 106 Zellen/ml die optimalen mechanischen Eigenschaften und Selbstheilungseffekte erzielt. Eine höhere Konzentration führte zu einer Verringerung der Druckfestigkeit. Insgesamt verbesserten die Bakterien das Wasseraufnahmeverhalten und die Rissheilung des Mörtels signifikant. Somit wurde in diesem Projekt festgestellt, dass die Zugabe von Bacillus subtilis bei bestimmten Konzentrationen die mechanischen Eigenschaften des Betons erheblich verbessern kann.
Selbstheilender Beton und die Nutzung von digitalem Echtzeitmonitoring
Die Selbstheilungsfähigkeiten von baulichen Strukturen lassen sich durch die Kombination mit digitalen Methoden um ein weiteres erhöhen, denn die Integration von IoT-Sensoren und digitalen Überwachungssystemen in Bauwerke, die mit selbstheilendem Beton errichtet wurden, eröffnet weitere Möglichkeiten für das Bauwesen. Diese Technologien ermöglichen eine Echtzeitüberwachung des Heilungsprozesses und der strukturellen Integrität, was zu einer erheblichen Verbesserung der Sicherheit und Langlebigkeit von Bauwerken führen kann. Sensoren, wie Glasfaser- oder elektro-mechanische Impedanzsensoren (resistive Hygrometer), können Risse frühzeitig erkennen und den Fortschritt der Heilung überwachen.
Beispielsweise haben Maurya et al. (2020) sich mit dem Einsatz von Mikroorganismen in der Betonherstellung auseinandergesetzt und dabei auch einen Fokus auf der Nutzung von digitalen Überwachungssystemen gesetzt. Wesentliche Ergebisse sind:
- Mikrobieller Beton: Der Einsatz von Mikroorganismen, insbesondere verschiedener Bacillus-Arten, führt zu einer signifikanten Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Beton. Die optimale Bakterienkonzentration lag dort bei etwa 105 Zellen/ml, was die Druckfestigkeit und die Selbstheilung von Rissen fördert. Das ist ähnlich dem Ergebnbiss von Benjamin et al. (2020).
- Nachhaltigkeit: Die Anwendung von mikrobiell angereichertem Beton trägt zu einer nachhaltigeren Bauweise bei, da die Selbstheilung von Rissen ohne menschliches Eingreifen erfolgt, wodurch die Lebensdauer von Bauwerken verlängert wird.
Das Team um Maurya hebt zudem die Nutzung der Elektro-Mechanischen Impedanztechnik (EMI) hervor, die auf smarten Materialien basiert. Diese Technik ermöglicht die Überwachung von strukturellen Schäden und der Selbstheilung von Rissen in Beton. Durch die Integration von PZT-Sensoren (Piezoelektrische Sensoren) kann der Gesundheitszustand von Bauwerken kontinuierlich überwacht werden. Veränderungen in den Signaturen der Sensoren deuten auf strukturelle Schäden hin, was eine frühzeitige Erkennung und Reparatur ermöglicht.
Über den Einsatz von faseroptischen Sensoren (FOS) zur Überwachung der Dauerhaftigkeit von „Smart Concrete“ haben Qiao et al. (2023) berichtet. Untersucht wurden verschiedene Arten von FOS, wie Fiber Bragg Grating (FBG), Long-Period Fiber Grating (LPFG) und Surface Plasmon Resonance (SPR). Ziel war es, die technischen Fortschritte und die zukünftigen Forschungsperspektiven von FOS in der Betonüberwachung zu untersuchen. Die wesentlichen Ergebnisse umfassen:
- Optimale Bakterienkonzentration: Eine Konzentration von 106 Zellen/ml Bacillus Subtilis erwies sich als optimal zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften und der Selbstheilung von Zementmörtel. Das bestätigt die Ergebnbisse von Benjamin et al. (2020) und Maurya et al. (2020).
- Druckfestigkeit: Der Einsatz von Bakterien führte zu einer Erhöhung der Druckfestigkeit um bis zu 31 % im Vergleich zu herkömmlichem Zementmörtel.
- Wasseraufnahme: Die Wasseraufnahme wurde bei der optimalen Bakterienkonzentration deutlich reduziert, was die Beständigkeit des Mörtels gegenüber Feuchtigkeit verbessert.
- Porenheilung: Es wurde eine signifikante Verbesserung der Porenheilung beobachtet, insbesondere bei höheren Bakterienkonzentrationen.
Diese Ergebnisse zeigen deutlich das Potenzial von mikrobiell angereichertem Zementmörtel für langlebigere und nachhaltigere Bauwerke. Daneben hat das Team um Qiao auch hinsichtlich der digitalen Überwachungssysteme in Bauwerken folgende Ergebnisse erarbeitet:
- Vorteile von Faseroptischen Sensoren (FOS): FOS bieten eine hohe Empfindlichkeit, Beständigkeit gegen raue Umgebungen und die Fähigkeit zur großflächigen Überwachung. Sie sind besonders vorteilhaft für die langfristige Überwachung der Dauerhaftigkeit von Beton.
- Anwendungsszenarien: FOS werden erfolgreich zur Überwachung von Parametern wie Feuchtigkeit, Temperatur, Chloridionenpenetration und Korrosion eingesetzt, was zu einer besseren Erhaltung und längeren Lebensdauer von Bauwerken führt.
- Herausforderungen: Trotz ihrer Vorteile gibt es noch Herausforderungen bei der Integration in reale Bauwerke, insbesondere hinsichtlich der Kosten und der Langlebigkeit der Sensoren im Feld.
Und nun?
Die Kombination von selbstheilendem Beton mit digitalem Echtzeitmonitoring stellt eine interessante Kombination im Bauwesen dar. Vor allem die erfassten Daten aus den digitalen Überwachungssystemen sind relevant für eine vorausschauende Wartungsstrategie (Predictive Maintenance). Noch bevor sichtbare Schäden auftreten, können Wartungsarbeiten frühzeitg geplant werden, um kostspielige Reparaturen zu minimieren.
Diese integrierten Systeme bieten eine vielversprechende Lösung für die Verlängerung der Lebensdauer von Bauwerken, die Reduzierung der Instandhaltungskosten und die Verbesserung der Nachhaltigkeit. Es wäre wünschenswert, wenn diese Technologien in den kommenden Jahren eine immer wichtigere Rolle in der (Re-)Konstruktion und Instandhaltung von Infrastrukturprojekten spielen würde, um für die Zukunft noch besser gewappnet zu sein.
Video über selbstheilenden Beton mit Hendrik Jonkers (in englischer Sprache)
Video über dauerhaftes Brücken-Monitoring von Planet Wissen (WDR/ARD – öffnet in neuem Fenster)

Quellenverzeichnis
Benjamin, B., Sabbavarapu, A., Sudhakumar, J., & Suchithra, T. V. (2020). Experimental Study on Microbial Concentration Optimization in Cement Mortar using M-Sand as Fine Aggregate. IOP Conference Series: Materials Science and Engineering. online
Chinnasamy, C. (2020). Self healing of concrete using bacteria. International Journal of Advance Research, Ideas and Innovations in Technology. online
Jonkers, H. M. (2011). Bacteria-based self-healing concrete. Heron, 56(1), 1-12. online
Luo, M., Qian, C., & Ruiyang, L. (2015). Factors affecting crack repairing capacity of bacteria-based self-healing concrete. Construction and Building Materials, 87, 1-7. online
Maurya, K., Sonker, T., & Rawat, A. (2020). Sustainable concrete construction by microorganism and monitoring using EMI technique: A review. Materials Today: Proceedings, 32, 670-676. online
Qian, C., Zheng, T., Zhang, X., & Su, Y. (2021). Application of microbial self-healing concrete: Case study. Construction and Building Materials. online
Qiao, H., Lin, Z., Sun, X., Li, W., Zhao, Y., & Guo, C. (2023). Fiber Optic-Based Durability Monitoring in Smart Concrete: A State-of-Art Review. Sensors (Basel, Switzerland). online
Sarkar, M., Adak, D., Tamang, A., Chattopadhyay, B., & Mandal, S. (2015). Genetically-enriched microbe-facilitated self-healing concrete – a sustainable material for a new generation of construction technology. RSC Advances. online
Sharma, V., & Singi, M. (2023). Experimental Study on Bacterial based Self-Healing Concrete. International Journal for Research in Applied Science and Engineering Technology. online
Wang, J., Snoeck, D., Vlierberghe, S., Verstraete, W., & Belie, N. (2014). Application of hydrogel encapsulated carbonate precipitating bacteria for approaching a realistic self-healing in concrete. Construction and Building Materials. online
Yip, B. F., Haniffah, M. R. M., Kasiman, E. H., & Abidin, A. R. (2022). Research Progress on Microbial Self-Healing Concrete. Jurnal Teknologi. online
Schlagwörter: selbstheilender Beton, Bakterienintegration, Materialwissenschaft, digitale Überwachungssysteme, Echtzeitmonitoring, Bauwerksintegrität, Nachhaltigkeit.
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Selbstheilender Beton und digitales Echtzeitmonitoring [Blog-Beitrag]. 15.10.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar