Im Dialog: Dr. Thomas Wilk über digitale Transformation in der Bauwirtschaft

In der Serie „Im Dialog“ spreche ich mit Expertinnen und Experten über spannende und innovative Themen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft. Heute freue ich mich sehr, dass Herr Dr. Thomas Wilk, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Köln, sich die Zeit nimmt, um mit uns über die digitale Transformation in der Bauwirtschaft zu sprechen.

CK: Herr Dr. Wilk, bevor wir über digitale Transformation sprechen, würden Sie bitte den Leserinnen und Lesern kurz etwas zu Ihrem Werdegang und Ihrer aktuellen Position erzählen?

TW: Sehr gerne, Herr Karl. Ich bin Volljurist, habe zu Beginn meiner Berufszeit zunächst eine Ausbildung für den Verwaltungsdienst gemacht und später sowohl im kommunalen als auch im Landesdienst gearbeitet. Dadurch habe ich das Glück, dass ich alle drei kommunalen und die beiden Landes-Verwaltungsebenen von innen kenne. Ich durfte über fünf Jahre die oberste Bauaufsicht und das BIM-Competence-Center (BIM-CC) im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBD NRW) leiten. In dieser Zeit und bis heute über einen Lehrauftrag an der TU Dortmund darf ich mich um die Digitalisierung des Gesamtprozesses Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens sowie der breiten Implementierung von BIM kümmern. Beide Themen liegen mir sehr am Herzen, beide benötigen aber auch generell noch mehr Aufmerksamkeit.

CK: An ihre Zeit im MHKBD NRW kann ich mich noch sehr gut erinnern, als Sie dort das BIM-CC geleitet haben, und ich mit am BIM Qualifizierungsleitfaden NRW geschrieben habe. Zu dieser Zeit hat sich ja schon herauskristallisiert, dass es zukünftig wichtiger sein wird, die Vorteile digitaler Werkzeuge wie BIM herauszustellen, anstatt eine Verpflichtung durchzusetzen. Jetzt, einige Jahre später, wie bewerten Sie die Entwicklung der digitalen Transformation in der Bauwirtschaft? Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

TW: Die digitale Transformation hat in der Bauwirtschaft ohne Zweifel Fahrt aufgenommen, allerdings gibt es noch viel zu tun. Leider gilt die Baubranche als eher starr, was die Zuwendung zu neuen Technologien anbetrifft. Das Expertenwissen zu BIM ist da, allerdings verläuft die Verbreitung in unserer KMU-geprägten Bauwirtschaft zu schleppend. Ich erinnere mich gut an unsere damaligen Gespräche und Ansätze über die Einführung von BIM. Wie Sie wissen, haben wir uns stets dafür ausgesprochen, die Vorteile, Chancen und Mehrwerte dieser Methode zu betonen, statt eine verpflichtende Einführung zu fordern. Ich habe dies zuletzt noch einmal hinterfragt, da die Implementierung der BIM-Methode in der Breite leider nach wie vor nicht zufriedenstellend ist und in anderen Ländern international mit einer regulatorischen Verpflichtung Erfolge erzielt wurden. Im Ergebnis bin ich aber kein Freund zusätzlicher Regulierung. Daher gilt für mich nach wie vor: Der Schlüssel liegt darin, den Akteuren – von Bauherren, Planungsbüros, Bauunternehmen, über die Bauverwaltungen bis hin zu Nutzern und Betreibern – zu zeigen, wie sie in ihrer täglichen Arbeit von der BIM-Methode profitieren können. Der Austausch mit Kolleg/innen wie auch Expert/innen zeigt mir, dass diese Strategie erfolgreich ist.

CK: Sie haben in einem Ihrer letzten LinkedIn-Beiträge angedeutet, dass eine BIM-Pflicht möglicherweise kontraproduktiv sein könnte. Stattdessen plädieren Sie für positive Anreize und das Aufzeigen praktischer Mehrwerte. Welche konkreten Vorteile sehen Sie, die BIM in der täglichen Praxis bieten kann, insbesondere im Kontext der digitalen Baugenehmigungsverfahren?

TW: Genau. Eine weitere Regulierung durch eine BIM-Pflicht würde die Bauwirtschaft möglicherweise zusätzlich belasten, besonders in einer Branche, die stark von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Rund 90 Prozent aller Büros und Betriebe haben weniger als zehn Mitarbeitende. In einer solchen kleinen Struktur stellen sie nicht ohne Weiteres auf die BIM-Methode um. Stattdessen müssen wir die konkreten Mehrwerte von BIM für die tägliche praktische Arbeit hervorheben. Zum Beispiel haben wir bereits 2021 in NRW das erste BIM-basierte Baugenehmigungsverfahren von der BIM-basierten Planung bis zur BIM-basierten Baugenehmigung durchgeführt. Der Abschlussbericht dieses Praxisbeispiels ist allgemein im Internet verfügbar. Gegenwärtig wiederholen wir diesen Weg mit einem weiteren Projekt. Ich wünsche mir, dass mehr Kommunen und Bundesländer diesem Beispiel folgen würden. Ein anderes Beispiel ist das Bestreben, mittels einer softwaregestützten regelbasierten Vorprüfung die Bauanträge besser zu machen. Ein BIM-Modell liefert bereits alle notwendigen Daten, Informationen und Attribute für eine solche regelbasierte Vorprüfung auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit bereits vor der Bauantragstellung. Das reduziert die Anzahl der zurückgewiesenen Anträge und beschleunigt somit das gesamte Verfahren. Wenn wir es dann auch noch schaffen, dass der hinter einer solchen Software stehende Standard zertifiziert würde, dann könnte sich im anschließenden Genehmigungsverfahren auch die Baubehörde darauf stützen, und wir würden einen zweiten Beschleunigungseffekt erzielen.

CK: Das klingt nach einem enormen Effizienzgewinn. Und das für alle Beteiligten. Lassen Sie uns über Prozessoptimierung sprechen. Sie haben kürzlich über Führung und Prozessoptimierung in der Bezirksregierung Köln berichtet. Wie sehen Sie die Rolle von Führungskräften in der Bauwirtschaft, um digitale Innovationen wie BIM, IoT oder KI erfolgreich umzusetzen?

TW: Führungskräfte sind immer der entscheidende Schlüssel, um Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten. In der Bezirksregierung Köln haben wir festgestellt, dass es unerlässlich ist, klare und sehr konkrete Führungsgrundsätze zu haben, die auf allen Ebenen umgesetzt werden. Ich bin kein Freund abstrakter Leitbilder, hinter denen sich letztlich Jeder und Jede versammeln kann. Das Gleiche gilt für die Bauwirtschaft. Führungskräfte müssen nicht nur die technischen Aspekte digitaler Werkzeuge verstehen, sondern auch als Vorbilder und Motivatoren agieren. Sie müssen ihre Teams dazu befähigen, neue Technologien wie BIM oder KI zu nutzen, indem sie nicht nur die Werkzeuge bereitstellen, sondern auch die Vorteile und Chancen klar kommunizieren. Das gilt sowohl für Verwaltungen als auch für private Unternehmen. Am besten ist es, wenn man sowohl die Entscheider- als auch die operative Ebene direkt adressiert und erreicht, da in Change-Prozessen beide benötigt werden.

CK: Die Führung als Motivator und als Treiber für Innovation. Sozusagen die Evangelisten für die digitale Transformation. Ein Bereich, der immer mehr Beachtung findet, ist die Nachhaltigkeit im Bauwesen. Wie sehen Sie die Rolle digitaler Technologien, insbesondere BIM, in der Schaffung nachhaltigerer Bauprozesse?

TW: Digitale Technologien spielen eine wichtige Rolle, um Bauprozesse nachhaltiger zu gestalten. BIM ermöglicht es, Bauprojekte von Anfang an effizienter zu planen und durchzuführen, was zu einem geringeren Ressourcenverbrauch führt. Durch Simulationen können wir schon in der Planungsphase den gesamten Lebenszyklus inklusive der Betriebsphase eines Gebäudes einschließlich der Energieeffizienz betrachten. Das hilft uns, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. Und das bereits vor dem ersten Spatenstich. Auch in diesem Bereich gilt: Je mehr relevante Informationen wir frühzeitig zur Verfügung haben, desto besser können wir optimieren – sowohl ökologisch als auch ökonomisch. Im BIM-Kontext bedeutet dies, dass viel früher als bislang praktiziert die späteren Betreiber im Planungsstadium mit einbezogen werden müssen.

CK: In einem Ihrer LinkedIn Beiträge erwähnten Sie auch, dass wir in Deutschland oft Weltmeister im Schreiben von Konzepten sind, aber die Umsetzung noch stockt. Wie können wir Ihrer Meinung nach die Implementierung digitaler Lösungen wie BIM in der Breite beschleunigen?

TW: Das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt in Deutschland eine gewisse Tendenz, alles bis ins kleinste Detail vorab regeln zu wollen. In anderen Ländern, wie den Niederlanden oder Großbritannien, sieht man, dass der Mut zur Umsetzung manchmal wichtiger ist als ein perfektes Konzept. Wir müssen schneller in die Praxis kommen und Pilotprojekte nicht als Sonderfälle, sondern als die neue Norm betrachten. Was ich mir wünsche, ist eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren in der Bauwirtschaft, um von guten Beispielen zu lernen und diese schnell zu skalieren. BIM muss als Standard im gesamten Lebenszyklus eines Bauprojekts etabliert werden – von der Planung über den Bau bis zum Betrieb und Rückbau. Dies setzt aber ein Umdenken, eine Veränderung des Mindsets voraus, was häufig einfacher klingt, als es ist. Die Bauwirtschaft ist bislang viel zu wenig auf Kollaboration angelegt.

CK: Das klingt nach einem klaren Appell zur Zusammenarbeit. In Bezug auf die Zukunft: Welche digitalen Innovationen, sei es BIM, 3D-Druck oder IoT, sehen Sie als bedeutsam, um die Bauwirtschaft fit für die kommenden Jahrzehnte zu machen?

TW: BIM, 3D-Druck und IoT sind definitiv zentrale Bausteine der digitalen Transformation in der Bauwirtschaft. Der 3D-Druck wird in den kommenden Jahren zunehmend eine Rolle spielen, wenn seine Skalierung voranschreitet, vor allem, weil er das Potenzial hat, Bauprozesse erheblich zu beschleunigen, Ressourcen zu minimieren und auch dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. IoT, also das Internet der Dinge, wird ebenfalls ein Schlüsselelement sein, um Gebäude intelligenter und smarter zu machen – von der Bauphase bis hin zum Betrieb. Dabei geht es nicht nur um den Bau an sich, sondern auch um die Nachverfolgung und Optimierung von Betriebsprozessen, die ja bekanntlich einen großen Hebel haben, z.B. beim Ressourcenverbrauch. Ein Beispiel wäre die kontinuierliche Überwachung der Gebäudeeffizienz durch Sensoren, die automatisch Anpassungen vornehmen, um Energie zu sparen.

CK: Zum Abschluss, Herr Dr. Wilk, wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche politische oder technische Entwicklung würden Sie sich für die Bauwirtschaft in Deutschland wünschen?

TW: Mein Wunsch wäre, dass wir den Mut finden, neue Technologien schneller in die Praxis umzusetzen und uns stärker auf die Chancen konzentrieren, die diese bieten. Dazu gehört, dass wir politische und administrative Rahmenbedingungen schaffen, die Innovationen nicht behindern, sondern fördern – ohne zusätzliche Bürokratie. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir mehr positive Anreize schaffen, um Technologien wie BIM breiter zu implementieren. Das ist nicht nur eine technische, sondern vor allem eine kulturelle Herausforderung.

CK: Dem kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Wilk!

Hinweis: Weitere Informationen zum Forschungsprojekt “BIM-basierter Bauantrag” finden Sie hier.

Schlagwörter: Building Information Modeling, Digitalisierung, Sensorik, digitale Transformation, Internet of Things, digitaler Bauantrag, BIM-basierte Baugenehmigung, digitale Technologie, Veränderungsprozesse, Change-Prozesse, öffentliche Bauverwaltung, Prozessoptimierung, BIM-CC, MHKBD NRW

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024).Im Dialog: Dr. Thomas Wilk über digitale Transformation in der Bauwirtschaft [Blog-Beitrag]. 04.10.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar