Behind Digitalization: Douglas C. Engelbart

Engelbart gehört in meiner Vorlesung zur Digitalisierung im Bauwesen zu den Personen, die ich immer erwähne. Deshalb werde ich Ihnen heute Engelbart in der Blog-Serie “Behind Digitalization” etwas näher bringen. Bei “Behind Digitalization” geht es um einflussreiche Köpfe, welche die digitale Transformation vorantreiben. In der Darstellung der digitalen Transformation von 1960 bis heute ist Engelbart in meiner Wahrnehmung einer dieser Köpfe. Warum ich das denke? Nun, Douglas C. Engelbart (vollständig Douglas Carl Engelbart) war ein Visionär, dessen Beiträge zur Computertechnik die Grundlagen für die heutige digitale Transformation gelegt haben. Seine Ideen und Visionen haben nicht nur die Art und Weise, wie wir heute leben, tiefgreifend beeinflusst, sondern auch die berufliche Arbeit nachhaltig verändert.

Frühe Inspiration und Philosophie

Douglas C. Engelbart wurde 1925 in Portland, Oregon, geboren und studierte Elektrotechnik. Seine Karriere nahm eine entscheidende Wendung, als er 1946 während seiner Tätigkeit als Radartechniker der US Navy auf den Philippinen den Artikel As We May Think von Vannevar Bush gelesen hatte (Turner, 2006). Dieser Artikel inspirierte ihn dazu, sich dem Ziel zu widmen, das kollektive menschliche Wissen und die Intelligenz zu verbessern (The Engineer, 2023). Er war der Ansicht, man müsste die Gesellschaft dazu zu bringen, Wissen besser zu verwalten, um wissenschaftliche Erkenntnisse richtig nutzen zu können. Damit erkannte Engelbart früh, dass Computer nicht nur als Werkzeuge zur Berechnung von Zahlen dienen sollten, sondern das Potenzial hatten, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen miteinander interagieren, Wissen teilen und Probleme lösen.

“The Mother of All Demos” und der Einfluss auf die Computerbranche

Der wohl bekannteste Moment in Engelbarts Karriere war die Präsentation, die als “The Mother of All Demos” (Die Mutter aller Vorführungen) bekannt wurde, die er 1968 auf der Fall Joint Computer Conference in San Francisco hielt. In der 90-minütigen Präsentation wurden erstmals viele der grundlegenden Elemente des modernen Personal Computing demonstriert: Fenster, Hypertext, Grafiken, effiziente Navigation und Befehlseingabe, Videokonferenzen, Computermaus, Textverarbeitung, dynamische Dateiverknüpfung, Revisionskontrolle und ein kollaborativer Echtzeit-Editor in einem System mit dem Namen oN-Line System (NLS). Diese Innovationen stellten die Grundlagen dar, auf denen spätere Entwicklungen in der Computerbranche aufbauten (Inventors Digest, 2023).

Präsentation “Mother of All Demos” re-mastered in drei Teilen

Mother of All Demos Teil 1/3
Mother of All Demos Teil 2/3
Mother of All Demos Teil 3/3

Die Computermaus, die Douglas C. Engelbart zusammen mit seinem Team entwickelte, war ein Meilenstein in der Mensch-Computer-Interaktion. Auch wenn Engelbart selbst von der Reduktion seiner Arbeit auf die Erfindung der Maus nicht begeistert war, so hat dieses Gerät doch das Arbeiten am Computer für Millionen von Menschen weltweit erst ermöglicht.

Weiterentwicklung von Engelbarts Vision

Die Vision von Engelbart hatte einen sehr langfristigen Fokus, mit dem Mitglieder aus seinem Team nicht ganz konform gingen. Viele seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Augmentation Research Center (ARC) waren mehr daran interessiert, pragmatischere und unmittelbar anwendbare Technologien zu entwickeln. Zudem begann die finanzielle Unterstützung für Engelbarts Forschungsarbeiten nachzulassen. Xerox PARC (Palo Alto Research Center) war zu dieser Zeit eines der führenden Forschungszentren für Computertechnologie und bot eine attraktive Umgebung für Forscherinnen und Forscher, die an der Spitze technologischer Innovationen arbeiten wollten (The Engineer, 2023). Basierend auf den Visionen von Engelbart haben Mitglieder aus seinem Team schließlich bei Xerox PARC weiter geforscht – mit zu der Zeit beachtlichen Ergebnissen (tiefergehende Details siehe hier).

Xerox Alto (1973):

  • Der Xerox Alto, der 1973 im PARC entwickelt wurde, war der erste Computer, welcher eine grafische Benutzeroberfläche (engl. Graphical User Interface, kurz GUI) verwendete. Der Alto hatte ein Display, das es ermöglichte, Bilder und Text auf dem Bildschirm zu mischen. Die Benutzerinnen und Benutzer konnten mit der Maus auf Symbole und Menüs klicken, was eine zu der Zeit revolutionäre Art der Interaktion mit Computern darstellte.
  • Der Alto war ein Forschungsprojekt und wurde nie kommerziell vertrieben, aber er beeinflusste stark die nachfolgenden Entwicklungen in der Computerbranche.

Xerox Star (1981):

  • Der Xerox Star, der 1981 auf den Markt kam, war der erste kommerziell verfügbare Computer mit einer vollständig integrierten grafischen Benutzeroberfläche. Der Star führte viele der Konzepte ein, die heute in GUIs üblich sind, darunter Fenster, Icons, Menüs und die Maussteuerung.
  • Der Xerox Star war jedoch ziemlich teuer und hatte deshalb nur begrenzten kommerziellen Erfolg, was dazu führte, dass viele der Ideen erst später von anderen Unternehmen aufgegriffen und populär gemacht wurden.

Einfluss auf Apple und Microsoft

Auch wenn die Entwicklungen bei Xerox PARC nicht durchweg kommerzialisiert werden konnten und deshalb mehr den Stand von Forschungsprojekten hatten, war deren Einfluss auf andere Unternehmen sehr groß.

Beispiel Apple

Steve Jobs besuchte im Dezember 1979 Xerox PARC, wo er die dort entwickelten Technologien sah, einschließlich der grafischen Benutzeroberfläche (8Bit-Museum, 2019). Jobs beschloss daraufhin, diese Ideen in die Entwicklung des Apple Lisa (1983) und später des Apple Macintosh (1984) einfließen zu lassen. Der Macintosh popularisierte die grafische Benutzeroberfläche und machte sie so einem breiteren Publikum zugänglich.

Beispiel Microsoft

Bill Gates entwickelte mit Microsoft in den 1980er Jahren seine eigene grafische Benutzeroberfläche, die zunächst in Form von Microsoft Windows auf den Markt kam. Die erste Version von Windows wurde 1985 veröffentlicht und basierte auf Konzepten, die durch die Arbeit von Xerox PARC und den Erfolg des Macintosh inspiriert wurden. Während Microsofts frühe Versionen von Windows noch nicht so ausgereift waren wie die Apple-Software, entwickelte sich Windows trotzdem schnell zur dominierenden Plattform für PCs.

Grund war unter anderem, dass Microsoft sich dafür entschieden hatte, Windows als Betriebssystem für eine breite Palette von Hardwareplattformen verfügbar zu machen. Das heißt, dass Windows nicht auf spezifische Hardware beschränkt war, wie es bei Apples MacOS der Fall war, sondern auf einer Vielzahl von PCs von unterschiedlichen Herstellern installiert werden konnte. Diese Strategie förderte die Verbreitung von Windows auf einer Vielzahl von Geräten und machte es zur bevorzugten Wahl für PC-Hersteller. Dazu kam die direkte Kooperation mit Hardware-Herstellern und nicht zu vergessen die teilweise recht aggresive Marketing- und Lizensierungspolitik, beispielsweise durch die Bündelung von Anwendungen wie dem Internet Explorer mit dem Betriebssystem.

Anhand dieses kurzen geschichtlichen Abrisses wird ersichtlich, welchen Einfluss die Präsentation von Engelbart auf der Fall Joint Computer Conference in San Francisco hatte und warum sie später zu Recht von Steven Levy als “Mother of all Demos” bezeichnet wurde.

Einfluss von Engelbart auf die digitale Transformation

Douglas C. Engelbart war überzeugt, dass Technologie dazu genutzt werden sollte, die kollektive Intelligenz der Menschheit zu steigern. Diese Philosophie prägte seine Arbeit und führte zur Entwicklung von Systemen wie dem oN-Line System (NLS), das Konzepte wie vernetzte Computer und gemeinschaftliches Arbeiten einführte. Das NLS war auch eines der ersten Systeme, das die Grundlagen für das moderne Internet legte, da es zu den ersten Knoten des ARPAnet, dem Vorläufer des Internets, gehörte (The Engineer, 2023).

Ein besonders interessanter Aspekt von Engelbarts Arbeit war seine Überlegung, wie Computertechnologie die Arbeit von Architekten unterstützen könnte. In seinem Paper Augmenting Human Intellect: A Conceptual Framework, das 1962 veröffentlicht wurde, beschrieb Engelbart, wie Architekten von der Integration von Computern in ihre Arbeitsprozesse profitieren könnten. Er argumentierte, dass Computer Werkzeuge bereitstellen könnten, um die Effizienz und Kreativität in der Architektur zu steigern, indem sie Aufgaben wie die Planung, Gestaltung und Visualisierung von Gebäuden unterstützen. Engelbart sah Architekten als ein Beispiel für Wissensarbeiter, deren Arbeit durch die Integration von Computertechnologien verbessert werden könnte, um die Lösung komplexer Probleme zu erleichtern (Engelbart, 1962). Damit hat Engelbart bereits zu dieser Zeit die digitale Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft im Blick gehabt.

Engelbart und künstliche Intelligenz

Douglas C. Engelbart verfolgte in seinem Paper Augmenting Human Intellect: A Conceptual Framework eine Vision, die sogar in vielerlei Hinsicht mit den Zielen aktueller KI-Technologien, wie GPTs (Generative Pre-trained Transformer), übereinstimmt. Engelbarts Hauptziel war es, die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen durch technologische Hilfsmittel zu erweitern, um komplexe Probleme effizienter zu lösen. Er sah Computer als Werkzeuge, die das menschliche Denken unterstützen und verstärken könnten, indem sie Informationen organisieren, darstellen und verarbeiten, wodurch die kollektive Intelligenz einer Gesellschaft verbessert wird (Engelbart, 1962).

Ähnlich wie Engelbarts Vision streben moderne KI-Lösungen an, Benutzerinnen und Benutzer bei der Verarbeitung und Generierung von Informationen zu unterstützen. Solche Systeme sind darauf ausgelegt, auf natürliche Sprachbefehle zu reagieren und dabei zu helfen, komplexe Aufgaben zu bewältigen, Informationen zu analysieren und Texte oder Bilder zu generieren, die sowohl im kreativen als auch im analytischen Bereich nützlich sein können. Diese KI-Modelle helfen dabei, die menschliche Arbeit zu erleichtern und bieten neue Möglichkeiten zur Lösung von Problemen, ähnlich wie Engelbart es sich mit der “Augmentierung des menschlichen Intellekts” vorgestellt hatte.

Engelbart als Vordenker der heutigen KI-Vision

Engelbart kann somit auch als einer der Vordenker der heutigen KI-Vision angesehen werden, bei der Technologien die Menschen unterstützen, indem sie deren Fähigkeiten erweitern und das Potenzial der kollektiven menschlichen Intelligenz maximieren (Aktuell gibt es auch kritische Stimmen, dass KI die Menschen eher Verdummen würde, aber das ist ein anderes Thema.). Seine Vorstellung von einer symbiotischen Beziehung zwischen Mensch und Maschine, in der Computer als Partner und nicht nur als Werkzeuge fungieren, ist heute relevanter denn je (Lesen Sie dazu auch den Beitrag Zukunft der Arbeit – KI als Partner oder Konkurrent?). Diese Konzepte sind zentral für die Entwicklung moderner KI-Systeme, die darauf abzielen, menschliche Intelligenz nicht zu ersetzen, sondern zu ergänzen und zu erweitern.

Die heutigen Fortschritte in der künstlichen Intelligenz und maschinellen Lernsystemen bauen auf den Grundlagen auf, die Engelbart in seiner Vision bereits dargestellt hat. Das macht ihn wahrscheinlich auch zu einem der frühen Vordenker der Konzepte, die wir heute in der KI erleben.

Und das diese Vison in der Baupraxis bereits angekommen ist, zeigen KI-Plattform wie Syte (eine Art digitales Grundbuch) oder die KI-gestützte Bauplanungsplattform ARCHITEChTURES oder PropertyMax, ein Tool um das Maß der Bebaubarkeit zu untersuchen oder Plattformen wie Yanus oder LookX.

Und nun?

Trotz seiner bahnbrechenden Arbeit hatte Engelbart mit Herausforderungen zu kämpfen. Viele seiner Ideen wurden von der Industrie zunächst nicht verstanden oder geschätzt. Ein Problem, dass er mit vielen anderen Visionären und Erfindern teilt. Gestern wie heute. Seine Vision, Technologie zu nutzen, um die Menschheit zu verbessern, wurde oft zugunsten kommerzieller Interessen in den Hintergrund gedrängt. Trotzdem bleibt Engelbarts Einfluss bis heute spürbar. Besonders in Bereichen wie der kollaborativen Arbeit, der Nutzung des Internets und der Entwicklung von Benutzeroberflächen, welche die Arbeit mit Computern für jedermann zugänglich machen (Inventors Digest, 2023).

Engelbarts Erbe lebt weiter in den Technologien, die wir täglich nutzen, und in der Art und Weise, wie wir die digitale Welt gestalten. Seine Arbeiten sind eine Erinnerung daran, dass Technologie nicht nur ein Werkzeug ist, sondern ein Mittel, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Daran sollten wir uns erinnern, jedes mal wenn wir mit der Maus über den Schreibtisch fahren.

Trivia

Wenn man dem Star Trek Universum glauben mag, wird Engelbarts Maus auch noch im Jahr 2376 existieren. In der Episode Star Trek: Raumschiff Voyager – Der gute Hirte (Staffel 6, Gesamtfolge 140, Staffelfolge 20) ist bei Minute 38:52 in der oberen linke Ecke ein Mauszeiger auf einem Display zu sehen. Ob das ein Produktionsfehler ist oder beabsichtigt war entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Das die Computermaus in Star Trek schon lange überholt ist zeigt die legendäre Szene mit Captain Montgomery Scott (Scotty) während der Zeitreise in das Jahr 1986. Dort benutzt Scotty auf Anraten von Doktor Leonard McCoy (Pille) irrtümlich die Maus als Gerät zur Spracheingabe 🙂 (Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart, Zeit der Handlung: 2286). Basierend darauf ist der Mauszeiger auf der Voyager wohl wirklich ein Produktionsfehler gewesen.

Obwohl, … mir gefällt der Gedanke, dass es eine versteckte, absichtliche Hommage an Engelbart ist. Im Delta Flyer müssen die drei Crewmitglieder Wissen und Fähigkeiten mit den technischen Möglichkeiten zusammentun um zu überleben. Und das ist doch genau das, was in Engelbarts Vision im Zentrum steht: Durch die Nutzung von Computern und interaktiven Technologien die kollektive menschliche Intelligenz erweitern, um die Fähigkeit der Menschheit zur Lösung komplexer Probleme nachhaltig zu steigern.

Mehr zu Star Trek und der digitalen Transformation gefällig? Dann lesen Sie die Beiträge Star Trek und die Bau- und Immobilienwirtschaft – Teil 1 und Star Trek und die Bau- und Immobilienwirtschaft – Teil 2.

Empfohlenes Video zu Douglas C. Engelbart

Quellenverzeichnis

8Bit-Museum (2019). Vor 40 Jahren: Steve Jobs besucht Xerox PARC. online

Engelbart, D. C. (1962). Augmenting Human Intellect: A Conceptual Framework. online

Turner, F. (2006). From Counterculture to Cyberculture: Stewart Brand, the Whole Earth Network, and the Rise of Digital Utopianism. Chicago and London: University of Chicago Press. ISBN 9780226817415.

The Engineer (2023). Late Great Engineers: Douglas Engelbart – personalising the computer. online

Inventors Digest (2023). Elephant Footprint: The Vision and Impact of Douglas Engelbart. online

Franklin Institute (1999). Douglas C. Engelbart. online

Schlagwörter: Douglas C. Engelbart, Mother of All Demos, oN-Line System, Xerox PARC, Xerox Alto, Xerox Star, Apple, Microsoft, Digitalisierung, digitale Transformation, Künstliche Intelligenz

Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Behind Digitalization: Douglas C. Engelbart [Blog-Beitrag]. 26.09.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar