Willkommen zur Blog-Serie “Behind Digitalization”, in der ich Ihnen einflussreiche Köpfe vorstelle, welche die digitale Transformation vorantreiben. In dieser Serie werfen wir einen Blick hinter die Kulissen und beleuchten innovative Ansätze, revolutionäre Technologien und inspirierende Visionen. Heute stelle ich Ihnen jemanden vor, mit dem ich drei Dinge gemeinsam habe: 1. Wir sind beide in der Bauwirtschaft tätig, 2. Wir haben beide griechische Wurzeln und – unglaublich, aber wahr – wir haben beide den gleichen Geburtstag: der Architekt Nonda Katsalidis.
Nonda Katsalidis: Ein Pionier der Digitalisierung in der Baubranche
In der heutigen Zeit ist die Digitalisierung ein unverzichtbarer Bestandteil der Bau- und Immobilienwirtschaft geworden. Eine Persönlichkeit die in diesem Bereich wertvolle Beiträge geleistet hat ist Nonda Katsalidis, ein australischer Architekt griechischer Herkunft, der durch seine innovativen Ansätze und technologische Weitsicht einen maßgeblichen Anteil zur Transformation der Branche beigetragen hat.
Frühe Anfänge und innovative Ansätze
Nonda Katsalidis wurde am 20. Juni 1951 in Athen, Griechenland, geboren und emigrierte als Kind mit seiner Familie nach Australien. Er studierte Architektur an der University of Melbourne, wo er seinen Bachelor of Architecture erhielt. Katsalidis begann seine Karriere als Architekt mit einem starken Fokus auf der Integration von Kunst und Funktionalität in seinen Bauprojekten. Sein Durchbruch kam jedoch, als er begann, digitale Technologien in den Bauprozess zu integrieren.
Gründung von “Unitised Building”
Bereits 2008 gründete er das Unternehmen Unitised Building, das neue Maßstäbe in der Baubranche setzen sollte. Durch die Nutzung von Building Information Modeling (BIM) und Design-for-Manufacture-and-Assembly (DFMA) revolutionierte er die Art und Weise, wie Gebäude entworfen und gebaut werden (Alfieri et al., 2020). Derzeit ist er als Direktor des Architekturbüros Fender Katsalidis Architects tätig und arbeitet gemeinsam mit dem Architekten Karl Fender.
Die Bedeutung von BIM und DFMA
Building Information Modeling (BIM) beinhaltet eine digitale Darstellung der physischen und funktionalen Eigenschaften eines Bauwerks (eine Definition zu BIM finden Sie in diesem Beitrag). Diese Methode ermöglicht es Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmern, in einer gemeinsamen Datenumgebung (engl. Common Data Environment, kurz CDE) zu arbeiten, was die Effizienz und Genauigkeit erheblich steigert. Nonda Katsalidis nutzte BIM in Verbindung mit DFMA (engl. Design for manufacturing and assembly, zu deutsch: Konstruktion für Fertigung und Montage), einer Methode, die darauf abzielt, Produkte so zu entwerfen, dass sie leicht hergestellt und montiert werden können. Diese Kombination ermöglichte es ihm, modulare Gebäude zu entwerfen, die vorgefertigt und dann vor Ort schnell zusammengebaut werden konnten (Yuan et al., 2018). Damit hat er auch das Konzept des modularen Bauens in die weitere Praxis gebracht. Das Unitsed Building nicht mehr aktiv ist, liegt wahrscheinlich an der Tatsache, dass Katsalidis mit seinem Konzept einfach 10 Jahre zu früh war (siehe hier).
Wegweisende Projekte
Nonda Katsalidis hat in den vergangenen Jahren an zahlreichen Projekten mitgearbeitet. Im folgenden möchte ich Ihnen drei sehr imposante Projekte vorstellen, die bezeichnend sind.
1. Little Hero
Ein schönes Beispiel für Katsalidis’ innovative Arbeit ist das Projekt Little Hero in Melbourne. Das Gebäude, das 63 Wohneinheiten umfasst, wurde mit einer innovativen Stahlcontainer-Baukonstruktion errichtet, bei welcher vorgefertigte Module sowohl vor Ort als auch in einer Fabrik parallel produziert wurden. Diese Bauweise ermöglichte es, das achtstöckige Gebäude in nur vier Wochen zu errichten und die gesamte Bauzeit auf neun Monate zu reduzieren, was eine Zeitersparnis von mehr als sechs Monaten im Vergleich zu herkömmlichen Bauweisen darstellt (Livin Spaces, 2018; OC Bristo, 2023).
Eine der größten Herausforderungen beim Bau war die Koordination zwischen den On-Site- und Off-Site-Arbeiten. Da die Module in China vorgefertigt und dann nach Australien transportiert wurden, war eine präzise Planung und Logistik erforderlich, um sicherzustellen, dass die Module nahtlos zusammengefügt werden konnten. Darüber hinaus stellte die Integration von Gebäudekernen aus Beton und modularen Stahlelementen eine technische Herausforderung dar, die durch Unitized Building erfolgreich gemeistert wurde (The Fifth Estate, 2023).
Ein weiterer schwieriger Aspekt war die Gewährleistung der strukturellen Integrität der Module, insbesondere in Bezug auf Erdbeben- und Taifunbeständigkeit, was bei der Verwendung von Stahlcontainern besonders relevant ist. Trotz dieser Herausforderungen konnte das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden und setzte neue Maßstäbe für die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Baubranche (OC Bristo, 2023; Livin Spaces, 2018). Der verwendete Ansatz reduzierte nicht nur die Bauzeit und die Kosten, sondern minimierte auch die Störungen am Standort, was bei konventionellen Bauweisen nicht möglich gewesen wäre (Joseph et al., 2020).
2. Eureka Tower
Ein weiteres Beispiel für die bemerkenswerte Arbeit von Katsalidis ist der Eureka Tower in Melbourne, eines der höchsten Wohngebäude der Welt im Jahre 2006, das Katsalidis und Karl Fender gemeinsam entworfen haben. Der Eureka Tower ist eines der höchsten Wohngebäude in Australien und ein architektonisches Wahrzeichen der Stadt. Mit einer Höhe von 297,3 Metern und 91 Stockwerken, von denen 84 für Wohnzwecke genutzt werden, dominiert der Turm die Skyline von Melbourne.
Der Bau des Eureka Tower war eine technische Herausforderung, insbesondere aufgrund der komplexen geologischen Bedingungen am Standort. Der Turm wurde auf einem ehemaligen Sumpfgebiet errichtet, was den Einsatz spezieller Gründungsmethoden erforderte. Um die Stabilität zu gewährleisten, wurden kombinierte Pfahlsysteme verwendet. Einige Pfähle wurden in hochfesten Basalt und andere in Silur-Siltstein gegründet, um die nötige Tragfähigkeit und Setzungskompatibilität zu erreichen. Diese hybriden Fundamente waren notwendig, um die enormen Lasten des 200.000 Tonnen schweren Gebäudes sicher abzuleiten (Australian Geomechanics Society, 2006).
Ein weiteres Merkmal des Eureka Towers ist die Fassade, die aus 52.000 Quadratmetern Glas und 40.000 Quadratmetern Aluminiumplatten besteht. Die oberen Stockwerke sind mit 24-karätigem Gold beschichtet, was symbolisch an den Goldrausch erinnert, der zur Namensgebung des Turms führte. Das spezielle Glas der Fassade trägt zur Energieeffizienz des Gebäudes bei, indem es die Heiz- und Kühlkosten um bis zu 40 % reduziert (World Construction Network, 2021).
Zusätzlich verfügt der Turm über ein System zur Reduktion von windbedingten Schwingungen. Auf den höchsten Etagen befinden sich Wassertanks mit einem Volumen von 300.000 Litern, deren Wasser zur Dämpfung von Gebäudevibrationen genutzt wird. Dieses System trägt dazu bei, die Stabilität des Turms selbst bei starkem Wind zu gewährleisten (We Build Value, 2022).
In Summe stellt der Eureka Tower ein bedeutendes Beispiel dar für die Integration von innovativen Konstruktionsmethoden in einem herausfordernden städtischen Umfeld. Er ist und bleibt ein ikonisches Element der Skyline von Melbourne.
3. Australia 108
Australia 108, ebenfalls entworfen von Nonda Katsalidis und Karl Fender, ist ein weiteres markantes Hochhaus in der Skyline von Melbourne. Mit einer Höhe von 316,7 Metern und 100 Stockwerken ist es das zweithöchste Gebäude Australiens und das höchste Wohngebäude der südlichen Hemisphäre (urban.com.au, 2020).
Nicht nur die konsequente Verwendung digitaler Methoden sondern auch das Design machen Australia 108 besonders. Insbesondere die “Sky Lobby” in Form eines goldenen Sterns, die sich auf der 70. Etage befindet. Diese Struktur symbolisiert den Federation Star auf der australischen Flagge und verleiht dem Gebäude ein unverwechselbares Aussehen. Die Sky Lobby enthält luxuriöse Einrichtungen, darunter einen Pool, ein Fitnessstudio und Wohnbereiche, die den Bewohnerinnen und Bewohnern einen spektakulären Blick über Melbourne bieten.
Der Bau von Australia 108 stellte das Projektteam vor mehrere Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Höhe des Gebäudes und die Auswirkungen des Windes. Australia 108 setzte einen neuen Standard für Luxuswohngebäude in Australien und bleibt, ähnlich wie der Eureka Tower, ein bedeutendes Symbol für moderne Architektur in Melbourne.
Einfluss auf die Branche
Nonda Katsalidis’ Arbeit hat weitreichende Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienwirtschaft. Durch die Einführung digitaler Methoden und vorgefertigter Modulbauweisen hat er gezeigt, dass Projekte schneller, kostengünstiger und nachhaltiger umgesetzt werden können (Kim et al., 2013). Seine Methoden haben sich zudem als besonders wertvoll in städtischen Gebieten erwiesen, wo Platz und Zeit oft knapp sind.
Darüber hinaus hat Katsalidis durch seine Projekte bewiesen, dass die Digitalisierung im Bauwesen nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit ist, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Seine Arbeit hat zahlreiche Unternehmen inspiriert, ähnliche Technologien zu übernehmen und ihre eigenen Prozesse zu optimieren (Yin et al., 2019).
Nonda Katsalidis ist weiterhin aktiv in der Architektur- und Baubranche. Seine Projekte umfassen städtische Gestaltung, Architektur, Innenausstattung und adaptive Wiederverwendung. In diesem Kontext empfehle ich einen Blick auf die Projekte von FKAustralia, die wirklich ihres Gleichen suchen.
Und nun?
Nonda Katsalidis ist zweifellos einer der visionärsten Architekten. Seine Beiträge zur Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche haben gezeigt, dass innovative Ansätze und der Einsatz moderner Technologien elementar sind, um in einer sich ständig wandelnden Branche erfolgreich zu sein. Für Akteure in der Bau- und Immobilienwirtschaft bietet seine Arbeit wertvolle Anregungen, wie digitale Transformation effektiv umgesetzt werden kann, um Effizienz und Nachhaltigkeit zu steigern.
Katsalidis’ Geschichte ist ein inspirierendes Beispiel dafür, wie Technologie und Kreativität Hand in Hand gehen können, um die Zukunft des Bauens zu gestalten.
Update 07.11.2024: Zweiteiliges Interview mit Nonda Katsalidis und Karl Fender
Quellenverzeichnis
Australian Geomechanics Society. (2006). Eureka Tower, A Bored Pier Foundation Story. online
Alfieri, E., Seghezzi, E., Sauchelli, M., Di Giuda, G. D., & Masera, G. (2020). A BIM-based approach for DfMA in building construction: framework and first results on an Italian case study. Architectural Engineering and Design Management, 16(3), 247-269. online
Joseph, S., Sasikumar, R., Anil, M., & Venkatesan, R. P. (2020). Application of Building Information Modeling for an Institutional Building. Journal of Civil and Environmental Engineering, 10, 1-12. online
Kim, H., Anderson, K., Lee, S., & Hildreth, J. C. (2013). Generating construction schedules through automatic data extraction using open BIM (building information modeling) technology. Automation in Construction, 35, 285-295. online
Livin Spaces (2018). This Apartment building in Australia designed by Fender Katsalidis was completed in 30 days using PPVC. online
OC Bristo. (2023). Little Hero Steel Container Apartments – Melbourne, Australia. online
The Fifth Estate (2023). How one CRC is trying to change the game in construction. online
urban.com.au (2020). Australia 108 officially becomes the tallest residential tower in Southern Hemisphere. online
We Build Value. (2022). The Eureka Tower that dominates Melbourne. online
World Construction Network (2021). Eureka Tower, Melbourne, Australia. online
Yuan, Z., Sun, C., & Wang, Y. (2018). Design for Manufacture and Assembly-oriented parametric design of prefabricated buildings. Automation in Construction, 88, 13-22. online
Yin, X., Liu, H., Chen, Y., & Al-Hussein, M. (2019). Building information modelling for off-site construction: Review and future directions. Automation in Construction. online
Schlagwörter: Nonda Katsalidis, Pionier, Digitalisierung, Architektur, Building Information Modeling, Design-for-Manufacture-and-Assembly, Little Hero, Eureka Tower
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Behind Digitalization: Nonda Katsalidis [Blog-Beitrag]. 26.08.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar