Neben der EM 2024 läuft noch so einiges mehr. In diesem Beitrag habe ich bereits über verschiedene Trends bei der Umnutzung und Revitalisierung von Gebäuden geschrieben. Neben der Umnutzung und Revitalisierung hat in den letzten Jahren auch der Trend zum Tiny House weltweit an Bedeutung gewonnen. Diese kleinen, oft mobil konzipierten Wohnhäuser sollen eine minimalistische und nachhaltige Lebensweise bieten. Mit ihrer kompakten Bauweise und dem Fokus auf das Wesentliche sollen Tiny Houses es ermöglichen, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und gleichzeitig eine hohe Lebensqualität zu gewährleisten.
Tiny House: Was ist das?
Ein Tiny House ist ein kleines, voll funktionsfähige Wohnhaus, welches typischerweise zwischen 10 und 50 Quadratmetern groß ist. Tiny Houses sind so gestaltet, dass sie alle notwendigen Annehmlichkeiten bieten, die man von einem normalen Haus erwarten würde, einschließlich Küche, Badezimmer, Wohn- und Schlafbereich. Durch clevere Designlösungen und eine effiziente Raumnutzung bieten sie trotz ihrer geringen Größe erstaunlich viel Komfort. Die günstigsten Tiny Houses können Sie bereits mit weniger als 30.000 Euro erstehen. Nach oben ist beim Preis keine Grenze gesetzt. Je nach Größe, Ausstattung und Materialien können Sie für ein Tiny Houses auch mehr als 250.000 Euro bezahlen. By the way: Wer einen Einblick in das Boxable Tiny House werfen möchte, kann das in diesem Video tun (vor einiger Zeit als “Elon Musk Tiny Home” bekannt geworden).
Tiny House Festival in Karlsruhe
In Karlsruhe fand Europas größtes Tiny House Festival statt, das den aktuellen Wohn-Trend in den Fokus rückte (siehe Tiny House Festival) . Die Veranstaltung, bekannt als NEW HOUSING – Tiny House Festival, präsentierte eine Vielzahl von innovativen und platzsparenden Wohnlösungen. Vom 28. bis 30. Juni 2024 konnten Besucherinnen und Besucher mehr als 50 Tiny Houses besichtigen und sich über verschiedene Modelle und Bauweisen informieren. Es gab zahlreiche Workshops und Vorträge zu Themen wie Selbstversorgung, nachhaltiges Bauen und der Suche nach geeigneten Stellplätzen.
Die Messe bot nicht nur eine Plattform für Hersteller und Anbieter, sondern auch für Tiny House Bewohnerinnen und Bewohner, die ihre Erfahrungen teilten und praktische Tipps gaben. Zu den Highlights zählten auch Präsentationen von Expertinnen und Experten sowie die Möglichkeit, sich direkt mit Dienstleistern und Beraterinnen und Beratern auszutauschen. Die Veranstaltung fand in der Messe Karlsruhe statt und umfasste sowohl Innen- als auch Außenbereiche, in denen die Tiny Houses ausgestellt wurden.
Tiny House und seine Vorzüge
Das Tiny House hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen, nicht nur wegen der charmanten und kompakten Bauweise, Diese kleinen Wohnlösungen sollen eine Vielzahl von positiven Aspekten bieten, die sowohl für Einzelpersonen als auch für Familien attraktiv sein sollen. Im Folgenden werden exemplarisch einige bislang verbreitete Vorzüge von Tiny Houses diskutiert.
1. Nachhaltigkeit
Umweltfreundlicher Bau: Tiny Houses sind oft aus recycelten oder nachhaltigen Materialien gebaut (z.B. Schafwolle für die Dämmung). Durch die geringere Größe benötigen sie weniger Baumaterialien, was die Ressourcen schont und die Umweltbelastung reduziert. Viele Tiny House-Besitzerinnen und Besitzer entscheiden sich für umweltfreundliche Baustoffe wie recyceltes Holz oder ökologisch zertifizierte Materialien.
Energieeffizienz: Aufgrund ihrer geringen Größe verbrauchen Tiny Houses weniger Energie zum Heizen, Kühlen und Beleuchten. Viele sind mit Solarpaneelen ausgestattet, die es den Bewohnerinnen und Bewohnern ermöglichen, einen Großteil ihres Energiebedarfs selbst zu decken. Die Nutzung regenarativer Energie führt zu einer geringeren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und senkt den CO2-Ausstoß.
Aber: Wenn man ehrlich ist, kann ein klassisches Gebäude ebenso mit recycelten oder nachhaltigen Materialien gebaut werden. Zudem muss auch bedacht werden, dass z.B. in einem Tiny House von 50 m² mit zwei Personen in der Regel die gleiche Energie verbraucht wird, sofern sich die Nutzenden nicht auch in ihrem Verhalten angepasst haben. Das bedeutet, dass die Aspekte umweltfreundlicher Bau und Energieffizienz schon noch in Frage zu stellen wären.
2. Kosteneffizienz
Geringere Baukosten: Im Vergleich zu herkömmlichen Häusern sind die Baukosten eines Tiny Houses deutlich niedriger und machen dieses Konzept wegen der augenscheinlich geringeren Investition attraktiver. Die kompakte Größe bedeutet, dass weniger Materialien und Arbeitsstunden benötigt werden. Das macht den Einstieg in den Immobilienmarkt für viele Menschen erschwinglicher. Auf die Gesamtsumme geschaut ist das definitiv ein Vorteil, schauen wir uns jedoch den Kaufpreis auf den Quadratmeter umgelegt an, so ist der Quadratmeterpreis bei machen Angeboten nicht unbedingt weniger als bei einem klassischen Gebäude.
Niedrige Betriebskosten: Die laufenden Kosten für Energie, Wasser und Instandhaltung können bei Tiny Houses wesentlich geringer ausfallen, wenn sich z.B. auch das Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner hin zu einem minimalistischeren Lebensstil ändert. Zudem kann der reduzierte Platzbedarf auch die Ausgaben für Möbel und Dekoration senken. Sofern der Minimalismus sich nicht im Verhalten spiegelt und auch nicht auf energieeffiziente Komponenten geachtet wurde, kann der Vorteil der niedrigen Betriebskosten auch ncihtg vollständig ausgeschöpft werden. In dem Fall ist dieser Vorteil für ein Tiny House in Frage zu stellen.
3. Mobilität
Flexibilität: Viele Tiny Houses sind auf Rädern gebaut, was es ihren Besitzerinnen und Besitzern grundsätzlich ermöglicht, ihren Wohnort leicht zu wechseln. Diese Mobilität bietet die Freiheit, verschiedene Umgebungen und Lebensstile auszuprobieren, ohne sich langfristig an einen Ort binden zu müssen. Demgegenüber muss jedoch auch gesagt werden, dass der Aufstellung eines Tiny Houses auch Grenzen gesetzt sind. Diese sind zum Beispiel abhängig von behördlichen Zulassungen und kommunalen Vorgaben.
Reisen und Abenteuer: Oft wird auch das positive Argument ins Feld gebracht, dass für Abenteuerlustige und Reisefreunde ein mobiles Tiny House die Möglichkeit bietet, die Welt zu erkunden, ohne auf den Komfort eines eigenen Zuhauses verzichten zu müssen. Man kann problemlos zu neuen Orten reisen und gleichzeitig die Vorteile eines eigenen Heims genießen. Das ist in der Tat richtig, aber als explizietes Argument für Tiny Houses finde ich es persönlich etwas schwach, da ich genau das auch mit einem Wohnwagen oder Wohnmobil erreichen kann.
4. Minimalistischer Lebensstil
Reduziertes Eigentum: Der begrenzte Raum in einem Tiny House zwingt die Bewohnerinnen und Bewohner dazu, sich auf das Wesentliche zu beschränken und unnötigen Ballast loszuwerden. Dieser minimalistische Ansatz fördert ein bewussteres und weniger materialistisches Leben, was zu mehr Zufriedenheit und weniger Stress führen kann. Ich finde, dass dieser Ansatz auch bei Personen eine Rolle spielt, die ein klassisches Eigenheim haben. Vieleicht sogar mehr, da dort ggf. über Jahre Sachen “eingelagert” werden, weil es der Platz eben hergibt. Bei Personen, die erst in ein Tiny House einziehen und von Beginn an nicht soviel an materialistischen Dingen mitbringen können stellt sich das in der Tat als Vorteil heraus.
Einfache Wartung: Mit weniger Platz und Besitz gibt es auch weniger zu reinigen und zu reparieren. Das ermöglicht den Bewohnerinnen und Bewohnern, ihre Zeit und Energie auf andere Dinge im Leben zu konzentrieren, wie persönliche Hobbys, Familie und Freunde (oder auch seine Arbeit, wenn sie einem soviel Spaß macht 🙂 ).
Grundsätzlich ist der Punkt des minimalistischen Lebensstil einer der wesentlichen Aspekte in der (architektonischen und sozialen) Tiny House Bewegung.
5. Gemeinschaft und soziale Aspekte
Stärkere Gemeinschaften: Viele Tiny House Besitzerinnen und Besitzer entscheiden sich für Tiny House Communities, in denen mehrere kleine Häuser auf einem Grundstück zusammenstehen. Diese Gemeinschaften fördern soziale Interaktionen und Zusammenarbeit, was zu einem stärkeren Zusammengehörigkeitsgefühl führen soll. Auf der Webseite vom Tiny House Verband finden Sie Beispiele für solche Communities in Deutschland oder auch International (ansehen >>). Explizite Beispiele aus den USA finden Sie bei zum Beispiel Tiny Living (ansehen >>).
Innovative Wohnformen: Wie bereits weiter oben erwähnt, sind Tiny Houses Teil einer größeren Bewegung hin zu neuen, innovativen Wohnformen zusammen mit einem minimalistischen Lebensstil. Damit könnten Tiny Houses Lösungen bieten für städtische Verdichtung, bezahlbares Wohnen und nachhaltige Lebensweisen, welche für zukünftige Generationen von großer Bedeutung sein könnten.
Herausforderungen bei einem Tiny House
Tiny Houses können in der Tat eine mögliche Antwort auf verschiedenste Probleme sein und zu einem bewussterem Leben motivieren. Demgegenüber haben wir bereits verschiedene Punkte gesehen, die trotz positivem Anschein diskutabel sind. Im Folgen werfen wir einen detailierteren Blick auf ausgewählte Herausforderungen.
1. Bauvorschriften und Genehmigungen
Anders als beispielsweise in den USA ist es hierzulande nicht möglich sich einfach so mit seinem Tiny House nieder zu lassen. Der Grund ist, dass das Baurecht in Deutschland auch für Tiny Houses Gültigkeit hat wie z.B. die entsprechende Landesbauordnung. In diesem Kontext benötigen Tiny Houses auch den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser, Strom und Abwasserentsorgung. Im Baurecht heißt es, dass das Grundstück erschlossen sein muss. In vielen Städten und Gemeinden gelten bestimmte Regeln, die festlegen, wo und wie Tiny Houses gebaut und aufgestellt werden dürfen. Diese Vorschriften können von Region zu Region sogar variieren und beinhalten oft Anforderungen an die Mindestgröße von Wohnräumen, Abstandsregelungen zu Nachbargrundstücken und spezifische Standards wie Art der zugelassenen Gebäude, welche im Bebauungsplan einer Gemeinde festgelegt sind. In einigen Gebieten sind Tiny Houses auf Rädern als mobile Wohneinheiten eingestuft, was zusätzliche Herausforderungen bei der Registrierung und den Verkehrssicherheitsanforderungen mit sich bringen kann.
2. Lebensstil und Raumplanung
Das Leben in einem Tiny House erfordert eine bedeutende Anpassung des Lebensstils. Da der verfügbare Raum begrenzt ist, müssen Bewohnerinnen und Bewohner ihre Besitztümer drastisch reduzieren und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Ja, das kann eine befreiende Erfahrung sein, erfordert jedoch auch eine sorgfältige Planung und Organisation. Jeder Gegenstand muss einen festen Platz haben, und multifunktionale Möbelstücke sind oft notwendig, um den verfügbaren Raum optimal zu nutzen. Desweiteren kann der begrenzte Platz auch soziale Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere wenn mehrere Personen im selben Tiny House leben und sich den vergleichsweise geringen, maximal optimierten Platz teilen müssen.
3. Infrastruktur und Versorgungsanschlüsse
Wie bereits erähnt, benötigen Tiny Houses (wie traditionelle Häuser auch) Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser, Strom und Abwasserentsorgung. In abgelegenen oder ländlichen Gebieten kann das eine Herausforderung darstellen, da die Infrastruktur möglicherweise nicht vorhanden oder schwer zugänglich ist. Lösungen wie Regenwassersammelsysteme, Komposttoiletten und Solarpaneele können Abhilfe schaffen, erfordern jedoch zusätzliche Investitionen und erhöhen die Zeit und Kosten für die Wartung. Ich sag mal so, einen solchen Fall kennen einige von uns unter dem Begriff “Schrebergarten”. Nicht das jetzt jemand denkt, dass “Tiny Houses” nur alter Wein in neuen Schläuchen sei. Es ist halt eine evolutionäre Entwicklung.
4. Finanzielle Herausforderungen
Obwohl Tiny Houses in der Regel kostengünstiger erscheinen als traditionelle Häuser, können die anfänglichen Kosten für den Bau oder Kauf eines Tiny Houses trotzdem erheblich sein. Hinzu kommen die Kosten für den Erwerb eines geeigneten Grundstücks, Genehmigungen, Infrastrukturanschlüsse und eventuelle Anpassungen (daran ändert sich nämlich nichts). Zudem bieten nicht alle Banken und Finanzinstitute spezielle Finanzierungsoptionen für Tiny Houses an, was die Finanzierung erschweren kann. Kurz und überspitzt gesagt: In den Augen einer Bank ist ein klassisches Haus noch immer “Betongold” und ein Tiny House ist für eine Bank halt etwas mehr als Wohnwagen.
5. Klimabedingungen und Energieeffizienz
Tiny Houses müssen gut gedämmt und belüftet sein, um bei wechselnden Wetterbedingungen komfortabel zu bleiben. Extreme Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit oder starker Wind können Herausforderungen darstellen und erfordern spezielle Bau- und Dämmmaßnahmen. Die Energieeffizienz eines Tiny Houses ist relevant, um den Energieverbrauch niedrig zu halten und den Wohnkomfort zu gewährleisten. Zudem müssen auch bei Tiny Houses die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Energieeffizienz und den Brandschutz erfüllt sein. Das kann durch die Auswahl der Baumaterialien, die Installation von effizient gedämmten Fenstern und Türen sowie durch den Einsatz erneuerbarer Energiequellen erreicht werden. Zudem können auch energieeffiziente Geräte einen wertvollen Beitrag leisten. HInweis: Einen Energieausweis braucht ein Tiny House nur dann, wenn es eine Nutzfläche von mehr als 50 m² hat.
Und nun?
Das wachsende Interesse und Veranstaltungen wie das Tiny House Festival in Karlsruhe zeigen, dass dieser Trend an Popularität gewinnt und immer mehr Menschen inspiriert. Tiny Houses bieten eine interessante Alternative zum traditionellen Wohnen und sie scheinen ideal für die Menschen zu sein, die ihre Umweltbelastung reduzieren, Kosten sparen und eine einfachere Lebensweise anstreben möchten. Aber um das zu erreichen, ist eine Gurndvoraussetzung, dass die Bewohnerinnen und Bewohner auch entsprechend Ihre Lebensweise hin zu einem minimalistischen Lebensstil wandeln.
Und da stellt sich mir die Frage, ob dann nicht auch die Menschen in klassischen Wohngebäuden das selbe erreichen, wenn sie ebenso minimalistisch leben und z.B. das Gebäude entsprechend energetisch optimiert wurde? Bei diesem Gedanken ist es meiner Meinung nach wichtig zu unterscheiden: Diejenigen, die bereits in einem klassischen Wohngebäude leben und diejenigen, die in ein neu erstandenes Tiny House einziehen. Beide Gruppen können durch ihre Lebensweise und ihr Verhalten einen wertvollen Beitrag leisten zur Nachhaltigkeit und zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks. Und jede dieser Gruppen hat das Recht in einem der von ihnen bevorzugten Wohn- und Lebensmodelle glücklich zu werden.
Schlagwörter: Tiny House, Nachhaltigkeit, Minimalismus, Kosteneffizienz, Boxable, Tiny House Festival, Flexibilität, Energieeffizienz
Diesen Beitrag zitieren: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Tiny House – Minimalismus für eine nachhaltige Welt? [Blog-Beitrag]. 08.07.2024. BauVolution, ISSN 2942-9145. online verfügbar